Russland

Putins traditionelle Frage- und Pressestunde: Ein Überblick

Wladimir Putin hat sich am Donnerstag den Fragen von Journalisten und Bürgern gestellt. Hauptthemen waren der Konflikt in der Ukraine, der Nahe Osten, die Wirtschaftslage sowie soziale Angelegenheiten. Hier die wichtigsten Antworten auf einen Blick.
Putins traditionelle Frage- und Pressestunde: Ein ÜberblickQuelle: Sputnik © Alexander Kasakow

Wladimir Putin hat bei seiner großen Pressekonferenz, die dieses Jahr mit dem "Direkten Draht" kombiniert wurde, Fragen von Bürgern und Journalisten beantwortet. Im vergangenen Jahr fanden diese Veranstaltungen nicht statt. Die diesjährige Live-Übertragung dauerte mehr als vier Stunden.

Ab Anfang Dezember konnten Bürger ihre Fragen einreichen. Nach Angaben der Agentur TASS waren es insgesamt mehr als zwei Millionen. Aus dem Kreml hieß es, nicht alle Fragen könnten bei der Veranstaltung beantwortet werden, sie würden aber im Laufe des Jahres geklärt.

Die Hauptaufgabe für Russland sei es, die Souveränität des Landes zu stärken, für die Sicherheit an den Grenzen zu sorgen und die Rechte und Freiheiten der Bürger zu garantieren, betonte Putin zu Beginn. "Das ganze Land versteht, dass Russland ohne dies nicht existieren kann", fügte er hinzu.

Putin wies darauf hin, dass das Wirtschaftswachstum Ende des Jahres voraussichtlich 3,5 Prozent betragen werde. Die Arbeitslosigkeit in Russland sei auf einem Rekordtief. "Sie liegt bereits bei 2,9 Prozent, das hat es in der Geschichte Russlands noch nie gegeben, das ist ein sehr guter Wert für die Wirtschaftslage", betonte er. Die Auslandsschulden Russlands würden abgebaut. Der Wechselkurs des Rubels werde sich wieder normalisieren, das Wichtigste sei jetzt "Stabilität und Berechenbarkeit".

Ein Großteil der Fragen bezog sich erwartungsgemäß auf den Ukraine-Konflikt. Putin sagte, es werde Frieden geben, "wenn wir unsere Ziele erreichen, sie ändern sich nicht". Russland werde weiterhin die Entnazifizierung und Entmilitarisierung der Ukraine unter Sicherung ihres neutralen Status anstreben. Doch Russen und Ukrainer seien im Wesentlichen ein Volk. Was jetzt passiert, sei eine große Tragödie, die einem Bürgerkrieg gleiche. Nach 2014 sei aber klar geworden, dass Moskau keine normalen Beziehungen zu Kiew aufbauen könne. Der Putsch in der Ukraine sei notwendig gewesen, um einen Konflikt zu schaffen, und die USA seien daran beteiligt gewesen. Die Europäer hätten so getan, als wüssten sie nichts davon, so Putin.

Der gesamte Südosten der Ukraine habe einst zu Russland gehört, da es sich hierbei um historisch gesehen russische Gebiete handelte. "Die Krim und die gesamte Schwarzmeerregion fielen infolge der Kriege Russlands mit der Türkei an Russland. Was hat die Ukraine damit zu tun? Odessa ist überhaupt eine russische Stadt. Wir wissen das. Und jeder weiß das", sagte Putin, "aber sie haben historischen Unsinn erfunden, und nach dem Zusammenbruch der UdSSR haben wir uns damit abgefunden."

Zur Lage an der Front sagte er: "Fast entlang der gesamten Kontaktlinie, sagen wir es bescheiden, verbessern unsere Streitkräfte ihre Position." Im Rahmen einer großen Gegenoffensive hätten die ukrainischen Streitkräfte "nirgendwo Erfolg gehabt". Er äußerte die Meinung, dass die Idee der Gegenoffensive nur umgesetzt worden sei, um zusätzliche Mittel aus dem Westen zu erhalten.

Derzeit produziere die Ukraine fast keine Rüstungsgüter mehr, und was ihre Verbündeten liefern, werde von russischen Truppen erfolgreich vernichtet. Der Westen habe der Ukraine alle versprochenen Waffen und sogar noch mehr geliefert, aber russische Truppen haben seit Beginn der Gegenoffensive Kiews bereits 747 Panzer und 2.300 gepanzerte Fahrzeuge zerstört, so Putin.

Im Kampfgebiet seien derzeit 244.000 mobilisierte Männer vertreten. Insgesamt seien 617.000 russische Militärangehörige dort stationiert. Eine weitere Mobilmachung sei in Russland nicht geplant. Dafür gebe es keine Notwendigkeit. Wichtig sei auch die patriotische Erziehung der Jugend. Heimkehrer aus den Kampfgebieten arbeiteten bereits mit der jungen Generation.

"Der Sieg wird unser sein".

Als Hauptproblem der privaten Militärkampagnen in Russland nannte er das Fehlen offizieller Verträge mit dem Staat. Hier müsse Abhilfe geschaffen werden: Diese Kämpfer müssten die gleiche staatliche Unterstützung erhalten wie gewöhnliche Soldaten. Putin wies darauf hin, dass es unter seinen Bekannten Personen gegeben habe, die in privaten Militärkampagnen gedient haben und von denen einige gestorben seien.

Die Versorgung mit russischen Militärdrohnen verbessere sich, fuhr er fort. Er dankte allen Russen, die auf die Bedürfnisse der Front reagierten. Insgesamt seien mehr als zehn Milliarden Rubel (rund 100 Millionen Euro) gespendet worden. 

Jährlich soll eine Billion Rubel (rund zehn Milliarden Euro) in vier neue russische Regionen (die Volksrepubliken Donezk und Lugansk sowie die Regionen Cherson und Saporoschje) investiert werden, versprach Putin.

Der slowakische Premier Robert Fico und der ungarische Premier Viktor Orbán seien keine prorussischen, sondern "pronationale" Politiker. Der Rest verlasse sich auf den "großen Bruder", so Putin, und träfe viele Entscheidungen zu seinem Nachteil. Die Normalisierung der Beziehungen zur Europäischen Union hänge nicht nur von Russland ab. "Viele im Westen glauben, dass Russland alles richtig macht. Wir haben viele Unterstützer beim Schutz traditioneller Werte", betonte er. Unter anderem habe es eine gute Zusammenarbeit mit Emmanuel Macron gegeben, aber irgendwann habe der französische Präsident sie beendet. Wenn in Paris Interesse daran bestehe, sei Moskau bereit, sie wiederaufzunehmen, fügte der Präsident hinzu.

Mit Blick auf den israelisch-palästinensischen Konflikt sagte er: "Was dort passiert, ist eine Katastrophe." Die Haltung der Vereinten Nationen zur Situation in Gaza sei nicht ungewöhnlich, da die Länder nicht in der Lage seien, einen Konsens zu finden. Die UNO sei mit dem Ziel gegründet worden, einen Konsens zu finden, und wenn dieser nicht erreicht werden könne, würden keine Entscheidungen getroffen.

"Das war schon immer so. Und es ist wichtig, Mechanismen wie das Vetorecht beizubehalten".

Zur Lage im Gazastreifen stehe er in ständigem Kontakt mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan. "Unsere Positionen dazu sind ähnlich", betonte er. Zugleich kündigte er ein Treffen mit Erdoğan Anfang nächsten Jahres an.

Das russische Gas werde nach Europa geliefert, weil Gazprom alle seine Verpflichtungen erfüllt, unterstrich er. Wenn die europäischen Kunden nicht genügend Gas erhalten, sei es nicht die Schuld Russlands. Putin mutmaßte, dass Nord Stream 1 und 2 unter Beteiligung der USA gesprengt worden waren. "Wir haben Nord Stream 1 und teilweise Nord Stream 2 nicht in die Luft gesprengt. Das wurde höchstwahrscheinlich von den Amerikanern getan oder jemand hat es auf ihre Veranlassung hin getan." Russland unternehme nie etwas aus politischen Gründen in Bezug auf Gaslieferungen und habe auch nicht die Absicht, dies zu tun. Es gebe beispielsweise nicht das Ziel, Ungarn oder die Slowakei zu bestrafen, sie zahlen regelmäßig für das gelieferte Gas.

Zur Entscheidung des IOC, russische Athleten zu den Olympischen Spielen 2024 zuzulassen, sagte der russische Staatschef, alles, was internationale Funktionäre in Bezug auf den russischen Sport täten, sei eine völlige Verzerrung der Ideen Coubertins. Pierre Baron de Coubertin gilt als Vater der modernen Olympischen Spiele und hatte 1894 das Internationale Olympische Komitee gegründet. "Die Athleten trainieren jahrelang, und man muss ihnen die Möglichkeit geben, an internationalen Wettkämpfen teilzunehmen." Aber wenn diese Bedingungen zeigen sollen, "dass sich der russische Sport nicht entwickelt, dann müssen das Sportministerium und das Nationale Olympische Komitee die Situation analysieren und eine fundierte Entscheidung treffen", betonte er.

Zur Frage des in Russland inhaftierten US-Journalisten Evan Gershkovich und des wegen Spionage verurteilten US-Bürgers Paul Whelan sagte Putin, Moskau hoffe, dass eine Lösung für den Austausch der beiden gefunden werde. Der Dialog werde fortgesetzt, sei aber nicht einfach.

"Wir sind bereit, in Gewahrsam befindliche US-Bürger in ihr Heimatland zurückzuführen. Aber die Bedingungen müssen für beide Seiten akzeptabel sein. Die amerikanische Seite muss uns zuhören."

Auf die Frage des RT-Journalisten Murad Gasdijew nach dem wachsenden Nationalismus und Antisemitismus in Russland und in der Welt antwortete Putin, dass laut jüngsten Studien 96 Prozent der Bürger die interreligiöse Harmonie als einen großen Vorteil Russlands im Vergleich zu anderen Ländern betrachten. Dennoch nähmen Islamophobie und Antisemitismus zu. Das liege daran, dass die Menschen mit Ungerechtigkeit konfrontiert seien. Die Russophobie sei einer der Faktoren im Kampf gegen Russland.

Über den Konflikt um Bergkarabach sagte Putin, Russland sei nicht über die Entscheidung Armeniens informiert worden, das Gebiet als Teil Aserbaidschans anzuerkennen. Er wies darauf hin, dass es seiner Meinung nach nicht im Interesse Jerewans sei, die Mitgliedschaft in der OVKS zu beenden. Die Abwesenheit von Premierminister Nikol Paschinjan bei den jüngsten Gipfeltreffen ist laut Putin auf "bestimmte Prozesse" in Armenien zurückzuführen und nicht auf den Unwillen, die Zusammenarbeit fortzusetzen.

Im Laufe des Nachmittags beantwortete er eine Frage von einem Deep-Fake-Putin, der durch ein neuronales Netzwerk erzeugt wurde. Dieser hat sich als ein Student der Staatlichen Universität Sankt Petersburg ausgegeben und wollte wissen, ob Putin tatsächlich mehrere Doppelgänger habe.

"Nur eine Person sollte mit meiner Stimme sprechen. Und diese Person werde ich sein".

Zur aktuellen Abtreibungsdebatte in Russland sagte der Präsident, die Rechte und Freiheiten der Frauen müssten berücksichtigt werden. Er erinnerte an die Alkoholverbote in der Vergangenheit, die zu einem Anstieg der Vergiftungsopfer geführt hätten. Auch das Thema Abtreibung müsse behutsam angegangen werden. Aber er verstehe auch die Sorgen der Gläubigen. "Ich kenne die Position der Kirche, sie kann nicht anders sein", erklärte er. Die russisch-orthodoxe Kirche hatte sich wiederholt gegen Abtreibungen ausgesprochen.

Auf eine der letzten Fragen, was er gerade lese, antwortete er:

Ich werde das Strafgesetzbuch noch einmal lesen, weil manche Leute meinen, unsere Strafen seien zu hart.

Auf seinem Nachttisch liege ein Buch von Michail Lermontow.

 

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