"Auf dem Weg zum Entwicklungsland": Börsenchef Weimer rechnet mit Habeck ab
Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Börse AG geht mit der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung hart ins Gericht. Auf einer Veranstaltung des Wirtschaftsbeirats Bayern unter dem Titel "Deutschland verbrennt seine alten Industrien" hat Theodor Weimer in einem Vortrag vor allem Wirtschaftsminister Robert Habeck massiv kritisiert, mit dem sich der Börsenchef oft, nach eigener Aussage insgesamt 18 Mal, getroffen hat.
Am Anfang sei er noch "voller Begeisterung" gewesen, da Habeck "super zugehört" und "auch ein paar Dinge richtig gemacht" habe. Doch inzwischen lässt Weimer an den Treffen mit dem Vizekanzler kein gutes Wort mehr. Im Gegenteil, diese seien eine "schiere Katastrophe".
Die Veranstaltung im Bayrischen Hof in München fand bereits am 17. April statt, wurde aber erst später vom Wirtschaftsbeirat auf YouTube veröffentlicht und erhält erst jetzt größere mediale Aufmerksamkeit ‒ nicht zuletzt aufgrund der Wutrede des Börsenchefs.
Die ausländischen Investoren, mit denen er spreche, "die schütteln nur noch den Kopf" und seien nicht mehr in der Lage, einzuschätzen, was in Deutschland geschehe. "So schlecht wie jetzt war unser Ansehen in der Welt noch nie", so die desaströse Bilanz des Managers. Weimer fährt fort:
"Die Gespräche mit den Investoren haben fatalistischen Charakter. Die Investoren sagen, wenn ihr so weitermacht, werden wir euch noch weiter meiden, werden noch weiter rausgehen aus Deutschland."
Kapitalabfluss auf Rekordniveau
Was das in Zahlen bedeutet, geht aus einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) vom April hervor: 2023 haben ausländische Unternehmen nur 22 Milliarden Euro in Deutschland investiert – so wenig wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr. Somit ergab sich für das vergangene Jahr ein Netto-Abfluss an Investitionen von über 94 Milliarden Euro – dieser ergibt sich aus der Differenz zwischen Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland und ausländischer Unternehmen in Deutschland.
2022 fiel der Netto-Abfluss mit 125 Milliarden Euro sogar noch höher aus – ein historischer Höchstwert. Experten des IW sehen in dem Rückgang der Investitionen "erste Symptome einer Deindustrialisierung" ‒ die allerdings schon einsetzte, bevor die Ampelregierung ihre Arbeit aufnahm. Denn bereits 2021 kam es zu einem Netto-Abfluss bei den Investitionen in Höhe von 100 Milliarden Euro.
Dessen ungeachtet griff Friedrich Merz den Vizekanzler am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung von Maybrit Illner angesichts des massiven Kapitalabflusses scharf an: "Das ist noch nie in der Größenordnung dagewesen. Wir haben eine massive Investitionsschwäche und Sie sitzen da und diskutieren mit uns über ein schwachsinniges Heizungsgesetz", so der CDU-Chef.
Habeck konterte mit dem Eingeständnis, dass die wirtschaftliche Lage tatsächlich schlecht sei, doch für die meisten Probleme könne die Ampel nichts. Bürokratie, marode Infrastruktur und den Fachkräftemangel habe man von den Vorgängerregierungen geerbt. "Diese Regierung hat begonnen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen", behauptete Habeck.
Weimer: Ampel-Migrationspolitik zielt nicht auf Fachkräfte ab
Auch wenn der Vizekanzler nicht Unrecht damit hat, dass der wirtschaftliche Niedergang Deutschlands schon vor der Ampel einsetzte, lässt Börsenchef Weimer den Grünen-Politiker nicht so einfach davonkommen, was den Fachkräftemangel betrifft.
Denn die Migrationspolitik der Ampel bestehe eben nicht darin, nötige Fachkräfte ins Land zu holen, "die arbeiten, die deine Sprache sprechen und die Sozialprodukt generieren". Stattdessen orientiere sich die Ampel bei der Migration "am "Gutmenschentum", was dazu führe, dass diejenigen, die ins Land kommen, "zu 50 Prozent Bürgergeld abkassieren und das irgendwo hinschicken" würden.
"Die Wahrheit ist die", führt Weimer weiter aus, "die internationalen Investoren investieren nur noch in Deutschland opportunistisch, weil sie sagen, ihr seid so günstig. Wir sind zum Ramschladen geworden".
Viele Investoren würden ihm sagen: "Was ihr macht, ist einfach bekloppt." Der Chef der Deutschen Börse spart nicht mit drastischen Aussagen: "Wir sind ökonomisch gesprochen auf dem Weg zum Entwicklungsland." Ein Grund dafür sei, dass die deutsche Autoindustrie "kaputtgemacht" worden sei. Hohe Energiekosten und CO2-Vorgaben hätten sie "in die Ecke gezwungen", aus der sie "nicht mehr heraus" käme. "Was wir machen, ist Wahnsinn", so das vernichtende Fazit des Börsenchefs.
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