Die rechte "Corona-Republik" und verwirrte Schimpfwörter

Die Corona-Maßnahmen haben das Land fest im Griff. Manch einer sieht im Maßnahmestaat Parallelen zur DDR. Doch stimmt das so? Auch Begriffe wie "links" und "rechts" sind durcheinandergeraten. Ein Blick auf die Entwicklungen des letzten Jahres.
Die rechte "Corona-Republik" und verwirrte SchimpfwörterQuelle: www.globallookpress.com © Sebastian Kahnert / dpa

von Susan Bonath

Die Reichen werden reicher, die Armen zahlreicher, Kleinunternehmer gehen reihenweise pleite, das Lohnniveau sinkt, Arbeitslosigkeit grassiert und Regierungen gängeln Erwachsene wie kleine Kinder: Die autoritäre Corona-Lockdown-Politik in vielen Ländern der Erde lässt immer mehr Menschen das Ausmaß der Krise des Systems am eigenen Leib spüren. Gegner dieser Politik kritisieren – zu Recht – vor allem den massiven Entzug bürgerlicher Freiheitsrechte. Doch dabei häufig angestellte Vergleiche mit der DDR oder der Sowjetunion hinken gewaltig: politisch, ökonomisch und in der Eigentums- und Machtfrage.

Propaganda und Repressionen gegen "Abweichler"

Masken, mehr Masken, Abstand, mehr Abstand, Reise- und Übernachtungsverbote, Testpflichten, sterbende Kultur, tote Innenstädte: Nach mehr als einem Jahr Auf und Ab im Lockdown liegen die Nerven blank. Befürworter und Gegner haben sich in ideologischen Lagern verschanzt. Erstere klammern eisern an das Narrativ der Regierenden, mehr Lockdown bringe mehr Schutz vor Corona. Letztere haben – verständlicherweise – keine Lust mehr, mit lange vorhandenen, dagegen sprechenden Argumenten immerfort gegen eine Wand aus Ignoranz zu laufen.

Im Lager der Maßnahmen-Befürworter befindet sich bemerkenswerterweise auch das Gros derer, die sich politisch links verorten. Gemeinsam mit den Leitmedien und verantwortlichen Politikern brüllen sie die Gegner als "rechte Spinner" nieder. Einer der Gründe: Die AfD mimt die Frontkämpferin für die Gegner – was sie zwar nicht ist, da sie, bei objektiver Einschätzung, keine tragende Rolle bei den sogenannten Querdenker-Protesten spielt. Was für die Befürworter offenkundig keine Rolle spielt.

Die Folgen sind gravierend: Der Staat lässt Ärzte und sogar Richter von der Justiz verfolgen, wegen angeblich falscher Maskenatteste, "falscher" Meinungen oder politisch unliebsamer Urteile. Beschäftigte im Staatsdienst werden versetzt oder müssen gar fürchten, entlassen zu werden.

Die Seite der Befürworter ist klar im Vorteil. Sie hat den Staat, das Großkapital, die Leitmedien und die Eigentümer digitaler sozialer Plattformen hinter sich – eine wahre Macht mit gigantischen Erfolgen beim Beeinflussen der öffentlichen Meinung. Es ist nicht zu übersehen: Man wird im Netz mit aggressiver Propaganda für die Regierungspolitik und die Corona-Impfungen überschüttet. Die meist kontextlose Panik-Berichterstattung der großen Medien dauert seit über einem Jahr an. Kritische Wissenschaftler sortierten diese als "Schwurbler" aus – obwohl die Riege der "Schwurbler" weit länger ist als der Regierungsstab.

Abkehr von der bürgerlichen Demokratie

Mit einer bürgerlich-parlamentarischen Demokratie hat das, was hier seit Anfang 2020 abgeht, nicht mehr viel zu tun. Wenn die Regierung offiziell erwägt, dass Menschen sich künftig mit einer Spritze Grundrechte erkaufen sollen, sollte das jeden Demokraten verstören. Zumal es sich um Seren handelt, die – aus guten Gründen – noch nicht mal regulär zugelassen sind. Man könnte das als Nötigung bezeichnen, sich einem medizinischen Massenexperiment zu unterwerfen – genau das ist es nämlich.

Dennoch: Auch die Argumentation der Maßnahmen-Gegner ist manchmal nicht hilfreich und in einem bestimmten Punkt politisch falsch. Man liest etwa sehr häufig, wir befänden uns geradewegs auf dem Weg in eine "DDR 2.0". Oder: In der Sowjetunion seien die Menschen doch genauso bevormundet worden, wie das jetzt der Fall ist. Die Jüdische Rundschau kritisierte jüngst einen "unduldsamen linken Regierungs-Journalisten-Klüngel". Also, hier wird gründlich etwas durcheinander geworfen.

Nicht überall, wo links drauf steht, ist links drin

Zunächst: Man sollte Menschen mehr nach ihren Taten als nach ihren Worten bewerten. Nicht überall, wo "links" draufsteht, ist "links" drin. Links sein heißt im klassischen Sinne, für die Gleichwertigkeit aller Menschen, gegen Unterdrückung und Ausbeutung von Menschen durch Menschen einzutreten. Rechts sein bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als Herrschaft und ungleiche Machtverhältnisse ganz okay zu finden. Rechte sind also gegen die Gleichwertigkeit aller Menschen. Und Faschismus bedeutet, die Herrschaft mittels brutaler Gewalt und Entrechtung unterdrückter Menschengruppen durchzusetzen.

Sowohl die bürgerliche Demokratie als auch der Faschismus sind, historisch und ökonomisch unaufgeregt betrachtet, lediglich politische Herrschaftsformen von Staaten, um letztlich die Interessen des Großkapitals durchzusetzen. Man darf eines nicht vergessen: Auch "demokratische" Vorzeigestaaten zettelten Kriege an, ließen Menschen unter Brücken erfrieren, exportierten Waffen in alle Welt, sorgten mit für Hunger, Elend und soziale Verwerfungen auf der ganzen Welt und im eigenen Land – in Deutschland beispielsweise mit Hartz IV, Rentenkürzungen, Privatisierung des Gesundheitssystems und vielem mehr.

Kurzum: Das Großkapital braucht eine Form des nationalen Managements, um seine Interessen durchzusetzen. Das ist die Aufgabe jedes Staats in diesem System. Ein solcher Staat ist klassisch rechts.

Kapitalisten kann man (leider) nicht absetzen

Nun mag die autoritäre Politik durchaus den einen oder anderen daran erinnern, dass man in der DDR nicht reisen konnte, wohin man wollte. Auch mit dem, was man sagte, musste man ein bisschen aufpassen, sonst hatte man schnell die Stasi auf dem Hals. Heute beobachtet der Verfassungsschutz die "staatsfeindlichen Querdenker", vor 35 Jahren nahm der DDR-Geheimdienst subversive Gruppen unter die Lupe. Natürlich war die DDR kein lupenreiner Sozialismus, wie ihn Philosophen und Revolutionäre einst vorausgedacht hatten.

Doch es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen der untergegangenen DDR und dem heutigen Deutschland, der eine Gleichsetzung beider ad absurdum führt: die Eigentums- und Machtverhältnisse.

Um das an einem fiktiven Beispiel zu erläutern: Uğur Şahin wäre in der DDR nie zu einem Impfstoff-Milliardär geworden. Er wäre nicht mal Chef von BioNTech, sondern höchstens Betriebsleiter. Und Betriebsleiter, die es gewagt hätten, sich auf Kosten von Arbeitern und Konsumenten zu bereichern, hätte die DDR-Führung schneller abgesetzt, als man gucken könnte. Man versuche das nur mal mit einem Kapitalisten: völlig aussichtslos, denn ihm gehört der Laden.

Ökonomisches Eigentum entscheidet über die Macht

So läuft das im globalen Kapitalismus: Entweder man besitzt genügend Geld und Ressourcen, um fremde Arbeit ausbeuten zu können, oder man muss seine Arbeitskraft verkaufen. Egal ob Brot, Waffen oder eben Impfstoffe: Jede Ware, die auf den Markt kommt, dient dazu, das eingesetzte Geld (Kapital) zu mehren. Profit ist der Mehrwert, den Arbeiter erwirtschaften. Nur Menschen können Eigner zwingen, mehr Werte zu erarbeiten, als sie dem Unternehmer in Form von Lohn wert sind. Und auch der Staat kassiert am Ende mit.

Nun mag manch einer von einem freien Markt träumen. Tatsächlich gab es diesen nie, und die fiktive Marktidylle scheitert an der Konkurrenz: Die "kleinen Leute" konkurrieren um Jobs, die Unternehmer um Märkte. Die großen Fische schlucken die kleinen, das Kapital konzentriert und globalisiert sich. Diese Entwicklung sahen kluge Leute schon vor über 100 Jahren voraus. Nun ist seit Jahrzehnten live zu erleben: Industrie- und Geldkapital verschmelzen zu multinationalen Konzernen. Diese teilen die Märkte unter sich auf, bestimmen die Preise, treiben Kleinunternehmer in die Pleite.

Das macht auch Staaten finanziell immer abhängiger von den Großkonzernen. Politik und Kapital sind kaum noch voneinander zu unterscheiden. Den viel beschworenen freien Wettbewerb gibt es längst nicht mehr. Wenn Facebook deutsche Nutzer mit Impfwerbung der deutschen Regierung zuschüttet, Youtube regierungskritische Videos löscht und Kanäle sperrt und sich dabei auf das deutsche "Netzwerkdurchsetzungsgesetz" beruft, wird schnell klar, wer die Macht hat. Das Ausmaß der Macht entscheidet sich am wirtschaftlichen Eigentum. Lenin spräche vom staatsmonopolistischen Kapitalismus.

Wenn Rechte die Gegner rechter Politik als rechts beschimpfen

Kurzum: Der repressive Staat, derselbe übrigens, der seit 16 Jahren ungehorsame Hartz-IV-Bezieher sanktioniert, ist rechts, nicht links. Je autoritärer er handelt und je mehr er sich der Diktatur der Monopole unterwirft, desto rechter ist er. Wer sich auf seine Seite stellt, handelt rechts, egal, wo er sich selbst verortet. Die zunehmende Macht multinationaler Großkonzerne fußt zudem auf etwas, das es in der DDR kaum gab: wirtschaftliches Privateigentum. Es ist also recht absurd, Gegner einer solchen rechten Politik pauschal als Rechte zu beschimpfen. Und noch absurder wird es, wenn dies von Rechten kommt.

Politisch und ökonomisch jedenfalls ist die Corona-Republik Deutschland heute weiter von der DDR entfernt, als sie es jemals war. Die Macht steht diesmal auf der anderen Seite als seinerzeit im Osten – auf der des Großkapitals. Gerade das macht es für gebeutelte Lohnabhängige und in die Pleite gemaßregelte Kleinunternehmer nicht einfacher. 

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