Wirtschaft

Ukraine-Krieg könnte zu dauerhaften Preisanstiegen bei Energie und Nahrungsmitteln führen

Abgesehen von den unberechenbaren politischen Konsequenzen ergeben sich aus dem Ukraine-Krieg auch drastische ökonomische Auswirkungen. Die Preise für wichtige Waren könnten ein dauerhaft hohes Niveau erreichen. Die Zentralbanken sind ratlos.
Ukraine-Krieg könnte zu dauerhaften Preisanstiegen bei Energie und Nahrungsmitteln führenQuelle: www.globallookpress.com © Paul Zinken/dpa

Der Ukraine-Krieg hat die Finanzmärkte am Donnerstag schwer erschüttert, wie die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. Wegen der Sorgen hinsichtlich einer möglichen Versorgungsnotlage stiegen die Preise von Rohöl und Erdgas auf Rekordniveau. Es wird erwartet, dass die hohen Preise anhalten, oder sich sogar noch weiter erhöhen. Damit steigt auch die Sorge, dass der Konflikt die Inflation weiter anheizt. Wirtschaftsexperten zufolge könnten sich die Zentralbanken damit schwertun, die Inflation in Zaum zu halten.

Der FTSE 100, der führende Börsenindex für die in Großbritannien notierten umsatzstärksten Unternehmen, beendete den Tag mit einem Minus von 3,9 Prozent bei 7.207 Punkten. Der Pariser CAC 40 sank um 3,8 Prozent oder 259,6 Punkte auf 6.521. Und der deutsche Leitindex DAX fiel um 4 Prozent oder 579,3 Punkte auf 14.052,1. Die stärksten Verlierer des Tages an der Londoner Börse waren indes die gelisteten russischen Firmen. Susannah Streeter, eine Analystin der britischen Finanzdienstleistungsfirma Hargreaves Lansdown, erklärte:

"Angesichts der zu erwartenden harten Sanktionen werden ihre Geschäfte wahrscheinlich einen schweren Schlag erleiden, und in Anbetracht der ernsten Lage ist kaum eine Atempause in Sicht."

Vor dem Hintergrund der Spannungen würden Investoren Anlagemöglichkeiten mit höheren Risiken vermeiden. Daher verschlechterten sich die Aktienwerte.

Chris Beauchamp, Chefanalyst der Onlinefinanzmarkt-Plattform IG, erklärte, dass diese Spannungen zu Resultaten führen könnten, die schwer zu greifen seien. In solchen Situationen würden Investoren erst verkaufen und dann Fragen stellen.

Die Experten blicken auf die nahe Zukunft pessimistisch. Capital Economics, eine Wirtschaftsforschungsagentur, schrieb in einem Bericht:

"Solange sich die Lage in der Ukraine nicht bessert, wird sich das derzeitige globale De-Risking wahrscheinlich fortsetzen."

Auch sei wichtig, wie die führenden Zentralbanken reagieren würden. Angesichts der restriktiven Finanzpolitik seien die Aktien ohnehin schon unter Druck gewesen:

"Wenn der Konflikt die politischen Entscheidungsträger dazu veranlasst, die Straffung der Geldpolitik aufzuschieben oder zumindest zu verlangsamen, könnte dies den Schlag für risikoreiche Anlagen abfedern."

Mark Haefele von USB Global Wealth Management erklärte:

"Wir gehen davon aus, dass die Volatilität in nächster Zeit anhalten wird, da die Staats- und Regierungschefs ihre Reaktion auf diese Eskalation abwägen und ankündigen."

Die Befürchtung, dass der Konflikt zu einer Beeinträchtigung der Erdölversorgung führen könnte, führte am Donnerstag zu einer drastischen Preissteigerung. Der Ölpreis stieg auf 100 US-Dollar pro Barrel, ein Niveau, das er zuletzt im Jahr 2014 erreicht hatte. Im Jahr 2021 war Russland eines der wichtigsten Erdgas- und Erdölversorger der Europäischen Union und die Ukraine eines der wichtigsten Transitländer. Das zeigen Statistiken von Eurostat, der offiziellen Statistikbehörde der EU. Capital Economics schrieb in seinem Bericht:

"Die zentrale Rolle Russlands für die weltweite Energieversorgung darf nicht unterschätzt werden, und die Rohstoffmärkte haben bereits begonnen, das Risiko einer Unterbrechung der russischen Energieexporte in den Westen einzupreisen."

Die Agentur warnte, dass bei einer weiteren Eskalation des Konflikts der Preis 120 bis 140 US-Dollar erreichen könnte.

Auch die Erdgaspreise stiegen zuletzt enorm an. Der Handelspreis für Erdgas in den Niederlanden erhöhte sich an einem Tag um 30 Prozent. Zuvor hatte Bundeskanzler Olaf Scholz die Suspendierung des Zertifizierungsprozesses für die Erdgaspipeline Nord Stream 2 beschlossen. Fiona Cincotta, eine Marktanalystin der Finanzdienstleistungsfirma City Index, erklärte:

"Die Pipeline, die direkt nach Deutschland führt, sollte zur Entschärfung der Energiekrise in Europa beitragen. Der Schritt wurde als eine der stärksten Maßnahmen angesehen, die Europa gegen Russland ergreifen könnte."

Capital Economics zufolge werde der Gaspreis in Europa für eine Megawattstunde Erdgas möglicherweise 180 Euro erreichen, wenn die Krise weiter eskaliere. Russ Mould, Investmentdirektor der Onlineinvestment-Plattform AJ Bell, warnte, dass der Anstieg des Ölpreises eine "furchtbare" Nachricht für Unternehmen und Konsumenten sei. Die Ukraine-Krise werde die Inflation weiter anheizen. Die westlichen Mächte seien dazu gezwungen, sich selbst zu schaden, wenn sie Sanktionen gegen Russland beschließen, so Stephen Jakobsen, Chefinvestor der dänischen Saxo Bank. Er erklärte:

"Russland exportiert monatlich Millionen Tonnen Öl in den Westen und große Mengen an Erdgas. Die Verlangsamung der Erdgasströme während des Winters hat bereits beträchtlichen Schaden angerichtet, könnte aber noch schlimmer werden, wenn die Ströme weiter verlangsamt werden."

In Großbritannien etwa werde sich der Preisindex für Konsumenten um 1,5 Prozentpunkte erhöhen, sollten die Energiepreiserhöhungen dieser Woche anhalten. Das sagte Samuel Tombs, Chefökonomist der britischen Forschungsagentur Pantheon Macroeconomics. Auch die Preise für Nahrungsmittel könnten ansteigen, warnte Russ Mould:

"Sowohl die Ukraine als auch Russland sind große Lebensmittellieferanten, und jede Unterbrechung der Lieferungen wird die Käufer zwingen, alternative Quellen zu suchen, was die Preise in die Höhe treiben könnte."

Christopher Dembik, Chefanalyst der Saxo Bank, vertritt die Ansicht, dass die Inflationswelle alle Zentralbanken, auch die Europäische Zentralbank, dazu zwingen werde, ihre Fiskalpolitik schneller und aggressiver zu normalisieren, als bisher erwartet. Die Ursachen für die Inflation seien zudem komplex. Der Analyst verwies darauf, dass die britische Zentralbank in diesem Winter die Zinsen zwar bereits zweimal erhöht habe. Das habe aber nicht ausgereicht, um die Inflation einzudämmen. Die Zentralbanken hätten keine guten Optionen, um diese Herausforderung zu bewältigen.

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