
Geheimer Krieg: Russlands Ölexporte werden durch Sabotageangriffe gefährdet

Von Alexander Timochin
Manche Geschichten muss man vom Ende her erzählen. Insbesondere sollte zunächst der Vorfall erwähnt werden, der sich am 6. Juli mit dem Tanker Eco Wizard in Ust-Luga ereignet hat. Dieser Tanker transportiert Ammoniak. Zum Zeitpunkt des Vorfalls wurde Ammoniak in seine Tanks gepumpt.

Wie der Gouverneur der Region Leningrad, Alexander Drosdenko, mitteilte, kam es zu einem Austritt von Ammoniak, aber "das regnerische Wetter und der rechtzeitig eingesetzte Wasservorhang verhinderten die Ausbreitung der Substanz in der Atmosphäre und ermöglichten deren Lokalisierung und Sicherung." Er betonte:
"Die Ursachen des Vorfalls werden derzeit untersucht."
Westliche Quellen, besonders die Financial Times, behaupten, dass es auf dem Tanker zu einer Explosion gekommen sei.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig hervorzuheben, dass Ammoniak ein gefährliches Gift ist. Ammoniak schädigt die Atemwege, die Schleimhaut der Augen und die Haut. Es kann zum Tod führen. Eine Explosion eines Ammoniaktanks während der Befüllung mit Ammoniak und einem Austritt dieses Gases ist die Grundlage für einen Terroranschlag mit Hunderten von Verletzten und Dutzenden von Toten.
Dieser beängstigende Vorfall ist nicht der erste, und noch dazu ereignete er sich auf russischem Territorium. Schauen wir uns eine kurze Auflistung der bisherigen Vorfälle an.
Der erste aufsehenerregende Vorfall war die Havarie eines russischen Trockengüterschiffs am 23. Dezember 2024 im Mittelmeer südlich von Cartagena. Als Ursache werden drei Explosionen im Maschinenraum vermutet.
Ende Januar 2025 wurde der Tanker Sea Charm im Mittelmeer durch eine Explosion beschädigt. Der Eigentümer, die Firma Thenamaris, hatte 2024 dreimal russisches Erdöl transportiert.
Am 9. Februar kam es dann zu einem Ölaustritt aus dem Tanker Koala (er segelt unter der Flagge von Antigua und Barbuda), der sich im Hafen von Ust-Luga befand. Er kam aus dem Mittelmeer und hatte dort zuvor in Malta angelegt. Als Ursache wurde ein "technischer Zwischenfall" angegeben.
Am 15. Februar wurde der griechische Tanker Sea Jewel, ebenfalls unter maltesischer Flagge und ebenfalls im Besitz der Firma Thenamaris, im Hafen von Savona-Vado in Norditalien durch eine Explosion beschädigt.
Einige Tage später wurde vor der Küste Libyens der Chemietanker Grace Ferrum (er segelte unter der Flagge Liberias) beschädigt, Betreiber ist die zypriotische Firma Cymare. Das Schiff war am 12. Januar aus dem Hafen Ust-Luga in der Region Leningrad ausgelaufen und hatte anschließend Malta angesteuert.
Am 26. März kam es in der Nähe des Hafens Gamcheon in Südkorea zu einer Explosion und einem Brand auf dem russischen Kühlschiff Crystal Asia. Mehrere Besatzungsmitglieder wurden verletzt, einer kam ums Leben.
Im März erstellte das auf maritime Sicherheit spezialisierte britische Unternehmen Ambrey einen Bericht über Angriffe auf Tanker, die russische Häfen anliefen. Laut Schätzungen des Unternehmens wurden mindestens vier Tanker und ein Trockengutfrachter durch Explosionen beschädigt, die auf Seeminen hindeuten. Die Minen könnten von Tauchern auf den Routen zu und von den Häfen platziert worden sein, da die Schiffe während des Anlegens oder Treibens langsamer werden.
Danach kam es am 30. Juni an Bord des Tankers Vilamoura der Firma TMS Tankers im Mittelmeer vor der Küste Libyens zu einer heftigen Explosion. Das Schiff läuft regelmäßig russische Häfen wie Ust-Luga oder Noworossijsk an.
Die Financial Times schreibt, dass all diese Vorfälle mit den Aktionen der ukrainischen Geheimdienste in Verbindung stehen könnten. Aber es müssen auch nicht unbedingt ukrainische Geheimdienste gewesen sein. Auf jeden Fall handelt es sich laut den Experten der Zeitung um staatliche Akteure und nicht um terroristische Gruppierungen. Genauso wie die Nord-Stream-Pipelines nicht von Hobbytauchern gesprengt werden konnten.
Es muss an dieser Stelle hinzugefügt werden, dass technisch gesehen längst nicht jedes Land in der Lage ist, derlei Dinge zu tun. Es muss ein Land sein, das über spezielle Unterwasser-Sabotagemittel verfügt – von Kampfschwimmern mit ihren speziellen Transportmitteln und Trägern dieser Transportmittel bis hin zu unbemannten Unterwasserfahrzeugen.
Dieses Land ist im Mittelmeer präsent und hat möglicherweise besondere Verbindungen zu Malta. Die Liste solcher Länder ist sehr kurz. Das Erste, was einem in den Sinn kommt, ist Großbritannien.
Im Grunde haben wir es hier mit dem Versuch eines Staates (oder einer Gruppe von Staaten) zu tun, den russischen Außenhandel mit Sabotagemitteln einzuschränken. Aber auch wenn ein Sabotagekrieg noch lange keine nennenswerten wirtschaftlichen Auswirkungen haben wird, kann es jederzeit zu einer lokalen Katastrophe mit zahlreichen Todesopfern kommen – wie der Vorfall an Bord der Eco Wizard in Ust-Luga zeigt. Anhand der Art und Weise, wie die Sabotageakte durchgeführt werden, ist erkennbar, dass dieser Gegner Opfer vermeiden will – aber gleichzeitig keine Angst davor hat, wenn es doch zu Opfern kommt.
Russland äußert sich offiziell nicht dazu, welche Maßnahmen zur Bekämpfung solcher Sabotageakte ergriffen werden. Es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass entsprechende Maßnahmen bereits implementiert sind.
So erklärte der finnische Verteidigungsminister im Mai, dass Tanker, die russische Häfen verlassen, nun von Schiffen der russischen Marine begleitet werden. Außerdem gaben westliche Analysten Ende Juni bekannt, dass zwei Tanker, die zur sogenannten Schattenflotte gehören sollen, zeitgleich mit der Korvette der russischen Marine "Boiki" den Ärmelkanal passiert hätten. Dies lässt sich nur als Konvoi interpretieren. Man kann auch davon ausgehen, dass Schiffe, die bereits jetzt nach Russland oder aus Russland kommen, unter Wasser untersucht werden müssen.
Aus den aktuellen Ereignissen lassen sich mindestens drei Schlussfolgerungen ziehen. Erstens: Die Sanktionen und wirtschaftlichen Maßnahmen gegen den Export russischer Erdölprodukte zeigen keine Wirkung. Russland hat die Sanktionen erfolgreich überwunden und den maritimen Erdölexport neu organisiert. Deshalb greift der Westen jetzt zu Sabotagemethoden.
Zweitens zeigt die Tatsache, dass es sich um Sabotageakte handelt, also um versteckte Angriffe, für die niemand die Verantwortung übernimmt, dass der Westen keine offene Konfrontation will. Wir haben es hier mit geheimen Operationen zu tun. Wer auch immer an solchen Vorfällen beteiligt ist, tut so, als hätte er nichts damit zu tun – denn eine offene Konfrontation hätte einen ganz anderen Preis.
Drittens stellt der nicht offen erklärte Sabotagekrieg gegen unsere Exporte eine ernsthafte Herausforderung dar. Darauf muss entschlossen und wirksam reagiert werden, sonst werden die Angriffe weitergehen und nach einiger Zeit werden die Exporteinnahmen aus den genannten Gründen tatsächlich zurückgehen. Der oder die konkreten Verantwortlichen müssen gefunden und zur Rechenschaft gezogen werden. Möglicherweise – und sogar höchstwahrscheinlich – ebenfalls mit geheimen Methoden. Glücklicherweise gehört auch Russland zu den Staaten, die über entsprechende Möglichkeiten verfügen.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 8. Juli 2025 zuerst auf der Webseite der Zeitung "Wsgljad" erschienen.
Alexander Timochin ist Analyst bei der Zeitung "Wsgljad".
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