Der Große US-Plan für den Nahen Osten – Teil 1

Noch bis Samstag besucht US-Außenminister Mike Pompeo eine Reihe von Ländern im Nahen Osten und am Persischen Golf. Auf dem Reiseplan stehen Kuwait, Israel und der Libanon. Zweck der Nahost-Tour ist es, den "bösartigen iranischen Einfluss" einzudämmen.
Der Große US-Plan für den Nahen Osten – Teil 1Quelle: Reuters © Ammar Awad

von Karin Leukefeld

Am Dienstag traf Pompeo in Kuwait ein, wo er am "3. Strategischen US-Kuwait-Dialog" teilnehmen wird. Dabei soll die "langfristige Partnerschaft" zwischen beiden Ländern bekräftigt werden, hieß es im US-Außenministerium. Thema wird die Bildung einer Strategischen Allianz des Mittleren Ostens (MESA) sein, in der Washington versucht, Saudi-Arabien, Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate, Oman, Kuwait, Katar, Ägypten und Jordanien in einer Allianz gegen den Iran und mit Israel zusammenzubringen. Nicht zuletzt deswegen ist Washington daran interessiert, dass die Einheit des Golfkooperationsrates wieder hergestellt und die Blockade gegen Katar aufgehoben wird. Auch Jemen und Syrien standen in Kuwait auf der Tagesordnung. Pompeo unterzeichnete eine Reihe von Handelsverträgen und Vereinbarungen für die US-Kuwait-Kooperation im Sicherheits- und Verteidigungssektor.

Die "iranische Gefahr" steht auch in Israel auf der Tagesordnung, dem zweiten Stopp der Pompeo-Tour. Der "bösartige Einfluss des iranischen Regimes" müsse zurückgedrängt werden, hieß es im US-Außenministerium. Pompeo werde sich in Jerusalem auch mit "offiziellen Vertretern aus der Region" treffen, um eine "gemeinsame Strategie gegen den Iran und seine Vertreter" zu besprechen. Bei einem Treffen mit israelischen, zypriotischen und griechischen Politikern soll zudem über die Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer und über die durch die Energiefrage entstehenden Sicherheitsprobleme gesprochen werden. Israel plant ein Pipelineprojekt unter dem Mittelmeer bis Griechenland, um in Zukunft Europa mit eigenem Gas beliefern zu können.

Die Gasvorkommen werden auch im Libanon Thema sein. Pompeo will sich als Vermittler in den Grenzstreitigkeiten zwischen dem Zedernstaat und Israel anbieten. Die libanesische Hisbollah, mittlerweile mit drei Ministern in der Regierung vertreten, hat eine Vermittlerrolle der USA bereits zurückgewiesen. Offiziell will Washington die Region durch den zügigen Ausbau der Gasförderanlagen wirtschaftlich voranbringen. Pompeo macht gleichzeitig klar, dass die von den USA unterstützte Ressourcenförderung für die Region besser sei, als wenn sie von Russland oder China gefördert würde.

In Beirut will Pompeo sich mit Vertretern der "legitimen" libanesischen Institutionen treffen, wie sein Sprecher mitteilte. Dazu gehören demnach Präsident Michel Aoun und Ministerpräsident Saad Hariri, Außenminister Gebran Bassil und Parlamentssprecher Nabih Berri. Auch Gespräche mit der Armeeführung sind vorgesehen. Pompeo will darauf hinwirken, dass die von den USA gegen die Hisbollah verhängten Finanzsanktionen umgesetzt und der Einfluss des Iran im Libanon zurückgedrängt wird.

Im Zentrum dürften die internationalen Hilfsgelder zugunsten syrischer Flüchtlinge im Libanon stehen. Einer der wichtigsten Partner bei der internationalen Hilfe ist das Gesundheitsministerium, das Gelder erhält, um sie an Flüchtlingseinrichtungen und Krankenhäuser sowie an lokale Hilfswerke zu verteilen. Das Gesundheitsministerium wird seit der neuen Regierungsbildung von einem Hisbollah-Minister geleitet. Washington hat die Hisbollah als "Terrororganisation" gelistet und Finanzsanktionen gegen sie verhängt. Großbritannien zog kürzlich nach und setzte die Hisbollah ebenfalls auf die Liste von Terrororganisationen. Israel forderte daraufhin die Europäische Union auf, es den USA und Großbritannien gleichzutun.

Pompeo setzt mit den Besuchen in Kuwait und im Libanon eine Reise fort, die er bereits im Januar 2019 mit Gesprächen in Ägypten, Saudi-Arabien und Katar begonnen hatte. Dabei ging es darum, die Irritationen zu beseitigen, die durch die Ankündigung des US-Truppenabzugs aus Syrien bei den US-Verbündeten entstanden waren. Die unterschiedlichen Signale, die im vergangenen Jahr einerseits vom Weißen Haus und andererseits vom US-Außenministerium und dem Pentagon ausgesendet worden waren, haben langjährige arabische Partnerstaaten in der Region dazu gebracht, sich nach anderen starken Kräften umzusehen. Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman absolvierte kürzlich eine ausgedehnte Reise durch Pakistan, Indien und China.

Für China ist der Mittlere Osten Teil seines weitreichenden Projekts einer neuen Seidenstraße. Insbesondere die Häfen am Persischen Golf und rund um die Arabische Halbinsel sollen in den maritimen Teil des Projekts eingebunden werden. Auch der Einfluss Russlands in den Golfstaaten nimmt zu. Der russische Außenminister Sergei Lawrow besuchte Saudi-Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwait, um die Handelsbeziehungen zu stärken. Die US-Administration setzt – nicht zuletzt durch die US-Sanktionen gegen Russland – die Golfstaaten unter Druck, vom Ausbau wirtschaftlicher Beziehungen mit Russland Abstand zu nehmen. Lawrow warb zudem für die Wiederaufnahme Syriens in die Arabische Liga, was lediglich in Kuwait begrüßt wurde. Der kuwaitische Außenminister Sabah al-Khalid al-Sabah sagte, er werde "glücklich sein", Syrien zurück in der Arabischen "Familie" zu sehen. Kuwait, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate haben ihre Botschaften in Damaskus wieder geöffnet. Ein deutliches Signal, dass die Golfstaaten sich im Krieg um Syrien neu positionieren wollen. 

USA unterstützen israelische Besatzung der Golanhöhen 

Ein Heimspiel dürfte für Mike Pompeo indes der Stopp in Israel sein. Beobachter sehen in dem Besuch eine klare Unterstützung für Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, dessen Erfolgsaussichten bei den bevorstehenden Parlamentswahlen am 9. April real gefährdet sind. Der israelische Generalstaatsanwalt hat gegen Netanjahu Anklage wegen Bestechung, Korruption und Amtsmissbrauch erhoben. Das US-Außenministerium erklärte allerdings, der Pompeo-Besuch habe nichts mit dem Wahlkampf in Israel zu tun. Das Land sei ein "Verbündeter", es gehe um einen "strategischen Dialog". Die USA mischten sich "nicht in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes ein".

Wenige Tage vor dem US-Außenminister hatte bereits der einflussreiche republikanische US-Senator Lindsey Graham Benjamin Netanjahu besucht. Gemeinsam mit dem US-Botschafter in Israel, David Friedman, fuhren die Politiker auf die von Israel völkerrechtswidrig besetzten und annektierten syrischen Golanhöhen, wo sie auf einer israelischen Militärbasis mit Blick über die syrische Provinz Qunaitra demonstrativ vor mitreisenden Journalisten Erklärungen abgaben.

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Netanjahu nutzte die Anwesenheit seiner "zwei guten, alten Freunde" und betonte, dass "der Golan immer zu Israel gehört hat und immer, ewig zu Israel gehören" werde. Senator Graham sagte, er sei "als Amerikaner gekommen, um herauszufinden, was für Amerika am besten" sei. "Das Beste für Amerika ist ein sicheres, geschütztes und wohlhabendes Israel", so der Senator. Von einem militärischen Gesichtspunkt aus habe die USA in Israel "den besten nur denkbaren Freund in der unruhigen Region", so Graham weiter. "Ich kann ihnen gar nicht sagen, wie viel geheimdienstliche Aufklärung die USA von unseren israelischen Freunden" erhalte.

Israel sei ein "strategischer Partner" für die nationale Sicherheit der USA. Das sehe man besonders auf dem Golan und so werde er sich, zusammen mit (dem republikanischen) Senator Ted Cruz dafür einsetzen, dass die US-Administration "den Golan als Teil des Staates Israel jetzt und für immer anerkennt". Die Golanhöhen aufzugeben wäre ein "strategischer Alptraum für Israel". Graham will die Unterstützung der illegalen Landnahme Israels zum offiziellen Teil der US-Sicherheitspolitik machen, vorbei am Völkerrecht.

Auch das US-Außenministerium bereitet offenbar die Kursänderung der US-Nahost-Politik vor. Anstatt – wie international üblich – von den "israelisch besetzten palästinensischen Gebieten" oder den "israelisch besetzten und annektierten syrischen Golanhöhen" zu sprechen, werden diese Gebiete im neuesten Menschenrechtsbericht des US-Außenamts als "israelisch kontrolliert" bezeichnet.

Die Golanhöhen als "israelisch kontrolliert" oder als "Teil des Staates Israel" anzuerkennen mag den US-amerikanischen und israelischen Sicherheitsinteressen entsprechen, dem international anerkannten Völkerrecht entspricht es nicht. Eine Reihe von UN-Sicherheitsratsresolutionen fordern Israel seit dem 6-Tage-Krieg 1967 auf, sich von dem besetzten syrischen Territorium der Golanhöhen ebenso zurückzuziehen wie aus dem damals besetzten palästinensischen Westjordanland. Die Annexion der syrischen Golanhöhen 1981 wurde vom UN-Sicherheitsrat für "null und nichtig" erklärt (UNSR-Resolution 497/5).

Israel hat alle entsprechenden UN-Sicherheitsratsresolutionen ignoriert, es wurde dafür nicht einmal mit Sanktionen bestraft. Die US-Administration hielt letztlich – mit ihrem Veto im UN-Sicherheitsrat – immer ihre schützende Hand über den israelischen Bruch des Völkerrechts und den fortgesetzten israelischen Landraub besetzter syrischer und palästinensischer Gebiete.

Inzwischen schaffen die USA eigene Fakten und ziehen sich aus immer mehr internationalen Verpflichtungen in Sachen Israel-Palästina einseitig zugunsten Israels zurück. Jerusalem wurde als "ewige Hauptstadt Israels" anerkannt, die US-Botschaft wurde von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt. Die Palästinensische Vertretung in Washington wurde geschlossen. Hilfszahlungen an die UN-Organisation für palästinensische Flüchtlinge, UNRWA, zu denen sich die USA als UN-Mitglied einst verpflichtet hatte, wurden eingestellt. Aus dem UN-Menschenrechtsrat zog die US-Administration sich zurück, weil dort angeblich "einseitig Israel kritisiert" wurde. Zusammen mit Israel zogen sich die USA auch aus der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur, der UNESCO, zurück. Anlass war, dass die palästinensische Stadt Hebron zum "Palästinensischen Weltkulturerbe" ernannt wurde, was Israel als völlig "inakzeptabel" zurückwies.

Die international verhandelte "Zwei-Staaten-Lösung" für Israel und Palästina will die US-Administration zugunsten eines "Jahrhundertdeals" zur Lösung des Nahost-Konflikts aufgeben. Der Plan soll, so US-Außenminister Mike Pompeo, nach den Parlamentswahlen in Israel im April bekannt gegeben werden.

(Ende Teil 1) 

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