Russland

Putin beim Wirtschaftsforum: Änderung der russischen Nukleardoktrin nicht ausgeschlossen

Auf der Plenarsitzung des SPIEF-2024 fasste Wladimir Putin die wirtschaftlichen Ergebnisse zusammen, sprach über Friedensverhandlungen mit Kiew und erwähnte, dass Russland Deutschland in Bezug auf das Wirtschaftsvolumen überholt hat. Die wichtigsten Aussagen im Überblick.
Putin beim Wirtschaftsforum: Änderung der russischen Nukleardoktrin nicht ausgeschlossenQuelle: Sputnik © Sergei Bobyljow

Der russische Präsident hat am Freitag auf der Plenarsitzung des Sankt Petersburger Internationalen Wirtschaftsforums (SPIEF) gesprochen und erläuterte wirtschafts- und haushaltspolitische Prioritäten für die nahe Zukunft. Die Sitzung dauerte über vier Stunden.

Es gebe derzeit einen regelrechten Wettlauf zwischen Ländern, die ihre Souveränität stärken wollen, betonte Putin.

"Wir beobachten, wie sich zwischen den Ländern ein regelrechter Wettlauf um die Stärkung ihrer Souveränität entwickelt hat. Und zwar auf drei Hauptebenen: der staatlichen, der wertekulturellen und der wirtschaftlichen. Gleichzeitig versuchen die Länder, die in letzter Zeit an der Spitze der globalen Entwicklung standen, mit allen Mitteln, ob zu Recht oder zu Unrecht, ihre schwer fassbare hegemoniale Rolle aufrechtzuerhalten."

Russland sei bereit, anderen Ländern umfassende Technologiepartnerschaften anzubieten. Trotz aller Hindernisse und unrechtmäßiger Sanktionen bleibe das Land einer der Hauptakteure im Welthandel, so Putin. "Zum Beispiel werden unsere Beziehungen zu den asiatischen Ländern immer enger. Es gibt ein Wachstum von 60 Prozent von 2020 bis 2023, im Nahen Osten gibt es ein doppelt so hohes Wachstum, in Afrika ein Wachstum von 69 Prozent, in Lateinamerika um 42 Prozent."

"Wie Sie wissen, lag das BIP-Wachstum Russlands im vergangenen Jahr bei 3,6 Prozent und im ersten Quartal dieses Jahres bei 5,4 Prozent. Mit anderen Worten, unsere Werte liegen über dem Weltdurchschnitt", sagte Putin. Ziel sei es, eine der vier größten Volkswirtschaften der Welt zu werden und langfristig konstant hohe Wachstumsraten zu sichern.

"Das ist unsere Aufgabe heute. Und es sind nicht nur die Volkswirtschaften Deutschlands oder Japans, die neben uns auf der Skala stehen, sondern auch andere Länder, die nicht stehen bleiben. Indonesien ist allen auf den Fersen. Die Bevölkerung wächst, die Wirtschaft entwickelt sich. Das dürfen wir nicht vergessen."

Drei Viertel des russischen Handelsumsatzes entfielen auf die sogenannten befreundeten Staaten. Der Anteil des Rubels an den Import- und Exportgeschäften habe sich fast verdoppelt. Russland werde den Zahlungsverkehr mit anderen Ländern zunehmend in Landeswährung abwickeln.

Der Anteil der Importe nach Russland solle durch die Entwicklung der eigenen Industrie bis 2030 auf 17 Prozent sinken, teilte Putin mit. Der Anteil lag seinen Angaben zufolge im Jahr 2019 bei 26 Prozent und im Jahr 2023 bei 19 Prozent.

Die Renten der arbeitenden Rentner sollen ab 2025 wieder indexiert werden. Putin ordnete an, den entsprechenden Gesetzentwurf in der Staatsduma zu behandeln. Die Indexierung der Renten der erwerbstätigen Rentner wurde in Russland nach 2016 abgeschafft. In der Folgezeit wurde das Thema immer wieder aufgegriffen, jedoch ohne Erfolg. Nach Angaben des Sozialfonds beläuft sich die Zahl der Rentner in Russland zum 1. März 2024 auf 41 Millionen Menschen, davon 18 Prozent erwerbstätige und 81 Prozent nicht erwerbstätige. Die durchschnittliche Rente beträgt rund 20.000 Rubel (circa 200 Euro).

Die Arbeitslosigkeit in Russland sei auf einem Rekordtief, im April lag sie bei 2,6 Prozent. Vor diesem Hintergrund sei die wichtigste Frage nicht mehr "Wo finde ich Arbeit?", sondern "Wo finde ich Personal?", erklärte Putin. Auch die Jugendarbeitslosigkeit sei deutlich zurückgegangen. Es sei notwendig, die Bildungsprogramme zu aktualisieren und Fachkräfte für die Luftfahrt, den Schiffbau, den militärischen Bereich und die Pharmazie auszubilden.

Die BRICS-Länder hätten ein großes Potenzial für die Aufnahme neuer Teilnehmer, man werde dies unterstützen. Die Vereinigung arbeite an einer eigenen, vom Westen unabhängigen Zahlungsinfrastruktur, kündigte der russische Präsident an. Das Vertrauen in die Zahlungsinfrastruktur des Westens sei untergraben worden, und zwar vom Westen selbst. "In diesem Zusammenhang stelle ich fest, dass sich im vergangenen Jahr der Anteil der Zahlungen für russische Exporte in sogenannten toxischen Währungen unfreundlicher Staaten halbiert hat", sagte Putin.

Die USA nutzten ihre Position auf dem globalen Finanzmarkt aus, schuldeten der Weltwirtschaft aber rund 54,3 Billionen US-Dollar, so Putin. Die US-Wirtschaft schrumpfe und erreiche nicht immer ihre Inflationsziele, was das Vertrauen in sie untergrabe. Dies sei definitiv ein Problem für alle Dollarbesitzer. Die amerikanischen Behörden verhielten sich wie die Ludditen in England, scherzte Putin. Sie zerschlugen die Werkzeuge, an denen sie arbeiteten. Die heutigen US-Behörden zerschlagen auf dieselbe Weise ihre Werkzeuge, darunter den US-Dollar.

Auf die Frage nach Verhandlungen mit der Ukraine antwortete Putin, dass alle bewaffneten Konflikte durch Friedensverhandlungen beendet worden seien. Diese basierten entweder auf Sieg oder Niederlage. "Wir streben den Sieg an, wir werden ihn erreichen", betonte Putin. Moskau sei zu Gesprächen bereit, aber zu seinen Bedingungen. Man müsse von der gegenwärtigen Situation ausgehen.

Die Sitzung wurde vom politischen Berater Sergei Karaganow moderiert. Er hatte im Jahr 2023 in seinem Aufsatz in einer politischen Fachzeitschrift vorgeschlagen, in der Auseinandersetzung mit dem Westen einen "präventiven Vergeltungsschlag" mit Atomwaffen in Erwägung zu ziehen. Auch am Freitag drängte er Putin in seinen Fragen immer wieder dazu. Putin betonte, dass alle Regeln für den Einsatz von Atomwaffen in der russischen Nukleardoktrin verankert seien. Er betonte, dass Atomwaffen nur in Ausnahmefällen eingesetzt würden. Russland sei derzeit in der Lage, Atomtests durchzuführen, sehe aber momentan keine Notwendigkeit dafür. Gleichzeitig schloss der Staatschef eine Änderung der Nukleardoktrin nicht aus.

"Diese Doktrin ist ein lebendiges Werkzeug, und wir beobachten genau, was in der Welt um uns herum geschieht. Wir schließen nicht aus, einige Änderungen vorzunehmen."

Russland behalte sich außerdem das Recht vor, seinen Verbündeten Waffen zu schicken, wie es die Bündnispartner Kiews täten.

Eine Beschleunigung aller militärischen Aktivitäten in der Ukraine würde zu größeren Verlusten führen, betonte Putin. Das Leben der russischen Soldaten sei wichtiger. Zudem zeige der russische Verteidigungskomplex eine effiziente Arbeit und übertreffe die Fähigkeiten des Gegners. Es sei auch keine neue Mobilisierungswelle geplant. Im vergangenen Jahr hätten sich mehr als 300.000 Männer freiwillig an die Front gemeldet, in diesem Jahr 160.000.

Auf die Frage, warum die russischen Behörden keine Staatsideologie einführen wollen, antwortete Putin, Ideologie habe die Sowjetunion nicht vor dem Zusammenbruch bewahrt. In der Verfassung sei festgelegt, dass es keine vorherrschende Ideologie geben dürfe. 

Der russische Präsident nimmt jedes Jahr am SPIEF teil, hält eine Rede vor den Teilnehmern des Forums und stellt sich anschließend den Fragen der Gäste. In diesem Jahr findet das Forum vom 5. bis 8. Juni statt. Neben dem russischen Präsidenten nahmen auch die Staatsoberhäupter Boliviens und Simbabwes an der Plenarsitzung des Forums teil.

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