Mord an Soleimani: Die Tagesschau als Erfüllungsgehilfe des US-Militärs
US-Präsident Trump ließ den iranischen General Qassem Soleimani per Drohnenbeschuss ermorden. Deutschland trägt Mitschuld daran, dass dieses Attentat gelang: Die "MQ9-Reaper" wurde über die US-Relaisstation in Ramstein/Rheinland-Pfalz ferngesteuert. (1) Das ist bei weitem nicht der einzige Umstand, den die Tagesschau der Öffentlichkeit vorenthielt. Der Großteil der Bundeswehrsoldaten im Irak wurde gerade noch rechtzeitig abgezogen, bevor die Regierung in Bagdad unseren "Ausbildungsunterstützern" schmählich die Türe weist.
Das Kabinett Merkel und seine journalistischen Wasserträger haben nun alle Hände voll zu tun, um zu kaschieren, was jetzt Sache ist. Beispiel: Mindestens eine Viertelmilliarde Euro sind dank des imperialistischen Abenteurertums in den Sand gesetzt. (2) Am schönen Bild, das Tagesschau & Co. über das wüste Treiben der Weltmacht USA und ihrer Vasallen im Nahen und Mittleren Osten malten, stimmt eben fast nichts.
von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam
Um mit Aktuellem zu beginnen: "Als Reaktion auf die anhaltenden Spannungen im Golf will die Bundeswehr Soldatinnen und Soldaten aus dem Irak verlegen. Das teilten Verteidigungs- und Außenministerium dem Bundestag in einem Schreiben mit", behauptet die Tagesschau um 1.30 Uhr am 7. Januar (3) und vermittelt damit den Eindruck, die Regierung handle aus freien Stücken. Da war der kommerzielle Sender n-tv schon näher an der Wahrheit:
Der Irak beschließt, dass alle ausländischen Soldaten das Land verlassen sollen – was gravierende Folgen für die deutschen Truppen vor Ort haben dürfte. Die Bundeswehr bereitet sich schon auf ein abruptes Ende ihrer Ausbildungsmission vor. (4)
Zum besseren Verstehen des außenpolitischen Desasters trägt diese Darstellung allerdings auch nicht viel bei. Dazu muss man weiter zurückschauen.
Lug und Trug von Anfang an
Formell beschlossen wurde das Bundeswehr-Mandat vom dritten Kabinett Merkel mit den Ministern Steinmeier (Außenamt) und von der Leyen (Verteidigung) am 29. Januar 2015. (s. unten unsere Anm. zu 2) Es wird heute, nachträglich und zur Tarnung der faktischen Sauerei, als "Ausbildungsunterstützung der irakischen Armee" ausgegeben, hatte ursprünglich aber die militärische Unterstützung des separatistischen Kurden-Clans Barsani im Nordirak zum Ziel und unterstützte dessen Bestreben, die ölreiche Region vom restlichen Irak abzuspalten und seiner Herrschaft zu unterwerfen. (5) Das Ganze war eingebettet in hegemoniale US-amerikanische Pläne zur Umgestaltung des gesamten Nahen und Mittleren Ostens. (6)
Für den Einsatz der Bundeswehr im Nordirak gab es kein UNO-Mandat, bemerkt sogar die transatlantisch genormte Wikipedia:
Die Bundesregierung sah den Einsatz aber dennoch als innerhalb eines 'kollektiven Sicherheitssystems' (Handelsblatt) als legitim an. Sie verwies auf eine Aufforderung des UNO-Generalsekretärs Ban Ki-Moon, im Kampf gegen den IS zu helfen, sowie auf entsprechende bilaterale Anfragen aus dem Irak. An dieser Sichtweise und der damit rechtlichen und politischen Begründung der Bundesregierung gab und gibt es Zweifel. (7)
Das fiese deutsche Spiel in der rechtlichen Grauzone hatte jedoch nicht erst 2015 begonnen, sondern schon ein Jahr früher. Im Internet kursierten damals Hinweise, dass Bundeswehr-Soldaten ohne jegliche legale Basis als "Militärberater" der kurdischen "Peschmerga" im Nordirak tätig seien. Fakt ist, dass der Bundestag im August 2014 umfangreiche Waffenlieferungen in den Irak genehmigte – angeblich zur Unterstützung des Kampfes gegen den IS (8). In Wahrheit gingen die Lieferungen – 1.360 Tonnen Waffen und Munition, darunter 60 Panzerabwehr-Lenkraketen des Typs "Milan" – jedoch nicht an die irakische Armee, sondern an die aufständischen Kurden in Erbil. (9) Es gelang damit eines der vielen deutschen Täuschungsmanöver im Nahen Osten.
Geschäfte mit geklautem Öl
Bundesregierung und Parlament brachen nicht nur die deutsche Selbstverpflichtung, keine Waffen in Spannungsgebiete zu liefern. Sie verstießen auch gegen eine entsprechende Übereinkunft der Europäischen Union. (10) Objektiv diente das Ganze auch nicht dem Kampf gegen den IS, sondern spielte eben diesen Terroristen sogar in die Hände. Die machten im Nordirak gemeinsam mit den Kurden blühende Geschäfte mit dort geklautem Öl. Beide, kurdische Separatisten und islamistische Terroristen, verscherbelten es unter Mithilfe des NATO-Mitglieds Türkei:
Seit dem Anfang der gemeinsamen Offensive des islamischen Emirats (damit ist der IS gemeint, d. Verf.) und der regionalen Regierung von Kurdistan hatte sich letztere der Ölfelder von Kirkuk bemächtigt und damit die Oberfläche ihrer Zuständigkeit illegal um 40% vergrößert. Obwohl die irakische Bundesregierung in den Vereinigten Staaten einen Prozess wegen der Vermarktung des von der regionalen Regierung von Kurdistan gestohlenen Öls eingeleitet hat, vermarktet diese weiterhin die gesamte Produktion in dem Hafen Ceyhan (Türkei) zum internationalen Preis ($83 pro Barrel), manchmal mit einem leichten Rabatt (in diesem Fall 75 Dollar das Fass). (11)
Aus der Tagesschau sind solche wesentlichen Informationen nicht zu beziehen, schon gar nicht eine kritische Betrachtung der Kurden und ihrer willigen Kumpanei mit CIA und IS.
Damit wären wir nun à jour. Die Symbiose von Politik und Medien ist vital und umfassend: Tagesschau-Qualitätsjournalist kollaboriert mit imperialem Attentäter Trump, mit einer nichtssagenden Kanzlerin Merkel, einem "Minister für strategische Ideenlosigkeit" Maas (12) und einer infantil-vorlauten Kriegsministerin Kramp-Karrenbauer. Die hatte noch am 5. Januar getönt, die Bundeswehr habe im Irak präsent zu bleiben. (13) Die Systematik der Kollaboration der Medien mit der Regierung: Täuschung, Ablenkung vom Wesentlichen, Unvollständigkeit, Verharmlosung. Klassisch ist diesbezüglich die Berichterstattung über den Mord an Soleimani in der 20-Uhr-Tagesschau vom 3. Januar. (14)
Journalistische Schleiertänze
Während weltweit Furcht vor dem Abgleiten in einen weiteren großen Nahostkrieg oder gar den III. Weltkrieg wächst (15, 16, 17) und viele Kommentatoren die Ermordung Soleimanis als Anfang vom Ende des US-amerikanischen Imperiums sehen (18), hält es die ARD nicht einmal für nötig, einen "Brennpunkt" im Anschluss an die Tagesschau anzubieten. Das geschah erst am Mittwoch und somit wohl hauptsächlich aufgrund der iranischen "Vergeltungsschläge". Ein Blick auf die Themenliste für Informationssendungen in diesem Format (19) lehrt uns, dass den Chefredakteuren und der ARD-aktuell-Redaktion ganz offenkundig die Maßstäbe dafür fehlen, welche Weltereignisse einer ausführlicheren analytischen und erklärenden Berichterstattung bedürfen.
Unfähigkeit oder gar böser Wille? Die Wortwahl spricht Bände: "Bei einem US-Raketenangriff nahe dem Flughafen von Bagdad ist einer der hochrangigsten (sic!) iranischen Generale getötet worden."Beim Passiv-Perfekt – "ist... getötet worden..." – braucht man keinen Täter zu nennen. (20a) Lieber beschönigt die Redaktion der Tagesschau in grottenschlechtem Deutsch ein Attentat, das den Straftatbestand des Mordes erfüllt und nach dem Völkerstrafrecht als "extralegale Hinrichtung" zu verurteilen wäre. Vollends zur Verschleierung des Mordes und zur Tarnung des Mörders gebrauchte die Redaktion auch diese pflaumenweich-neutrale Formulierung:
Der Kommandeur der Al-Kuds-Brigaden, Kassem Soleimani, kam bei einem US-Raketenangriff in Bagdad ums Leben. (20b)
Der heimtückische Angriff auf den iranischen Generalmajor und seine neun Begleiter in einem Drittland war im Verständnis des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kein weltbewegender Mord, sondern wieder mal ganz schlicht eine "Tötung". Der Tageschau-"Faktenfinder" schwadronierte da gar über "solche Einsätze" und "riskante Entscheidungen". (21)
"Einfach 'tot', oder ermordet?" fragt das Züricher Magazin Infosperber und begründet die Frage treffend:
'Tötung' oder 'Mord' und 'Ermordung', der Sprachgebrauch deckt auf, welche Medien nicht im Klartext informieren, wenn es um die befreundeten USA geht. (22)
Im US-Mafia-Milieu üblich
Der Tagesschau ist das ins schmutzige Stammbuch zu schreiben. Sie zwang den Rundfunkgebührenzahler zum x-ten Male, auf bewusste Medien wie NachDenkSeiten, Telepolis, RT Deutsch oder Information-Clearing-House zurückzugreifen, wenn er sich über die Ereignisse in Bagdad ein einigermaßen stimmiges Bild machen wollte. Wer die Voraussetzungen oder die Zeit dazu nicht hatte, musste die verlogene Sprachregelung im öffentlich-rechtlichen Nachrichtensystem eben ertragen.
Der unmissverständliche Zweck des redaktionellen "Wording": Dem Millionenpublikum sollte beim Konsum der "Tötungs"-Berichterstattung gar nicht erst der Verdacht kommen, dass sich unsere "Freunde" in den USA wieder einmal als Henker und brutale Staatsterroristen über das Völkerrecht hinwegsetzt hatten. Die USA befinden sich mit dem Iran nicht im Krieg, unmittelbar gefährdet waren sie ebenfalls nicht – bei objektiver Betrachtung unter Verzicht auf die fabrizierten "Erkenntnisse" von US-Geheimdiensten. Der US-Anschlag aus der Luft, auf fremdes Staatsgebiet (Irak!) ausgeführt und mit mehreren Opfern (neben dem Iraner Soleimani zum Beispiel fünf hohe irakische Offiziere, deren Namen zumeist nicht mal genannt werden) kommt darum einem "Auftragsmord" (per "hired gun") gleich, wie er im US-Mafia-Milieu üblich ist. (23)
Auch diese Deutung findet sich nur in seriösen Internet-Portalen, nicht aber auf den Seiten der Tagesschau.de:
Der (israelische Geheimdienst) Mossad zielte, und Trump zog ab. (24)
US-Präsident Trump ist ein Schreibtischmörder vom gleichen schwerkriminellen Kaliber wie seine Vorgänger Obama, die beiden Bushs und Clinton. Deren Kriegsverbrechen im Irak mit allein einer halben Million toter Kinder habe sich gelohnt, rechtfertigte die vormalige US-Außenministerin Madeleine Albright (25) einst diese Politik. Auch das war und bleibt eine demonstrative Unmenschlichkeit, die dank tätigen Schweigens der Tagesschau nicht in deutscher Erinnerung blieb.
Dämonisieren statt informieren
Ebenfalls keine Tagesschau- oder Brennpunkt-Information darüber, dass es der Hauptauftrag des ermordeten iranischen Generalmajors Qassem Soleimani war, den IS zu bekämpfen. Es ist in beträchtlichem Umfang diesem Offizier und seinen Dienstherren in Teheran zu verdanken, dass die Terroristen des selbsternannten Islamischen Staates, einer Bande von Kopfabschneidern, im Irak und in Ostsyrien weitgehend vernichtet wurden. Was deutschen Politikern und Journalisten sowie der ARD-aktuell nicht zu würdigen einfiel, brachten ausländische Repräsentanten ganz selbstverständlich zuwege, sogar der frühere US-Außenminister John Forbes Kerry. (26)
Der Grund liegt auf der Hand: Man will Soleimani über den Tod hinaus dämonisieren, ihn sich – stellvertretend für sein Land – als Bösewicht erhalten:
Der Druck im inneriranischen Kessel nimmt unaufhörlich zu. Wie das iranische Regime damit umgeht, hat es im November gezeigt. Bis zu 1.500 Menschen sollen bei Massenprotesten getötet worden sein. Hauptverantwortlich für die Niederschlagung der Proteste war die Revolutionsgarde. Einer ihrer wichtigsten Befehlshaber war Brigade-General Kasem Soleimani. (27)
In typisch desinformativer Absicht ignorieren Kommentator und Redaktion ARD-aktuell, dass der ermordete Soleimani mit diesen Ereignissen gar nichts zu tun haben konnte: Sein Auftrag und Einsatzgebiet lagen ausschließlich im nicht-iranischen Ausland. Distanzlos referierte die Tagesschau all das, was die US-Geheimdienste und ihre Auftraggeber Trump und Pompeo der Weltöffentlichkeit weismachen wollen:
Das amerikanische Militär habe die Operation (= Ermordung Soleimanis) auf Anweisung von US-Präsident Donald Trump ausgeführt, um weitere Attacken auf amerikanische Kräfte in der Region zu verhindern. Er habe in den vergangenen Monaten Angriffe auf Stützpunkte von US-Verbündeten gesteuert und auch die gewaltsamen Proteste an der US-Botschaft in Bagdad gebilligt. (28)
Keine dieser Behauptungen war mit Fakten belegt, nichts wurde gegengeprüft. Reine US-Propaganda, die ungefiltert vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk ans deutsche Publikum durchgereicht wurde. ARD-aktuell prostituierte sich wie seit Jahrzehnten, um die Propagandalügen aus Washington zur gewohnheitsmäßigen Verschleierung der US-Schweinereien zu verbreiten.
Ursachen des grenzenlosen Hasses
Im Nahen und Mittleren Osten "zieht" die US-amerikanische Agitprop nun aber auf absehbare Zeit nicht mehr. Versuche, einen weitere "Farbenrevolution" in Irak oder Iran zu inszenieren, können jetzt wegen völliger Aussichtslosigkeit unterbleiben. Die Iraner und Iraker, die öffentlich die Vereinigten Staaten unterstützten und sich gegen die Mullahs wandten, wurden zum Schweigen gebracht. Im Tod wie im Leben hat Soleimani den vergiftenden US-Einfluss im Nahen Osten verringert. (29)
Die Tagesschau verstärkte hingegen ausschließlich den Eindruck, Soleimanis Aufenthalt im Irak und seine enge Zusammenarbeit mit der irakischen Heeresführung seien Ausdruck des illegitimen Vormachtstrebens des Iran in der Region gewesen. Das lässt sich nicht leugnen, aber die sehr viel näher liegende Frage, was die USA denn noch im Irak verloren haben, 16 Jahre nach ihrem siegreichen Krieg gegen Saddam Hussein wegen nicht vorhandener Massenvernichtungswaffen, stellt der deutsche Qualitätsjournalist einfach nicht. Und auch nicht die Frage, woher wohl der schier grenzenlose Hass rührt, der den US-Besatzern dort entgegenschlägt. Obwohl diese Fragen entscheidend dazu beitragen könnten, das Unfassliche halbwegs zu durchschauen.
In Bagdad unterhalten die USA die größte und personalstärkste Botschaft der Welt. (28) Auf einem Gelände von mehreren Quadratkilometern stehen 27 Gebäude. Es seien dort 15.000 Menschen beschäftigt, meldete der Züricher Sender "20minuten". (30) Dass es sich dabei nicht nur um Diplomaten handelt, sondern um die den Irakern aufgezwungene parallele US-Verwaltung ihres Staates, des US- Gouvernements Irak, das versteht sich fast von selbst. Militärisch abgesichert war das Gouvernement rundherum mit US-Stützpunkten und einer Besatzung von 14.000 Mann sowie mit 5.800 Mann innerhalb des Irak (vor dem Attentat); nach der von Trump angeordneten Truppenverstärkung dürften sich jetzt wieder mehr als 9.000 US-Soldaten dort befinden. (31)
Das schlimmste Erbe
US-konform "verwaltet" wird ein Land, in dem auch 16 Jahre nach Ende des letzten Krieges noch immer mindestens 90.000 Landminen herumliegen, gefährliche Blindgänger aus sogenannten Clusterbomben und -granaten, die das US-Militär im besagten Krieg auf den Irak abregnen ließ, obwohl diese Massenvernichtungswaffe schon damals international geächtet war. Für die Beseitigung dieser "Tödlichen Altlast" (32, 33) haben die USA keinen Finger krumm gemacht.
"Verwaltet" wird ein Land, dessen Region Falludscha heute die weltweit höchste Rate an missgebildeten Kindern und an Krebstoten aufweist, Spätfolgen der Verseuchung mit radioaktiven Stoffen:
Uranmunition im Irak: Das strahlende Vermächtnis der Alliierten. (34)
Von US-Hilfen für Irak, mit diesem grauenhaften Vermächtnis fertig zu werden, ist ebenfalls nichts bekannt.
Die USA verwalten das Land nach ihrem Gusto und für den Profit westlicher Konzerne. Dazu dient z.B. die "Order 81" des seinerzeitigen Hohen US-Kommissars Paul Bremer im von ihm verfügten "Patent-, Industriedesign-, Geheiminformations-, Integrierte Schaltungs- und Pflanzenartengesetz". Order 81 erteilte den Inhabern von Patenten auf bestimmte Pflanzenarten, lauter großen multinationalen Firmen, die absoluten Rechte über die Anwendung ihres Saatguts in der irakischen Landwirtschaft, und zwar gleich für die Dauer von 20 Jahren. Bei den somit aufgezwungenen Pflanzenarten handelte es sich um genetisch veränderte Organismen. Der irakische Saatgut-Schatz wurde dagegen zerstört, jahrtausendalte Getreidesorten waren davon betroffen. (35, 36)
Seriöse Gegenpositionen oder Erklärungsversuche kommen der Tagesschau in geopolitisch bedeutenden Konfliktfällen der Westlichen Wertegemeinschaft nicht in den Sinn. Allenfalls und oft zu Tarnungszwecken werden neoliberale Thinktanks wie die "Bertelsmann-Stiftung" oder die parteiische und regierungsfinanzierte "Stiftung Wissenschaft und Politik" um ihre "Expertisen" gefragt. (37) Ausgewiesene Experten wie Michael Lüders oder Karin Leukefeld werden übergangen.
Unseriös bis auf die Knochen
Eine Redaktion wie ARD-aktuell, die sich ausschließlich auf transatlantische Nachrichtenagenturen stützt, reicht mit ihren Sendungen natürlich nicht an ein Informationsangebot heran, wie es zum Beispiel der investigative US-Journalist Max Blumenthal bereithält. Er wies nicht nur darauf hin, dass das infame Attentat auf Soleimani schon vor Monaten von US-Außenminister Pompeo vorgeschlagen worden war. Schlimmer noch: Es wurde am gleichen Tag ausgeführt, an dem der iranische General sich mit dem irakischen Ministerpräsidenten Adil Abd al-Mahdi über eine Vermittlung im Konflikt des Iran mit Saudi-Arabien besprechen wollte. (38, 39, s.a. Fußnote in 29)
Kein Wort darüber in der Tagesschau, natürlich nicht. Erst recht keine zurückweisende Kritik an den geradezu abenteuerlich dummen und infamen Stellungnahmen der Bundesregierung zum Soleimani-Mord sowie zu den großmäuligen Kommentaren und empörenden neuerlichen Drohungen eines den Mord bejubelnden US-Präsidenten Donald Trump. Dessen Ankündigung, er werde im Falle eines iranischen Racheaktes seinerseits 52 Ziele im Iran bombardieren und vernichten lassen, vermeldete die Tagesschau zwar. (40) Nicht aber, dass dieser Kriegstreiber tatsächlich hervorgehoben hatte, unter diesen Zielen würden auch solche von höchster kultureller Bedeutung für den Iran sein (41), dass er also ein Kriegsverbrechen ankündigte.
Durchgängig niveaulos
Das fand auch Außenminister Heiko Maas nicht erwähnenswert. Mehr als warme Luft kam von dem nicht:
Die US-Militäroperation (sic!) folgte auf eine Reihe gefährlicher Provokationen Irans. Es ist durch die Aktion aber nicht einfacher geworden, Spannungen abzubauen. Das habe ich auch Minister Pompeo deutlich gesagt. (42)
Das Attentat selbst als indiskutabel und als gefährliche Provokation zu bezeichnen, brachte unsere Ausfallerscheinung an der Spitze des Auswärtigen Amts nicht fertig. Dagegen pumpt sich dieser eitle Selbstdarsteller auch noch zum Vermittler auf, ohne rot zu werden:
Wir werden in den kommenden Tagen alle Hebel in Bewegung setzen, um einer weiteren Eskalation der Lage entgegenzuarbeiten – in den Vereinten Nationen, der EU und im Dialog mit unseren Partnern in der Region, auch im Gespräch mit dem Iran. (43, 44)
Kriegsministerin Kramp-Karrenbauer fiel es ebenfalls nicht ein, die USA für den mörderischen Akt zu kritisieren. Es reichte auch bei ihr erst recht nicht dazu, dem Iran wenigstens ein höfliches Bedauern zu übermitteln. Stattdessen eiskalter Rotz wie dieser:
"Der Iran destabilisiert mit der aktiven Unterstützung von Terrorismus und Gewalt seit langem massiv eine gesamte Region und bedroht damit auch Israel. Soleimani war einer der Hauptverantwortlichen für den Export von Terror und Gewalt mit vielen Toten. ... Die Handlungsweise der Vereinigten Staaten erfolgte in der nationalen Verantwortung Washingtons und war nicht Teil der internationalen Koalition gegen den sogenannten Islamischen Staat. Dieser ist noch nicht besiegt." (45)
Und Kanzlerin Merkel, ausgestattet mit der Richtlinienkompetenz für die deutsche Politik? Ja, wo isse denn? Wieder mal in der Sauna, während sich rings um sie herum Weltbewegendes ereignet? Müssen wir uns darüber wundern, dass die Regierung in Teheran die verbalen Ungehörigkeiten unserer Staatsführung als Aggression empfindet und sich darüber empört? Ein Sprecher des iranischen Außenministeriums machte klar, woher der Wind jetzt weht:
... Die Islamische Republik Iran betrachtet die Haltung der deutschen Regierung zur Unterstützung brutaler und einseitiger Maßnahmen der USA, die gegen das Völkerrecht verstoßen, als Mittäterschaft an diesen Aktionen, und der Iran erinnert die deutsche Regierung an die Schlüsselrolle von General Soleimani bei der Bekämpfung des Terrorismus des IS, dessen Fortbestand das Leben unzähliger Menschen auch in Europa gefährdet hätte. (46)
Mehr Verantwortung übernehmen
Schweigen im Berliner Walde. Folgsam bleiben die Hamburger Tröten der ARD-aktuell stumm. Selbst die Äußerungen von Agnès Callamard, immerhin UN-Sonderberichterstatterin für Fälle von außergerichtlichen, standrechtlichen oder anderweitig willkürlichen und extralegalen Hinrichtungen, fanden typischerweise ebenso wenig Aufmerksamkeit in der Tagesschau-Redaktion, weshalb deren Publikum auch nicht erfuhr, was diese Fachfrau zur Ermordung Soleimanis zu sagen hatte:
Außerhalb des Kontextes von aktiven Feindseligkeiten ist der Einsatz von Drohnen oder anderen Mitteln zur gezielten Tötung fast niemals legal. Um ... gerechtfertigt zu sein, kann tödliche ... Gewalt nur dann eingesetzt werden, wenn dies strikt notwendig ist, um sich gegen eine unmittelbare Bedrohung des Lebens zu schützen. (47)
Droht Deutschland Krieg mit dem Iran? (48) Gute Frage. Wenn der Iran Deutschland nunmehr als "Mittäter" ansieht, sollten die Alarmglocken läuten und zur inneren Einkehr aufrufen. Doch o Jammer, o Jauche: Eine angemessen begründete Position zur Ermordung Soleimanis bezog in Berlin nur die Linkspartei. Sie verurteilt den Mord per Drohne ohne Wenn und Aber als völkerrechtswidrig und verlangt die Schließung der US-Basis Ramstein, um die USA an einem Krieg gegen Iran zu hindern. (49) Der SPD-Fraktionschef Mützenich, einsamer Rufer in seiner Parteiwüste, hatte "das US-amerikanische Vorgehen" immerhin heftig kritisiert und verlangt, Deutschland müsse sich von den USA abkoppeln, dürfe sich nicht länger "in das Fahrwasser eines eruptiven, neurotischen Politikstils ziehen lassen." (50)
Dass die Redaktion ARD-aktuell die Position der Linkspartei und Mützenichs Protest über drei Tage hinweg verschweigt, demonstriert ihr Selbstverständnis als Hofberichterstatterin. Zum Ausgleich verkneifen wir uns die Wiedergabe dessen, was die übrigen Parteien an Uneinsichtigem und Banalem vorzubringen wussten und zitieren lieber die Stimme eines Denkenden: Dr. Stephan Erdmann reagierte im lesenswerten "Feynsinn.org" voll bitterer Bestürzung, anstatt wie gewohnt mit saftiger Satire aufzuwarten:
Es gibt noch immer keine Grenze, die der Westführer (gemeint ist Donald Trump) oder seine Killer überschreiten könnten, damit irgendwer hier bemerkt, dass es ums Überleben geht. (51)
Unsere berufspolitischen Berliner Vorgartenzwerge schwadronieren halt lieber davon, "mehr politische Verantwortung zu übernehmen". Jetzt könnten sie – wenn sie denn könnten:
Deutschland hat eine große Rolle, wenn es mutig genug wäre, auch konsequent zu bleiben in der Verurteilung dessen, was in der Welt an Unrecht passiert" (52), hielt der israelische Soziologe Moshe Zuckermann voriges Jahr bei Albrecht Müllers "Pleisweiler Gesprächen" fest.
Von solchem Politikverständnis ist unser Berliner Funktionspersonal allerdings ebenso viele Lichtjahre weit entfernt wie die Tagesschau vom guten Journalismus.
RT Deutsch bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Mehr zum Thema - Stramm auf US-Kurs: Regierungssprecher Seibert und seine gewagten Aussagen zu "Angriffen des Iran"
Das Autoren-Team:
Friedhelm Klinkhammer, Jahrgang 1944, Jurist. 1975 bis 2008 Mitarbeiter des NDR, zeitweise Vorsitzender des NDR-Gesamtpersonalrats und des ver.di-Betriebsverbandes sowie Referent einer Funkhausdirektorin.
Volker Bräutigam, Jahrgang 1941, Redakteur. 1975 bis 1996 Mitarbeiter des NDR, zunächst in der Tagesschau, von 1992 an in der Kulturredaktion für N3. Danach Lehrauftrag an der Fu-Jen-Universität in Taipeh.
Anmerkung der Autoren:
Unsere Beiträge stehen zur freien Verfügung, nichtkommerzielle Zwecke der Veröffentlichung vorausgesetzt. Wir schreiben nicht für Honorar, sondern gegen die "mediale Massenverblödung" (in memoriam Peter Scholl-Latour). Die Texte werden vom Verein "Ständige Publikumskonferenz öffentlich-rechtlicher Medien e.V." dokumentiert: https://publikumskonferenz.de/blog
Quellen:
(2) https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2015/kw05_ak_bundeswehr_irak-356316
Anm.: Vorgesehen waren anfänglich direkte Kosten von 32 Mio. Euro pro Jahr. Zusammen mit indirekten, versteckten und "außerplanmäßigen" Ausgaben sowie den Kosten für umfangreiche Waffenlieferungen dürfte das Irak-Abenteuer mindestens 250 Millionen Euro gekostet haben.
(3) https://www.tagesschau.de/eilmeldung/bundeswehr-irak-verlegung-101.html
(4) https://www.n-tv.de/politik/Bundeswehr-prueft-schnellen-Abzug-aus-Irak-article21492228.html
(6) https://www.voltairenet.org/article208308.html
(9) https://de.wikipedia.org/wiki/Ausbildungsunterstützung_der_Bundeswehr_im_Irak
(10) https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32008E0944
(11) https://www.voltairenet.org/article185853.html
(14) https://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/ts-34993.html(15) https://www.truthdig.com/articles/war-with-iran/
(16) https://www.washingtontimes.com/news/2020/jan/5/inside-the-beltway-trump-critics-fixate-on-world-w/
(17) https://southfront.org/u-s-selective-service-website-crashes-amid-wwiii-draft-fears/
(19) http://www.tagesschau.de/archiv/brennpunkt-archiv100.html
(20) (20a) https://www.tagesschau.de/ausland/angriff-flughafen-bagdad-101.html
(21) (20b) https://www.tagesschau.de/ausland/angriff-flughafen-bagdad-103.html
(22) https://www.infosperber.ch/Artikel/Medien/Soleimani-Tot-und-Totung-oder-Mord-und-Ermordung(23) https://www.infosperber.ch/Artikel/Medien/Soleimani-Trump-USA-Iran-Berichterstattung-TV-SRF
(24) https://deepstateblog.org/2020/01/03/after-mossad-targeted-soleimani-trump-pulled-the-trigger/
(27) https://www.tagesschau.de/kommentar/kommentar-iran-usa-101.html
(29) https://www.counterpunch.org/2020/01/07/the-three-victories-that-sealed-soleimanis-fate/
(30) https://www.20min.ch/panorama/news/story/Die-groessten-Botschaften-der-Welt-15692432
(32) https://www.spiegel.de/spiegel/a-263718.html
(33) http://www.iraktribunal.de/crimes/reports/flaechenbombardierungen_napalm.html
(35) https://gedankenfrei.wordpress.com/2008/03/13/die-amerikanische-saat-der-demokratie/
(36) https://www.vanityfair.com/news/2008/05/monsanto200805
(37) https://www.tagesschau.de/multimedia/video/ts24/schwerpunkt/video-640989.html
(38) https://consortiumnews.com/2020/01/06/patrick-lawrence-the-iranian-generals-intent/
(40) https://www.tagesschau.de/ausland/irak-bagdad-103.html
(41) https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-01/donald-trump-teheran-iran-ziele-us-angriffe-usa
(43) https://www.n-tv.de/mediathek/videos/politik/Droht-Deutschland-Krieg-mit-Iran-article21488884.html
(44) https://www.zdf.de/nachrichten/heute/abzug-aus-dem-irak-maas--gemeinsam-weiter-entscheiden-100.html
(45) https://www.bundeswehr.de/de/aktuelles/meldungen/irak-darf-nicht-im-chaos-versinken-167820
(47) https://twitter.com/AgnesCallamard/status/1212918159096864768?ref_src=twsrc%5Etfw
(48) https://www.n-tv.de/mediathek/videos/politik/Droht-Deutschland-Krieg-mit-Iran-article21488884.html
(50) https://www.sueddeutsche.de/politik/iran-usa-muetzenich-roettgen-1.4748197
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.