Russland

Wladimir Putin nennt Voraussetzungen für Einsatz russischer Sicherheitskräfte in Weißrussland

Wladimir Putin hat dem TV-Sender "Rossija 1" ein großes Interview gewährt. Im Gespräch mit dem Journalisten Sergei Briljow ging der russische Präsident auf akute Probleme der Innen- und Außenpolitik ein. Viel Aufmerksamkeit wurde der Krise in Weißrussland gewidmet.
Wladimir Putin nennt Voraussetzungen für Einsatz russischer Sicherheitskräfte in WeißrusslandQuelle: Sputnik © MICHAIL KLIMENTJEW

Am späten Mittwochabend hat Russlands Präsident Wladimir Putin dem Fernsehsender Rossija 1 ein großes Interview gegeben. Sein Gespräch mit dem Journalisten Sergei Briljow wurde am Donnerstag ausgestrahlt. Dort kamen besonders akute Probleme von regionaler und internationaler Tragweite zur Sprache.

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Am Anfang des Interviews thematisierte Briljow die Corona-Pandemie und die dadurch ausgelöste Krise. Putin bemerkte, dass es in Russland eine große Anzahl an Corona-Fällen gebe. Die Sterblichkeitsrate sei jedoch eine der weltweit niedrigsten. Der Präsident erklärte dies mit einem guten Mobilitätsvermögen des einheimischen Gesundheitswesens. Er lobte auch die Behörden aller Ebenen für eine zügige Lösung der wichtigsten Aufgaben angesichts der Pandemie. Trotzdem rief Putin seine Landsleute dazu auf, nach wie vor Wachsamkeit walten zu lassen und alle Empfehlungen der Fachleute zu befolgen:

Je disziplinierter wir sein werden, desto schneller werden wir zum normalen Leben zurückkehren können.

Putin räumte zwar ein, dass die Pandemie in Russland allmählich nachlasse. Man sei aber nach wie vor vorbereitet: Es gebe einen Vorrat an Betten in Krankenhäusern, an Schutzmitteln und an Medikamenten.

Der Präsident wurde explizit nach dem in Russland entwickelten Impfstoff gegen den SARS-CoV-2-Erreger gefragt. Putin wies die Vorwürfe zurück, wonach das Präparat vor der Registrierung nicht lang genug getestet worden sei. Dem Staatschef zufolge sei das Prozedere im Einklang mit dem russischen Recht erfolgt. So habe der russische Wirkstoff eine vorklinische und eine klinische Studie absolviert. Man habe ihn an Tieren und Freiwilligen getestet.  

Unseren Fachleuten ist heute absolut klar, dass dieses Vakzin eine nachhaltige Immunität entstehen lässt. Es werden Antikörper gebildet, wie auch bei meiner Tochter. Der Impfstoff ist unschädlich. Meine Tochter fühlt sich gut.

Putin betonte, dass die Studie des Impfstoffs weitergehe. Im September werde ein weiterer russischer Corona-Impfstoff fertiggestellt sein:

Daran arbeitetet das berühmte Institut 'Vektor' in Nowosibirsk. Ich bin mir sicher, dass die 'Vektor'-Fachleute ein ausgezeichnetes Präparat schaffen werden, das sehr hilfreich sein wird.

Ferner kam die Wirtschaft zur Sprache. Der Präsident stufte die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie als Krise an und berief sich dabei auf Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank und anderer Organisationen, wonach das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) um etwa fünf Prozent zurückgehen könnte. In Russland gehe man von einem Rückgang in Höhe von 8,5 Prozent aus, obwohl dieser Kennwert laut einigen anderen Schätzungen fünf bis sechs Prozent betragen könnte. Putin machte darauf aufmerksam, dass die russische Regierung rechtzeitig und präzise erforderliche Maßnahmen getroffen habe, um der einheimischen Wirtschaft unter die Arme zu greifen. So habe man sowohl Kleinunternehmen als auch Großbetrieben, darunter in der Landwirtschaft, im Automobilbau und im Wohnungsbau, geholfen.

Wir glauben, dass die größten Probleme bereits hinter uns liegen, und ich hoffe, dass wir nun beginnen, uns allmählich zu erholen.

Briljow stellte Putin zudem viele Fragen nach der aktuellen Situation in der Republik Belarus. Der Präsident unterstrich, dass sich Russland gegenüber den Ereignissen im Nachbarland im Unterschied zu vielen EU-Ländern und den USA zurückhaltender und neutraler verhalte:

Wir glauben, dass es in erster Linie die Angelegenheit der weißrussischen Gesellschaft, des weißrussischen Volkes selbst ist. Aber es ist uns zweifellos nicht gleichgültig, was dort vor sich geht.

Putin brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass alle Seiten genug gesunden Menschenverstand an den Tag legen würden, um ruhig und ohne Exzesse einen Ausweg zu finden.

Da Menschen auf die Straße gegangen sind, müssen alle Rücksicht darauf nehmen, das hören, darauf reagieren. Allerdings hat der Präsident Weißrusslands schon gesagt, er sei bereit, die Möglichkeit zu erörtern, eine Verfassungsreform durchzuführen, eine neue Verfassung zu verabschieden sowie aufgrund dieser neuen Verfassung Parlaments- und Präsidentschaftswahlen durchzuführen. Man dürfe jedoch nicht über den Rahmen der geltenden Verfassung hinausgehen.

Der Staatschef berief sich in Bezug auf das oppositionelle Komitee zur nationalen Rettung auch auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichtes der Republik Belarus, wonach die Schaffung jeglicher überkonstitutionellen Organe, die die Macht ergreifen wollen, absolut unzulässig sei.

Putin äußerte sich ebenfalls zu der Festnahme von 33 russischen Staatsbürgern Ende Juli in Weißrussland. Mittlerweile liege es auf der Hand, dass die Aktion auf Anweisung der Geheimdienste ausgeführt worden sei. Man habe diese Menschen "verdeckt ausgenutzt", indem man sie unter völlig legalen Vorwänden nach Weißrussland gelockt habe. Man habe ihnen unter anderem Jobs angeboten, weswegen sie von Weißrussland aus in andere Länder in Lateinamerika und im Nahen Osten reisen sollten. Putin betonte:

In der Tаt hat man sie auf das Territorium Weißrusslands hineingelotst und für eine mögliche Schlagkraft zur Destabilisierung der Situation im Laufe der Wahlkampagne ausgegeben, was mit der Wirklichkeit nichts zu tun hatte.

Der russische Staatschef präzisierte ferner, dass hinter der Affäre ukrainische und US-amerikanische Geheimdienste stünden. Dies sei inzwischen "nachweislich bekannt", wobei manche Teilnehmer dieser Operation sogar keinen Hehl daraus machen.

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Briljow bat Putin darüber hinaus darum, die Aussagen des weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko zu kommentieren, wonach Moskau Minsk bei Bedarf auch militärisch helfen werde. Der russische Staatschef verwies in diesem Zusammenhang auf den Vertrag über kollektive Sicherheit, wonach die Teilnehmerstaaten einander bei der Verteidigung ihrer Souveränität, der Außengrenzen und beim Schutz der Stabilität unterstützen sollen.     

Alexander Grigorjewitsch bat mich, eine gewisse Reserve an Sicherheitskräften zu bilden, und ich tat das. Wir vereinbarten jedoch auch, dass sie erst dann eingesetzt würde, wenn die Situation außer Kontrolle geraten sollte, wenn – ich möchte das betonen – extremistische Elemente unter dem Deckmantel politischer Losungen gewisse Grenzen überschreiten und einfach zur Räuberei übergehen sollten, wenn sie beginnen sollten, Autos, Häuser, Banken in Brand zu setzen und zu versuchen, administrative Gebäude zu besetzen.

Putin sagte aber, dass dies bislang nicht der Fall sei, und brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass diese Reserve nicht zum Einsatz kommen werde. Er gehe davon aus, dass man alle Probleme in Weißrussland auf friedlichem Wege lösen werde.

Um objektiv zu sein, glaube ich, dass sich die Rechtsschutzorgane Weißrusslands trotz allem ziemlich zurückhaltend verhalten. Schauen Sie, was in einigen Ländern passiert.

Als Beispiel führte der Präsident den Fall eines unbewaffneten Afroamerikaners in den USA an, der mit sieben Schüssen in den Rücken getötet worden war, während in seinem Auto drei Kinder gesessen hatten.

Das bringt einen auf den Gedanken, dass es gar nicht darum geht, was gerade in Weißrussland vor sich geht, sondern darum, dass irgendjemand will, dass sich dort etwas anderes ereignet. Irgendjemand will das Geschehen dort beeinflussen und irgendwelche Entscheidungen durchsetzen, die diesen Menschen zufolge ihren politischen Interessen entsprechen.

Abschließend bemerkte Putin, dass Weißrussland allmählich zur Ruhe komme, und brachte wiederholt seine Hoffnung zum Ausdruck, dass alle bestehenden Probleme – sonst wären die Leute schließlich nicht auf die Straße gegangen – im Verfassungsrahmen und auf friedlichem Wege gelöst würden.

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