Russland

Moskau wehrt psychologischen Angriff der Ukraine ab

Am Dienstagmorgen haben ukrainische Drohnen versucht, Moskau anzugreifen. Dabei wurden einige Wohnhäuser beschädigt, Schwerverletzte gab es nicht. Das Verteidigungsministerium meldete den Abschuss aller acht Drohnen. Welche Ziele verfolgte Kiew und wie sind solche Vorfälle in Zukunft zu vermeiden?
Moskau wehrt psychologischen Angriff der Ukraine abQuelle: Sputnik © Alexei Nikolski

Von Jewgeni Posdnjakow

Am frühen Dienstagmorgen sind in Moskau und im Moskauer Umland mehrere Drohnen gesichtet worden. Die Drohnen trafen die oberen Stockwerke der Wohnhäuser an den Straßen Profsojusnaja und Atlassowa. Wie die Notdienste meldeten, seien im ersten Fall die Fassade und die Verglasung des Gebäudes beschädigt worden, im zweiten Fall sei es zur Zerstörung der Fassade und der Fenster in den oberen Stockwerken gekommen. Der Moskauer Bürgermeister Sergei Sobjanin bestätigte den Drohnenangriff.

Sobjanin erklärte, dass die angegriffenen Häuser "geringfügig beschädigt" wurden. Es habe keine Schwerverletzten gegeben, lediglich zwei Bewohner hätten medizinische Hilfe angefragt. Zu Sicherheitszwecken seien während der Arbeit der Notfalldienste Teile von zwei Gebäuden evakuiert worden.

Der Gouverneur des Gebiets Moskau, Andrei Worobjew, schrieb auf seinem Telegramkanal, dass die Bewohner einiger Kreise der Region am Morgen Explosionen hören konnten. Grund dafür sei der Einsatz der russischen Luftabwehr gewesen, die mehrere Drohnen beim Anflug auf Moskau abschoss. Auch das Verteidigungsministerium bestätigte den Angriff auf die Hauptstadtregion. Die Behörde teilte auf Telegram mit, dass bei dem Angriff acht Drohnen zum Einsatz gekommen seien. Drei davon seien durch Mittel der elektronischen Kriegsführung, die übrigen durch Luftabwehrkomplexe des Typs Panzir-S im Gebiet Moskau abgeschossen worden.

Unterdessen äußerte sich der Kreml positiv über die Reaktionen aller Verantwortlichen auf den Angriffsversuch. Der Pressesprecher des Präsidenten, Dmitri Peskow, erklärte, dass das Verteidigungsministerium und die Luftabwehr gute Arbeit geleistet hätten. Die Moskauer Staatsanwaltschaft erinnerte auf ihrem Telegramkanal an die Gefahr der Verbreitung von nachweislich falschen Informationen. Generalstaatsanwalt Igor Krasnow betraute seine Behörde mit der Ermittlungsarbeit infolge der Drohnenangriffe.

Die ukrainische Regierung wies erneut jegliche Beteiligung an dem Angriff auf Moskau zurück. Der Leiter des ukrainischen Präsidialamts, Michail Podoljak, äußerte sich spöttisch über den Vorfall und sagte, dass die "intelligenten Drohnen beschlossen [hätten], nach Moskau zurückzukehren und zu fragen, warum sie in die Ukraine geschickt werden". Auch westliche Medien reagierten bemerkenswerterweise auf den Angriff. So schrieb die Zeitung Financial Times, dass das ukrainische Militär im Vorfeld seiner Gegenoffensive eine Serie von "kühnen Operationen" unternommen habe, um die russische Verteidigung zu "überlasten" und "die Moral des Gegners zu brechen".

Experten gehen davon aus, dass der Angriff vor allem den Zweck hatte, Panik unter der Bevölkerung der Hauptstadt zu verbreiten. Dennoch sei es wegen der erfolgreichen Arbeit der Luftabwehr und der russischen Notfalldienste dem Gegner nicht gelungen, sein Ziel zu erreichen. Der Leiter des Zentrums für die Entwicklung von Verkehrstechnologien, Alexei Rogosin, äußerte auf seinem Telegramkanal die Vermutung, dass für den Angriff auf Moskau "bisher unbekannte flugzeugartige Drohnen in Canard-Bauweise" eingesetzt worden seien. Ähnliche Geräte seien beim Angriff auf Krasnodar am 26. Mai eingesetzt worden.

"Das Triebwerk wird mit einem Verbrennungsmotor betrieben; das Gerät hat eine Flügelspannweite von mindestens vier Metern und eine theoretische Reichweite von 400 bis 1.000 Kilometern. Die Kosten können auf 30.000 bis 200.000 US-Dollar pro Gerät geschätzt werden", so Rogosin. Der Experte kommentierte auch Angaben, wonach sich unter den Drohnen eine US-Militärdrohne des Typs UJ-22 Airborne befunden haben soll. Nach Auffassung Rogosins ist dies jedoch nicht der Fall.

Der Militärexperte Andrei Klinzewitsch erklärte in einer Sendung des Fernsehkanals Solowjow Live, dass sich solche Vorfälle wiederholen werden und dass sich die Rüstungsindustrie auf die Produktion von Drohnenabwehrsystemen konzentrieren sollte. "Die Mücken werden ständig zu uns kommen, solange wir den Sumpf nicht trockenlegen", sagte er.

"Für seine Angriffe nutzt der Gegner unterschiedliche Drohnentypen. Darunter sind auch alte sowjetische Drohnen des Typs Strisch, die immer wieder im Hinblick auf ihre Reichweite aufgerüstet werden. Darüber hinaus nutzt das ukrainische Militär diverse kommerzielle chinesische Drohnen, beispielsweise den Typ Mugin, und rüstet sie für den Kampfeinsatz aus", erklärte der Zeitung Wsgljad der Militärexperte Boris Roschin.

"Die Reichweite dieser Drohnentypen kann zwischen 500 und 1.000 Kilometer betragen, woraus man schlussfolgern kann, dass sie aus den Grenzgebieten Charkow oder Sumy abgefeuert wurden. In der Regel setzt man der Drohne ein Ziel in Form eines konkreten Objekts und sie fliegt dann auf kleinstmöglicher Höhe, knapp über den Baumkronen, um nicht in den Wirkungsbereich der Luftabwehr zu gelangen", führte er aus.

"Gleichzeitig hat ein Angriff mit solchen Drohnen eine eher propagandistische und psychologische Wirkung. Denn solche Geräte tragen weniger Sprengstoff als etwa militärische Drohnen. Unterschätzen sollte man die Zwischenfälle indessen nicht. Jede durchgesickerte Drohne erhöht das Risiko von Infrastrukturzerstörungen und Bränden", erläuterte Roschin.

"Um solche Zwischenfälle in Zukunft zu vermeiden, müssen wir zusätzliche Maßnahmen zur frühzeitigen Aufspürung von Drohnen ergreifen. Um die Drohnen zu eliminieren, sollten insbesondere automatische Flugabwehrkanonen, Selbstfahrlafetten und sonstige Systeme für direktes Feuer bei Sichtkontakt eingesetzt werden", so Roschin.

"Im Ganzen betrachtet gelang es der Luftabwehr, den Großteil der Drohnen noch vor der Hauptstadt abzuschießen und einen Angriff auf bedeutende militärische oder infrastrukturelle Objekte zu verhindern. Die 'harte Reaktion' auf Angriffe auf die militärische Infrastruktur [in der Ukraine – Anm. d. Red.], insbesondere auf Kiew, fiel somit sehr schwach aus, besonders im Hinblick auf die Zerstörung westlicher Luftabwehrsysteme", resümiert der Experte auf seinem Telegramkanal.

"Dennoch wird der Gegner zweifellos versuchen, solche Angriffe zu wiederholen und nach Schwachstellen in unserer Luftabwehr an unterschiedlichen Abschnitten zu suchen. Selbstverständlich wäre die Gefahr solcher Angriffe geringer, wenn die russischen Streitkräfte die nördlichen Regionen der Gebiete Sumy, Tschernigow und Charkow kontrollieren würden. Dies würde auch die Sicherheit der Grenzregionen verbessern", vermutet Roschin.

"Die Drohnen könnten aus dem Gebiet Tschernigow kommen sein. Kleine flugzeugartige Drohnen können große Entfernungen zurücklegen. Man sollte allerdings bedenken, dass dies nicht der erste Angriff auf die Hauptstadt war. Unglückliche Versuche gab es bereits viele mehr", erklärte Wassili Kaschin, der Leiter des Zentrums für komplexe europäische und internationale Studien der Wirtschaftshochschule Moskau.

"Offensichtlich wurde eine relativ kleine Drohne eingesetzt. Für den Flug wurde wahrscheinlich eine gewundene Strecke gewählt, die nicht einfach überwacht werden kann. Darüber hinaus erfolgte der Flug in kleinstmöglichen Höhen. Entsprechend konnten die an den Grenzen stationierten Luftabwehrkomplexe sie nicht aufspüren und abschießen", bemerkte der Experte.

"Beim Anflug auf Moskau stieß die Drohne offenbar auf eine erhöhte Dichte radioelektronischer Abwehrmittel. Auch die Flugabwehrsysteme des Typs Panzir-S kamen ins Spiel. Dadurch konnten wir die angreifenden Drohnen entweder abschießen oder außer Gefecht setzen. Dennoch wurden Wohnhäuser durch Splitter beschädigt", betonte er.

"Dass es sich um ein Training des ukrainischen Militärs vor einer größeren Aktion gehandelt haben könnte, ist meiner Meinung nach unwahrscheinlich. Die Sondierung der Luftabwehr der Hauptstadt dauerte Monate – dabei haben wir eine große Anzahl von Drohnen ausfindig gemacht, die im Gebiet Moskau abgestürzt sind. Der Gegner versucht, Lücken in unserer Verteidigung zu finden. Dabei ist offensichtlich, dass sie bei der Planung ihrer Angriffe Daten westlicher Geheimdienste nutzen", erklärte Kaschin.

"Im Prinzip sieht die Situation gegenwärtig wie folgt aus: Die Drohnen wurden von den Systemen der elektronischen Kampfführung neutralisiert, deswegen stürzten sie unkontrolliert ab. Wenn der Gegner die Bewegung der Drohnen kontrolliert hätte, hätten wir wahrscheinlich größere Explosionen gesehen. Geplant war vermutlich, irgendwelche Infrastrukturobjekte anzugreifen, doch beschädigt wurden Wohnhäuser."

"Auf den Spuren dieses Zwischenfalls sollte Russland die Situation sorgfältig analysieren. Es ist wichtig, die Schwachstellen unserer Luftabwehr zu finden, um mögliche Angriffe in Zukunft ganz zu verhindern. Die beste Lösung wäre, die Kontrolle über die Grenzgebiete, von denen diese Gefahr ausgeht, zu übernehmen", schlussfolgert Kaschin.

Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei Wsgljad.

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