Lateinamerika

Weil Bolsonaro untätig bleibt: Kriminelle Gangs verhängen Corona-Ausgangssperren in Rios Favelas

Kriminelle Banden im brasilianischen Rio de Janeiro, die weite Teile der sogenannten Favelas kontrollieren, erzwingen Ausgangssperren wegen der Corona-Pandemie. Eine Reaktion auf Präsident Jair Bolsonaro, der die Pandemie weiterhin als "Erkältungchen" bezeichnet.
Weil Bolsonaro untätig bleibt: Kriminelle Gangs verhängen Corona-Ausgangssperren in Rios FavelasQuelle: Reuters © Bruno Domingos

Laut brasilianischen Medien verbreiten in den Favelas von Rio de Janeiro kriminelle Banden Botschaften, in denen sie den Bewohnern androhen, sie würden sie "lehren, eine 20-Uhr-Ausgangssperre zu respektieren".

Eine der Botschaften lautet demnach: "Achtung an alle Einwohner von Rio das Pedras, Muzema und Tijuguinhal! Ausgangssperre ab 20:00 Uhr ... Wer nach dieser Zeit auf der Straße gesehen wird, wird lernen, die nächste zu respektieren."

Eine andere wiederum: "Wir wollen das Beste für die Bevölkerung. Wenn die Regierung nicht in der Lage ist, das Problem zu lösen, wird das organisierte Verbrechen es lösen."

Laut der Johns-Hopkins-Universität sind aktuell 2.985 Infektionen in Brasilien gemeldet. Die Todesfälle belaufen sich auf 77. Der Gouverneur des Bundesstaats Rio de Janeiro, Wilson Witzel, warnte vor einem Zusammenbruch des öffentlichen Gesundheitssystems in 15 Tagen.

Neben Banden und Milizen, die Ausgangssperren verhängen, wurden auch sogenannte "Rio-Funk-Partys" (Auch "Baile Funk" genannt) abgesagt. Bei der Musik handelt es sich um eine sehr populäre Form des Hip-Hop aus Brasilien. Auch die "Open-Air-Drogenmärkte" wurden von den Banden geschlossen.

"Krankheit der Reichen"

Die in Rio ansässige Zeitung Extra berichtete, dass in der "Stadt Gottes" – einem weitläufigen Komplex von Slums, der 2002 durch einen gleichnamigen Film berühmt-berüchtigt wurde – Gangster umherfahren und Botschaften über Lautsprecher an die Bewohner richten.

In einer ihrer Botschaften soll es heißen: "Wir verhängen eine Ausgangssperre, weil das niemand ernst nimmt. Wer auf der Straße herumvögelt oder spazieren geht, wird korrigiert und dient als Beispiel. Es ist besser, zu Hause zu bleiben und nichts zu tun."

Viele Menschen Menschen in Brasilien bezeichnen die Corona-Pandemie als "Krankheit der Reichen". Sie glauben, dass die Viruserkrankung von dem aus Europa zurückgekehrten, privilegierten Teil der Bevölkerung stammt. Gleichzeitig wird befürchtet, dass gerade die ärmeren Gemeinden am meisten Betroffen sein könnten, da sie nur begrenzten Zugang zu Gesundheitseinrichtungen haben.

Paulo Buss, Direktor des Zentrums für Internationale Beziehungen, eines Forschungszentrums für öffentliche Gesundheit in Fiocruz, sagte: "Die Ironie besteht darin, dass die Krankheit von den Reichen per Flugzeug nach Brasilien gebracht wurde, aber unter den Armen wird sie explodieren."

Vania Ribeiro, die Vizepräsidentin einer lokalen Nachbarschaftshilfe erklärte: "Hier haben die Menschen sehr viel Angst. Das nächstgelegene Gesundheitszentrum ist dasselbe, das die älteren Menschen in Copacabana und die Touristen aus aller Welt benutzen".

Ein 27-jähriger Bewohner der "Stadt Gottes", Jefferson Maia, wurde von Reuters mit den Worten zitiert, dass die sanitären Grundversorgungseinrichtungen des Landes in einem "schrecklichen" Zustand seien. "Manchmal haben wir nicht einmal Wasser, um uns die Hände richtig zu waschen. Wir sind sehr besorgt über das Coronavirus-Problem", so Maia.

Laut Edmilson Migowski, einem Spezialisten für Infektiologie an der Bundesuniversität von Rio, werden die Favelas in den kommenden Tagen voraussichtlich eine große Herausforderung für die öffentliche Gesundheit darstellen.

"Das Eindringen des Coronavirus in dichtere, weniger geplante und kulturell weniger geförderte Gebiete könnte verheerend sein. Wo Wasser, Seife und Waschmittel fehlen, wird es schwierig sein, die Ausbreitung zu stoppen", sagte Migowski.

Bolsonaro spricht von "Erkältungchen"

Während sich die Experten besorgt zeigen, verharmlost der brasilianische Präsident nach wie vor die Lage. Einen Tag, nachdem er das Coronavirus in einer Fernsehansprache erneut verharmlost und restriktive Maßnahmen dagegen kritisiert hatte, sprach sich Jair Bolsonaro erneut gegen Einschränkungen des öffentlichen Lebens und die Isolation der Bevölkerung aus.

Bolsonaro, der von dem neoliberalen Wirtschaftsminister Paulo Guedes beraten wird, begründete seine Haltung damit, dass eine Isolation zu einer Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit führen könnte. Dies wiederum könne soziale Konflikte und eine Erschütterung der Demokratie hervorrufen. "Was ein paar Gouverneure und Bürgermeister in Brasilien machen, ist ein Verbrechen", sagte Bolsonaro am Mittwoch vor einer Videokonferenz mit den Gouverneuren der vier südöstlichen Bundesstaaten São Paulo, Rio de Janeiro, Minas Gerais und Espírito Santo.

Der Gouverneur des Bundesstaates São Paulo, der mehr als 40 Millionen Einwohner hat, hatte am Samstag als erster weitgehende Ausgangsbeschränkungen von Dienstag an für 15 Tage verhängt. Rio de Janeiro hat sich innerhalb einer Woche weitgehend isoliert, Schulen und Geschäfte geschlossen, Verkehr zu Land und zu Luft unterbrochen, die Bewohner dazu aufgefordert, zu Hause zu bleiben.

Bolsonaro sagte in seiner Ansprache am Dienstag unter anderem: "Die Risikogruppe sind Personen über 60 Jahre. Wozu Schulen schließen?" Wenn er, selbst 65, sich als Athlet mit dem Virus infiziere, bekomme er jedoch nur eine "kleine Grippe" oder ein "Erkältungchen". Politiker und Unternehmer – unter ihnen selbst Verbündete – übten Kritik an der Ansprache Bolsonaros, während Tausende Brasilianer in mehr als einem Dutzend Städten wieder mit "panelaços" reagierten, bei denen sie auf Kochgeschirr schlugen, um ihren Protest gegen Bolsonaro auszudrücken.

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