Der Rubel erreicht einen Höhepunkt seiner Aufwertung
Von Olga Samofalowa
Der Rubel wird gegenüber dem US-Dollar, dem Euro und dem Yuan immer stärker. Das wird nicht nur durch einen, sondern durch mehrere Faktoren gleichzeitig begünstigt. Experten befürchten jedoch, dass der Höhenflug des Rubels in dieser Woche zu Ende geht. Wirtschaftsexperten rechnen nun zum Sommerbeginn mit einer allmählichen Abschwächung des Rubels.
Euro, US-Dollar und chinesischer Yuan geben weiter nach. Der Euro und der US-Dollar werden zum ersten Mal seit dem 30. Januar unterhalb von 96 bzw. 89 Rubel gehandelt, der Yuan nähert sich dem Wert von 12 russischen Rubeln. Die Stärkung des Rubels begann bereits in der vergangenen Woche und setzte sich am Montag fort.
Generell geht es dem Rubel in diesem Jahr gut. "Seit Anfang 2024 sieht der Rubel recht stabil aus. Eine Volatilität von 10 Prozent wird von den Investoren im Kontext von Hochzinswährungen in der Regel als gering bewertet", kommentiert das Wladimir Jewstifejew, der Leiter der analytischen Abteilung bei der Bank "Zenit".
Auch für den Staatshaushalt ist dieser Kurs recht komfortabel. "Der Ölpreis in Rubel übersteigt seit Anfang des Jahres die Grenze von 6.500 Rubel pro Barrel, während der Haushaltsplan nur einen durchschnittlichen Preis von 6.400 Rubel pro Barrel vorsieht. Das derzeitige Niveau der Wechselkurse liegt am Rande der prognostizierten Parameter des Haushaltsplans. Für den Staatshaushalt ist jedoch nicht so sehr die kurzfristige Dynamik von Rubel und Öl bedeutsam, sondern wichtig sind deren mittelfristige Parameter. Daher können wir sagen, dass die aktuelle Dynamik des Rubels für den Haushalt angenehm ist", meint der Experte.
Sowohl externe als auch interne Faktoren beeinflussen die Stärke des Rubels. "Zu den externen Faktoren, die nicht die Stärkung des Rubels, sondern vielmehr die Schwächung des US-Dollars beeinflussen, gehört die Straffung der Geldpolitik durch die Federal Reserve Bank der USA. Darüber hinaus sind Daten über die steigende Inflation in den USA sowie Anzeichen einer Überhitzung des US-Arbeitsmarktes öffentlich geworden", stellt Alexander Schneiderman als Leiter des Vertriebs und der Kundenbetreuung bei "Alfa-Forex" fest.
Als interne Faktoren nennen die Experten die Steuerzahlungen in der letzten Maiwoche als Grund für eine Stützung des Rubels.
"Die Exporteure verkaufen zusätzliche Mengen der Währung auf dem Markt, um sich auf die Steuerzahlungen vorzubereiten, die am Dienstag, dem 28. Mai, ihren Höhepunkt erreichen werden", sagt Alexander Bachtin, ein Investmentstratege bei "BKS Investment World".
"Außer den Steuerzahlungen beeinflussen zwei sehr wichtige Faktoren die Stärkung des Rubels: die Beibehaltung des obligatorischen Verkaufs von Währungserlösen durch Exporteure und die Reduzierung der Währungsankäufe für den Haushalt durch das Finanzministerium im Mai auf etwa die Hälfte im Vergleich zum April. Unserer Meinung nach sind dies derzeit die wichtigsten Gründe", sagt Natalia Miltschakowa. Die führende Analystin bei Freedom Finance Global kommentiert:
"Der Rubel wurde auch durch das Wachstum der Haushaltseinnahmen gestützt. Auf der Grundlage der Ergebnisse von Januar bis April 2024 stiegen die Einnahmen aus dem Öl- und Gashaushalt im Jahresvergleich um 82 Prozent, während das staatliche Haushaltsdefizit auf 0,8 Prozent des BIP sank."
Darüber hinaus könnten Zahlungsverzögerungen bei Importen dem Rubel zugutekommen, da die Sekundärsanktionen vorübergehend zu Schwierigkeiten im Außenhandel führten. Schwierigkeiten in der Zahlungsverkehrs-Infrastruktur und Überbestände in den Lagern der Importeure führen zu einem Rückgang der Importe, was vor dem Hintergrund der hohen Ölpreise den Nettozufluss von Währungen in das Land erhöht, fügt Jewstifejew hinzu.
Was erwartet den Rubel in den nächsten Wochen? Zwei Faktoren könnten dem Rubelkurs Auftrieb verleihen.
Nächste Woche finden zwei wichtige Ereignisse statt, die sich auf die Wechselkurse auswirken können. Zum einen findet die Sitzung des Ausschusses der OPEC+ statt, bei der sich die erdölexportierenden Länder auf eine weitere Senkung der täglichen Erdölproduktion oder auf die Beibehaltung der derzeitigen Produktionsvolumina einigen müssen. Der Irak lehnt die Senkung jedoch ab. "Im Falle einer Senkung der Ölproduktion werden die Währungen der Exportländer als Inhaber des Angebots steigen, während die Währungen der europäischen und asiatischen Länder als Hauptabnehmer für die Nachfrage wahrscheinlich schwächer werden", sagt Alexander Schneiderman.
Das zweite wichtige Ereignis ist die Leitzins-Sitzung der russischen Zentralbank am 7. Juni. "Es gibt Voraussetzungen für eine Zinssatzerhöhung, die auch den Rubel stärken wird, indem sie die inländische Inflation bremst", erläutert Schneiderman weiter.
Die Experten sind sich jedoch einig, dass das Zeitfenster für eine Rubelaufwertung nur von kurzer Dauer sein wird. Allerdings gehen die Schätzungen darüber auseinander, wie lang- oder kurzfristig diese Phase sein wird – nur eine Woche oder länger.
"Die Stärkung des Rubels kann diese Woche anhalten, und der US-Dollar könnte bis auf 88 Rubel absinken. In der nächsten Woche ist mit einer Aufwärtskorrektur des US-Dollars auf 89 bis 89,5 Rubel zu rechnen. Im Juni ist damit zu rechnen, dass der US-Dollar nach der Bekanntgabe der Leitzinsentscheidung der russischen Zentralbank am 7. Juni wieder sinken wird. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass der Kurs des US-Dollars in diesem Jahr unter 87 Rubel fällt. Der geopolitische Hintergrund ist nach wie vor kompliziert. Die USA und die EU setzen ihre Sanktionspolitik fort, die den Rubel im Moment schwächt. Die Inflation nimmt weiter zu, die US-Notenbank wird zumindest bis zum vierten Quartal dieses Jahres eine strenge Geldpolitik und damit einen starken US-Dollar sichern, und auch die mögliche Ankunft "schwarzer Schwäne", also das unerwartete Auftauchen ungünstiger externer Faktoren für die russische Wirtschaft, über die derzeit noch nichts bekannt ist, kann nicht ausgeschlossen werden. Daher erwarten wir definitiv keine Wiederholung der Situation vom Sommer 2022, als der US-Dollar sogar unter 60 Rubel fiel", meint Miltschakowa.
Alexander Potawin, ein Analyst bei der Finanzgruppe "Finam", ist der Meinung, dass der Rubel nach einem leichten Anstieg auf 87,5 Rubel Anfang nächsten Monats wieder schwächer werden wird:
"Bei der Bewertung der Balance von Faktoren können wir davon ausgehen, dass der Rubel den Höhepunkt seiner Aufwertung erreicht hat und der [US-]Dollar bereits in dieser Woche auf 90 [Rubel] steigen könnte."
Schließlich ist die Nachfrage nach Währungen auf dem Inlandsmarkt nach wie vor hoch. Hinzu kommen die Währungskäufe von Menschen, die in den Sommerferien ins Ausland reisen wollen. Der Druck auf den Rubel wird auch durch erhöhte Haushaltsausgaben erzeugt", vermutet Alexander Bachtin. Er hält eine allmähliche Abschwächung des Rubels in Richtung 93 bis 94 Rubel pro US-Dollar bis Ende des Jahres für wahrscheinlicher. Allerdings wird viel von den Ölpreisen, den Sanktionen, dem Zeitpunkt des Beginns der Leitzinssenkung durch die russische Zentralbank sowie der Dynamik des Dollars auf dem Weltmarkt abhängen.
"Ohne detaillierte Statistiken über den russischen Außenhandel ist es schwierig, über konkrete Werte der Wechselkurse zu sprechen. Gleichzeitig ist es offensichtlich, dass sich die Importdynamik mit dem Abbau der Lagerbestände erholen wird, was zu einem Anstieg der Währungsnachfrage und damit zu einer Schwächung des Rubels führen wird. Das zweite und dritte Quartal eines Jahres sind aus Sicht der Zahlungsbilanz traditionell saisonal schwach. In diesen Zeiträumen geht die Nachfrage nach wichtigen russischen Exportgütern zurück, während die Nachfrage der privaten Haushalte nach Währungen steigt. Wir erwarten eine allmähliche Abschwächung des Rubels zu Beginn des Herbstes, die durch eine nachlassende Auswirkung der Haushaltsregeln auf den Rubel und wahrscheinlich auch durch niedrigere Ölpreise bedingt sein wird. Unsere Basisprognose geht von einer Abschwächung des Rubels bis zum Jahresende auf 96 Rubel pro US-Dollar aus", sagt Wladimir Jewstifejew.
Potawin rechnet mit einem Kurs von 95 bis 98 Rubel pro US-Dollar bis zum Ende des Jahres. "Ein starker Rubel ist für die Exporte nicht sehr positiv, da die Rubel-Einnahmen ja dabei sinken. Für die Importe ist die Rubelaufwertung relativ positiv, vor allem im Hinblick auf ausländische Ausrüstungen – aber nur, wenn der Rubel über einen längeren Zeitraum, zumindest für einige Monate, aufgewertet bleibt", resümiert der Experte.
Übersetzt aus dem Russischen. und zuerst publiziert in der Zeitung Wsgljad am 28. Mai 2024.
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