Wirtschaft

Warum ein genauer Blick auf das neue Handelsabkommen USMCA lohnt

In letzter Minute haben sich die USA, Kanada und Mexiko auf den Nachfolger des Handelsabkommens NAFTA geeinigt. Dass erst ein New Yorker Immobilienmogul Präsident werden muss, um bessere Konditionen für Arbeiter auszuhandeln, ist ein Offenbarungseid.
Warum ein genauer Blick auf das neue Handelsabkommen USMCA lohntQuelle: Reuters © Jonathan Ernst

Den USA und Kanada ist ein Durchbruch bei ihrem Streit um die Neuauflage des gemeinsamen Freihandelsabkommens NAFTA mit Mexiko gelungen. Nach zähen Verhandlungen einigten sich beide Länder auf eine Nachfolgevereinbarung, wie Vertreter der beiden Regierungen in der Nacht zu Montag bekanntgaben. Die Einigung kam quasi in letzter Minute zustande – vor Ablauf der gesetzten Frist für eine Verständigung, die um Mitternacht Ortszeit endete. Damit gibt es auch künftig ein Dreier-Abkommen mit Mexiko.

Die USA und Mexiko hatten schon Ende August eine vorläufige Einigung auf ein neues Handelsabkommen erzielt. US-Präsident Donald Trump kündigte an, im Zweifel auch ohne Kanada voranzugehen und eine bilaterale Vereinbarung in Kraft zu setzen. Dazu kommt es nun nicht. Das neue Abkommen muss aber noch von den Parlamenten der drei Länder ratifiziert werden.

Kaum war das Abkommen in trockenen Tüchern, zeigte sich schnell, was die deutsche Wirtschaftselite von dem Abkommen hält. Unter dem Titel "NAFTA-Nachfolgepakt besorgt deutsche Autobauer" outete sich das Handelsblattals Freund neoliberaler Gedankenspiele:

Auch muss ein Großteil dieser Autos von Arbeitern gefertigt werden, die mindestens 16 US-Dollar pro Stunde verdienen. Das liegt deutlich über dem Durchschnittslohn von Auto-Arbeitern in Mexiko. Die neuen Vorschriften treffen deutsche Autobauer, denn Volkswagen, BMW und Daimler produzieren allesamt in Mexiko für den nordamerikanischen Raum sowie für den Weltmarkt. Sollte USMCA die nationalen Parlamente passieren, müssten deutsche Hersteller womöglich ihre Wertschöpfungsketten anpassen.

Da weiß der mexikanische Arbeiter, was die Stunde geschlagen hat. Doch was genau steht eigentlich in dem neuen Abkommen namens USMCA (United States Mexico Canada Agreement)? Hier ein Überblick über die wichtigsten Punkte:

Zölle und Arbeiterlöhne

Ziel des neuen Abkommens ist es, mehr Pkw- und Lkw-Teile in Nordamerika herstellen zu lassen. Um Zölle zu vermeiden, müssen ab 2020 rund 75 Prozent der Komponenten eines Pkw oder Lkw in Kanada, Mexiko oder den Vereinigten Staaten hergestellt werden, was einen erheblichen Anstieg gegenüber der derzeitigen Anforderung von 62,5 Prozent darstellt.

Es gibt auch eine neue Regel, die darauf abzielt, dass 40 bis 45 Prozent der Bauteile, die für ein Auto gebraucht werden, von Arbeitern gefertigt werden, die mindestens 16 US-Dollar pro Stunde verdienen. Auf diese Weise will Trumps Regierung Jobs in den USA sichern. Unternehmen, die dem nicht nachkommen, müssen einen Zollsatz von 2,5 Prozent zahlen.

An den bereits verhängten Strafzöllen auf Stahl- und Aluminiumimporte aus Kanada und Mexiko will Trump aber trotz der Einigung festhalten. Die Zölle würden so lange bleiben, bis man eine andere Lösung habe, erklärte der Republikaner. Er erwähnte in diesem Zusammenhang Quoten für Stahl- und Aluminiumimporte.

Kanada und Mexiko hatten gefordert, dass die Zölle aufgehoben werden müssten. Der mexikanische Wirtschaftsminister Ildefonso Guajardo machte deutlich, dass das Problem vor der Unterzeichnung des Abkommens gelöst werden müsse. Ein US-Regierungsmitarbeiter, der nicht namentlich zitiert werden wollte, sagte, die Verhandlungen über die Zölle liefen separat.

Mexiko und Kanada konnten sich dagegen für den Fall absichern, dass Trump Strafzölle auf Autoimporte verhängen sollte: Je 2,6 Millionen Autos aus beiden Ländern wären dann von diesen Zöllen ausgenommen.

Kanada öffnet seinen Markt für US-Milchprodukte

Trump tweetet oft darüber, wie unfair er die hohen Zölle Kanadas auf US-Milchprodukte finde. Kanada hat ein komplexes Milchsystem. Um sicherzustellen, dass kanadische Milchbauern nicht in Konkurs gehen, schränkt die kanadische Regierung ein, wie viel Milch im Land produziert werden kann und wie viel ausländische Milchprodukte importiert werden dürfen, um die Milchpreise hochzuhalten. Trump gefiel das nie. Die Milchprodukte waren daher einer der Knackpunkte in den Verhandlungen.

Letztendlich hält Kanada zwar den größten Teil seines komplexen Systems aufrecht, gibt der US-Milchindustrie jedoch größere Marktanteile. US-Verhandlungsführer zeigten sich zufrieden, dass sie Kanada zwingen konnten, die Preisklasse für sogenannte Milchprodukte der Klasse 7 aufzuheben. Das bedeutet, dass US-Produzenten wahrscheinlich mehr Milcheiweißkonzentrat, Magermilchpulver und Säuglingsnahrung nach Kanada schicken können. Nach Angaben der US-Regierung sollen amerikanische Landwirte durch die Vereinbarung einen besseren Zugang zum kanadischen Milchmarkt bekommen.

Schiedsgerichte

Im Gegenzug setzte sich Kanada mit seiner Forderung durch, die Regeln beim Schutz von geistigem Eigentum sowie bei Schiedsgerichten zu erhalten. Außerdem soll die kanadische Kultur- und Fernsehbranche geschützt bleiben. Das sogenannte "Chapter 19" das alten Freihandelsabkommen NAFTA bleibt also praktisch erhalten. Es erlaubt Kanada, Mexiko und den Vereinigten Staaten, die Antidumping- und Ausgleichszölle des anderen vor einem Schiedsgericht von Vertretern der einzelnen Länder anzufechten.

Das System wurde in den letzten zehn Jahren nicht oft genutzt. Die bekanntesten Fälle, und alle derzeit aktiven Fälle die Kanada betreffen, drehen sich um Nadelschnittholz. Aktive Fälle zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten umfassen US-Düngemittel sowie Stahlrohre und Waschmaschinen aus Mexiko. Mitte der 2000er-Jahre, inmitten der letzten Runde von Nadelholzstreitigkeiten, entschieden sich die Chapter-19-Schiedsgerichte wiederholt gegen die Vereinigten Staaten, bevor die kanadische Regierung einen Vertrag abschloss, der den Streit vorübergehend beendete.

Gewerkschaften in Mexiko

Das Abkommen beinhaltet eine Reihe von bedeutenden Verbesserungen der Umwelt- und Arbeitsvorschriften, insbesondere in Bezug auf Mexiko. So schreibt es beispielsweise vor, dass mexikanische Lastkraftwagen, die die Grenze zu den Vereinigten Staaten überqueren, höhere Sicherheitsvorschriften erfüllen müssen und dass mexikanische Arbeitnehmer mehr Möglichkeiten zur Organisation und Gründung von Gewerkschaften haben müssen.

Überprüfung des Abkommens nach sechs Jahren

Das USMCA schreibt vor, dass die drei Nationen das Abkommen nach sechs Jahren überprüfen werden. Wenn alle Parteien sich einig sind, dass es immer noch gut ist, dann wird der Vertrag für den gesamten Zeitraum von 16 Jahren fortgesetzt (mit der Möglichkeit, ihn danach um weitere 16 Jahre zu verlängern). Dies war eine Kompromissbestimmung: Trump wollte die Möglichkeit, das Abkommen häufiger neu zu verhandeln.

Anfechtung von Regierungsentscheidungen

Das sogenannte Kapitel 11, das Investoren eine besondere Möglichkeit bietet, Regierungsentscheidungen zu bekämpfen, ist zum größten Teil aus dem Abkommen verschwunden. Das Kapitel 11 wird für Kanada und vor allem für Mexiko vollständig herausgenommen, mit Ausnahme einiger Schlüsselindustrien wie Energie und Telekommunikation. Die Regelung erlaubte Unternehmen Regierungsentscheidungen anzufechten, wenn sie der Ansicht waren, dass Gesetzesänderungen die Regeln ändern, obwohl das Unternehmen schon Investitionen unter den vorherigen Bestimmungen getätigt hatte.

Nun ist das Kapitel weitgehend verschwunden. Ausnahmen sind zum Beispiel die Ölindustrie, die sich die Möglichkeit offenhalten will, gegen Mexiko vorzugehen, sollte die Regierung versuchen, den Energiesektor wieder zu nationalisieren.

Trump pries die NAFTA-Nachfolge am Montag als das "wichtigste Handelsabkommen, das wir je erzielt haben". Die Einigung schrieb er seiner Zollpolitik zu. "Ohne die Zölle würden wir nicht über einen Deal sprechen", erklärte er.

Der kanadische Premierminister Justin Trudeau sprach von einem "guten Tag" für Kanada. Er sagte aber auch, dass man noch nicht an der Ziellinie sei, weil das Abkommen noch ratifiziert werden müsse. Trump sagte, er hoffe, dass der US-Kongress seine Zustimmung geben werde. Auf die Frage, wie zuversichtlich er dabei sei, sagte er, er sei "überhaupt nicht zuversichtlich". Die Demokraten würden möglicherweise nicht zustimmen, erklärte er.

In wenigen Wochen stehen in den USA die Kongresswahlen an, und die oppositionellen Demokraten hoffen darauf, zumindest in einer der beiden Kammern die Mehrheit zu holen. Die USA, Kanada und Mexiko hatten das NAFTA-Abkommen 1994 abgeschlossen. Es regelt eine der größten Freihandelszonen der Welt. Es betrifft fast 500 Millionen Menschen und deckt ein Gebiet mit einer Wirtschaftsleistung von knapp 23 Billionen Dollar (19,79 Billionen Euro) ab. Das Handelsvolumen der USA mit den beiden Nachbarstaaten hat sich seit 1994 auf 1,3 Billionen Dollar fast vervierfacht.

Trump hatte das Abkommen infrage gestellt und Neuverhandlungen durchgesetzt, weil er eine Benachteiligung der USA beklagte. Aus US-Sicht gibt es mit beiden Ländern ein erhebliches Handelsdefizit. Trump hatte die NAFTA-Vereinbarung als eines der schlechtesten je geschlossenen Handelsabkommen kritisiert. Die Verhandlungen über eine Neuauflage der Vereinbarung hatten bereits vor mehr als einem Jahr begonnen und waren in den vergangenen Monaten wiederholt ins Stocken geraten. Zwischen den USA und Kanada hatte es bei den Gesprächen mächtig gehakt.

Für Zeitdruck hatte zuletzt das Ziel gesorgt, die Unterzeichnung eines neuen Abkommens noch vor dem Regierungswechsel in Mexiko am 1. Dezember zu ermöglichen. Der bisherige Präsident Enrique Peña Nieto werde das Abkommen am 29. November unterzeichnen, sagte ein Berater des künftigen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador, Jesús Seade, am Montag dem Radiosender Radio Fórmula.

Die Regierung unter Peña Nieto habe die Verhandlungen geführt, deshalb müsse von dort nun auch die Unterschrift kommen, so Seade. López Obrador gilt als kritischer gegenüber den USA.

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(rt deutsch/dpa)

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