Wirtschaft

Das wird teuer für die USA: Putin erörtert Uran-Exportstopp

Auch weiterhin ist der Westen auf Energieträger und strategisch wichtige Rohstoffe aus Russland angewiesen. Falls Moskau sein Uran vom Markt nimmt, werden die USA ihren Industriewiederaufbau aus eigener Tasche bezahlen müssen. Dies scheint Putins Plan zu sein.
Das wird teuer für die USA: Putin erörtert Uran-ExportstoppQuelle: www.globallookpress.com © Rosatom

Von Dmitri Jewstafjew

Die jüngsten Erklärungen des Präsidenten Russlands, Wladimir Wladimirowitsch Putin, man müsse die Möglichkeiten erörtern, die Lieferungen von als strategisch bezeichneten Gütern auf den Weltmarkt zu verringern, wird man wohl noch lange in den politischen und Expertenkreisen sowohl im Westen als auch in Russland gleichermaßen diskutieren. Jeder versteht: Der russische Staatschef leistet sich derartige Äußerungen nur dann, wenn die betreffende Frage im Prinzip geklärt ist und man höchstens noch an den Details feilt.

In diesem Zusammenhang wird das Thema der Lieferungen von schwach angereichertem Uran für Kernkraftwerke in die Vereinigten Staaten besonders interessant. Von dem Material verkaufte Russland im Jahr 2023 eine Menge, die die US-Unternehmen sich immerhin 1,9 Milliarden US-Dollar kosten ließen. Beim Thema des schwach angereicherten Urans tritt die manipulative Herangehensweise der US-Amerikaner an die russischen Exporteure besonders deutlich und unverfälscht zum Vorschein.

Beispiel: Im Mai 2024 führten die USA ein Verbot – oder vielmehr so etwas wie ein Verbot – für den Einkauf russischer Uranrohstoffe ein. Allerdings gingen sofort sehr merkwürdige Ausnahmen damit einher: US-Unternehmen, die Kernkraftwerke betreiben, dürfen im Jahr 2024 zusammen insgesamt 476,5 Tonnen nicht angereichertes russisches Uran kaufen. Für das Jahr 2025 sind 470 Tonnen erlaubt. Dabei kommt es nicht auf die formellen Mengen und scheinbar relativ geringen Zahlungssummen an. Viel wichtiger ist die Ressource an sich, denn schwach angereichertes Uran ist eigentlich kein Rohstoff, sondern ein Hightech-Exportprodukt. Und Russland hat auf diesem Markt eine ernst zu nehmende Stellung.

Daher erscheinen in verschiedenen US-amerikanischen Dokumenten sehr seltsame Formulierungen, die die Ausnahmen aus dem Einfuhrverbot regeln:

"…in Ermangelung anderer Quellen, die einen unterbrechungsfreien Betrieb gewährleisten könnten."

Der Ami schießt sich fast nie selbst ins Bein – außer US-Beamte übersehen irgendetwas. Russische Lieferanten indes müssen alles als gegeben hinnehmen und sich de facto an die berüchtigten "Regeln" halten, auf denen die ebenso berüchtigte westliche Welt-"Ordnung" aufbaut.

Wir wollen an dieser Stelle betonen: Washington hat nicht vor, die Kernenergie im eigenen Land abzuschaffen. Hierzu eine interessante Tatsache. In den Vereinigten Staaten waren am 1. Januar 2024 immerhin 93 Kernreaktoren in Betrieb und Pläne, ihre Zahl zu reduzieren, sind nicht bekannt.

Mehr noch. Sogar ziemlich exotisch anmutende Projekte tauchen dort auf, beispielsweise zur Wiederinbetriebnahme des ersten Meilers des im Jahr 2019 stillgelegten, berüchtigten Kernkraftwerks Three Mile Island, wo sich im Jahr 1979 der größte Unfall in einer Nuklearanlage in den USA ereignet hatte. Das ist ja auch verständlich, denn Kernenergie muss zwingend die Grundlage der angekündigten Reindustrialisierung der USA bieten.

Daher ist klar, dass jegliche Verschiebung auf dem Markt für schwach angereichertes Uran das Land empfindlich treffen kann.

Doch da gibt es zwei weitere Feinheiten. Erstens steht die Wiederherstellung des Potenzials der Uranbergbauindustrie in den Vereinigten Staaten trotz aller Bemühungen vor ernsthaften Problemen – auch solchen, die man im Umweltbereich sieht oder zu sehen meint. Der Bumerang der grünen Agenda, die die USA anderen Ländern mit allen Mitteln zu verpflanzen versuchen, ist nun doch an den Absender zurückgekehrt.

Zweitens gehört die US-amerikanische Urananreicherungsindustrie ohnehin schon definitiv nicht zu den weltweit führenden. Um es deutlich zu machen: Im Oktober 2023 eröffnete die Centrus Energy Corporation in Piketon im US-Bundesstaat Ohio unter großem Getöse ihre Urananreicherungsanlage – die erste neue Anlage seit dem Jahr 1954, die den USA beziehungsweise einem US-Unternehmen gehört, und die einzige, die auf US-Technologie basiert. Nochmals: Seit dem Jahr 1954.

Und diesem einem Erfolg gingen eine Reihe von Misserfolgen voraus, darunter der Konkurs des USEC-Konzerns im Jahr 2013, dessen Nachfolger Centrus wurde, sowie eine Reihe von Skandalen, bei denen unveränderlich eine "russische Spur" und der Name Hillary Clinton beschworen wurden.

Die neue Uranraffinerie von Centrus sollte eine neue Generation von Brennstoffen für Kernkraftwerke produzieren. Gut und schön, aber über die geplanten zukünftigen Produktionsmengen hüllt man sich in Schweigen. Wohl aus Bescheidenheit.

Obiges Beispiel dürfte deutlich machen, dass in den Vereinigten Staaten ein offensichtlicher Mangel an Urananreicherungskapazitäten besteht. Selbst die vom europäischen Konsortium URENCO in den USA errichtete Anlage lindert die prekäre Lage nicht. Deutlich werden die Unterschiede bei der Urantrennarbeit (UTA), jener Einheit, die den für die Trennung von Uranisotopen erforderlichen Aufwand beschreibt. Besagte URENCO-Anlage, der größte Urananreicherungsbetrieb in den Vereinigten Staaten, verfügt über eine spezifizierte Jahreskapazität von 4.700 Tonnen UTA. Russlands Nuklearindustrie verfügt über eine Kapazität jenseits von 28.000 Tonnen UTA pro Jahr.

Man sollte sich nicht täuschen, dass die Vereinigten Staaten vor einem Energiekollaps stehen würden, falls Russland die Lieferungen von schwach angereichertem Uran einschränken würde. Der Sinn des Vorgehens Russlands liegt vielmehr darin, Washington zu zwingen, die Reindustrialisierung der Vereinigten Staaten aus eigener Tasche zu bezahlen. Denn diese Reindustrialisierung ist unmöglich ohne eine tiefgreifende Überholung der Kernenergieindustrie. Immerhin dominieren in den USA Reaktoren, die den Weltstandards weit unterlegen sind, und Russlands besagtes Vorhaben scheint somit durchaus umsetzbar. Die Entwicklung seiner Wirtschaft vollständig aus eigener Tasche bezahlen zu müssen, ist aber das Schlimmste, was dem heutigen US-Kapitalismus passieren kann.

Übersetzt aus dem Russischen. 

Dmitri Jewstafjew ist ein russischer Politologe (Amerikanist). Er ist Doktor der Politikwissenschaften und lehrt am Institut für Medien der Wirtschaftshochschule Moskau. Jewstafjews Spezialisierung sind militärpolitische Fragen der nationalen Sicherheit Russlands, der Außen- und der Militärpolitik der USA und der regionalen Probleme der Kernwaffen-Nichtverbreitung. Er ist Co-Autor wissenschaftlicher Monographien und zahlreicher Artikel.

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