"Maskerade" hat zu lange gedauert – Frankreich sucht Exit-Strategie für Mali
Mit dem Putsch gegen die Regierung von Ibrahim Boubacar Keïta am 19. August waren in der malischen Bevölkerung große Hoffnungen verbunden. Nicht zuletzt galt Keïta in weiten Teilen der Bevölkerung des noch vor wenigen Jahren als "Musterdemokratie" geltenden Landes als Lakai der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich. Nach monatelangen Protesten wurde das Staatsoberhaupt vom Militär zum Rücktritt gezwungen. Neben Korruption war Keïta auch Versagen im Kampf gegen die instabile Lage des Landes vorgeworfen worden.
Für Frankreich, das im Sahel eine "Antiterroroperation" (Barkhane) mit offiziell 5.100 Soldaten unterhält, waren das zunächst alles andere als gute Nachrichten, bedeutete der erzwungene Abgang des an der Pariser Sorbonne ausgebildeten Keïtas doch den Verlust eines Hauptverbündeten im bis dato alles andere als erfolgreichen "Kampf gegen den islamistischen Terrorismus".
Neben dem westafrikanischen Staatenverbund ECOWAS und der Afrikanischen Union (AU) verurteilte auch Deutschland als Frankreichs Verbündeter in diesem Kampf "die verfassungswidrige Machtübernahme durch das Militär".
Doch die Wogen zwischen der ehemaligen Kolonialmacht und der malischen Übergangsregierung glätteten sich rasch, und wie etwa Jeune Afrique berichtete, sehnte sich Paris schließlich nicht mehr nach Keïta. Allerdings sollte die Übergangsregierung auch nach Wunsch des französischen Außenministers Jean-Yves Le Drian "die Kontinuität der internationalen Operationen zur Unterstützung der Sicherheit der malischen Bevölkerung und des Kampfes gegen den Terrorismus ermöglichen".
Bamako beabsichtigte eigene Wege zu gehen und in einen Dialog mit "allen bewaffneten Gruppierungen" zu treten. Doch die ehemalige Kolonialmacht sprach sich vehement gegen den diplomatischen Vorstoß aus. So hatte etwa der französische Präsident Emmanuel Macron Ende November offensichtlich auch im Namen Malis in einem Interview erklärt:
"Mit Terroristen verhandeln wir nicht. Wir kämpfen."
In der malischen Bevölkerung wich derweil die Euphorie der ersten Tage nach dem Staatsstreich erst dem Warten, dann der Unruhe. Zudem verwahrt sie sich gegen die Bevormundung Frankreichs. Immer wieder kam es in den vergangenen Monaten zu Massenprotesten gegen die "französische Besatzung" Malis. Kritisiert wurde u.a., dass die Gewalt im eigenen Land seit dem militärischen Engagement Frankreichs nicht abgenommen, sondern kontinuierlich zugenommen habe.
Am Mittwoch kam es am Platz der Unabhängigkeit in der malischen Hauptstadt Bamako nun erneut zu Protesten.
"Wir fordern den Abzug der französischen Streitkräfte. Nach acht Jahren handelt es sich um einen totalen Fehlschlag", erklärte der Organisator des Protests, Adama Ben Diarra, Reuters.
Diarra, in Mali auch als "Ben, das Gehirn" bekannt, ist Mitglied des Nationalen Übergangsrates (CNT) und stieg in der vergangenen Zeit zu einer der Leitfiguren der malischen Jugend und zu einer Schlüsselfigur des Protestes gegen die Präsenz ausländischer Truppen in Mali auf.
"Mein Kampf ist der für Rechtsstaatlichkeit durch gute Regierungsführung, das allgemeine Erwachen des Bewusstseins und der Kampf gegen den Imperialismus in all seinen Formen. Mein Kampf zielt darauf ab, eine neue Gesellschaft aufzubauen, indem er die Schaffung einer neuen Öffentlichkeit fördert, die sich der gemeinsamen Sache verschreibt."
"Diese Maskerade" habe zu lange gedauert. Es sei "Zeit für Frankreich zu gehen". Wie Diarra erklärte, hätten malische Sicherheitskräfte am Mittwoch Tränengas eingesetzt, um den Protest in der malischen Hauptstadt Bamako gegen Frankreichs Militärpräsenz im Land aufzulösen. Laut Medienberichten war der Protest aufgrund von "Corona-Maßnahmen" nicht genehmigt. Gleichzeitig verurteilten die malischen Behörden die Proteste gegen die französische Militärpräsenz.
Zuletzt erregten die französischen Streitkräfte den Zorn der malischen Bevölkerung am 3. Januar. Nach Angaben mehrerer Bewohner des Dorfes Bounti wurden etwa 20 Personen einer Hochzeitsgesellschaft bei einem französischen Hubschrauberangriff getötet. Die französische Armee wies die Vorwürfe von sich. Vielmehr habe man in unmittelbarer Nähe einen Luftangriff gegen Dschihadisten durchgeführt.
Am 6. Januar berichteten französische Medien, dass die UN-Stabilisierungsmission in Mali (MINUSMA) eine Untersuchung des Vorfalls in Bounti eingeleitet habe.
Am 7. Januar erklärte das französische Militär, dass der Angriff gegen 15 Uhr von zwei Mirage-2000-Kampfjets ausgeführt worden sei. Diese hätten es auf "eine Gruppe von etwa 40 erwachsenen Männern" abgesehen und dabei etwa 30 bewaffnete "islamistische Kämpfer" nördlich des Dorfes Bounti getötet.
In einem Interview mit France Inter am 10. Januar gab die französische Verteidigungsministerin Florence Parly zu Protokoll, sie habe sich persönlich vergewissert, dass es "keine Hochzeit, keine Frauen, keine Kinder gab, dass es Männer und ausschließlich Männer waren".
Dennoch erklärte Jonathan Petneault von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch:
"Schwerwiegende Anschuldigungen, dass Zivilisten bei Luftangriffen getötet wurden, müssen umgehend untersucht werden, um die Rechtmäßigkeit der Angriffe nach dem Kriegsrecht festzustellen."
Demzufolge seien die malischen und französischen Behörden nach internationalem Recht dazu verpflichtet sicherzustellen, "dass eine glaubwürdige Untersuchung gründlich und unparteiisch durchgeführt" werde. Zuvor hatten mehrere Bewohner des Dorfes Bounti der Menschenrechtsorganisation unabhängig voneinander die Anschuldigungen gegen die französischen Streitkräfte bestätigt.
"Je schneller glaubwürdige und unparteiische Untersuchungen eingeleitet und mit den notwendigen Daten versorgt werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie genaue Ergebnisse liefern und Zweifel und Gerüchte zerstreuen", ergänzte Pedneault.
Derweil dankte der malische Interimspräsident Bah N'Daw den ausländischen Streitkräften in Mali bei einer militärischen Zeremonie am Dienstagabend dafür, dass sie "ihr Leben für die Befreiung unseres Landes riskiert haben".
Parallel dazu kündigte der französische Präsident Macron eine "Anpassung" der französischen Streitkräfte in der Sahelzone an. Laut Beobachtern erwägt Frankreich angesichts von mehr als 50 getöteten französischen Soldaten und geringen Fortschritten im erklärten Kampf gegen den Terrorismus, sein Truppenkontingent zu reduzieren und andere EU-Nationen dazu zu bewegen, mehr eigene Truppen in die Region zu entsenden.
Frankreich selbst beabsichtige demnach, zunächst die 600 Soldaten abzuziehen, die es letztes Jahr zusätzlich in den Sahel schickte. Wie die französische Nachrichtenagentur AFP erfahren haben will, beabsichtige Macron die Zahl der französischen Truppen in der Sahelzone vor der nächsten Präsidentschaftswahl im April/Mai 2022 weiter zu reduzieren.
"Bis jetzt haben die Franzosen die Rolle Frankreichs in der Sahelzone nicht wirklich in Frage gestellt. Aber man muss sehr vorsichtig sein. Die öffentliche Meinung kann sich sehr schnell ändern", beruft sich AFP auf eine Regierungsquelle.
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