Nach den Parlamentswahlen: Moldawiens Lage bleibt schwierig

Die Neuwahlen in Moldawien haben zwar der im vergangenen Jahr gewählten Präsidentin eine Mehrheit verschafft, tragen aber nicht zur Lösung der Probleme des Landes bei. Es bleibt zerrissen zwischen Ost und West, und die Spaltung droht sich unter der neuen Regierung eher zu vertiefen.
Nach den Parlamentswahlen: Moldawiens Lage bleibt schwierigQuelle: www.globallookpress.com © Reiner Zensen, via www.imago-ima

Prof. Dr. Anton Latzo

Bedingungen

Die Republik Moldau hat mit ihren 3,5 Millionen Einwohnern schon manche Krise durchlebt. Am 27. August 1991 erklärte das Land seine Unabhängigkeit von der UdSSR. Heute ist es gespalten: territorial, gesellschaftlich, politisch und in seiner außenpolitischen Orientierung.

Die Staatenbildung ist formal abgeschlossen, aber die Probleme sind nicht kleiner geworden. Neben den eigenen Problemen ist das Land von den wachsenden Spannungen in der benachbarten Ukraine sowie von der Entwicklung in Rumänien, im Schwarzen Meer und im Südkaukasus betroffen. Es ist mit dem Transnistrien-Problem und den Widersprüchen der inneren Entwicklung konfrontiert. Ein Drittel der arbeitsfähigen Bevölkerung arbeitet im Ausland. Außerdem "kümmern sich" die USA und die EU, besonders Deutschland, um Moldawien.

Es hat seinen Status der immerwährenden Neutralität verkündet und in der Verfassung verankert. Respektiert wird dieser Status von Russland und China, aber nicht von den Mächten der EU und der NATO, vor allem den USA und der BRD.

Neben der komplexen äußeren Situation ist Moldawien angespannten inneren Prozessen ausgesetzt. Es ist bisher nicht gelungen, in Moldawien einen nationalen politischen Konsens über Prioritäten herzustellen, wie es zum Beispiel der Aufbau und die Entwicklung eines demokratischen und multiethnischen Staates sind. In und zwischen den politischen Gruppierungen des Landes gibt es drei Jahrzehnte nach der Unabhängigkeitserklärung noch immer keine Übereinstimmung über die Entwicklung gegenseitig vorteilhafter Beziehungen zur EU, Russland und den USA. Die USA und die EU-Mächte unterstützen aktiv jene Kräfte, die sich von russophoben Vorstellungen leiten lassen und gewillt sind, Moldawien als Bestandteil der antirussischen Front in Osteuropa zu missbrauchen.

Die Wahlen

Unter diesen Bedingungen haben am 11. Juli 2021 vorgezogene Wahlen für das Parlament stattgefunden. Sie wurden notwendig, nachdem die im Herbst 2020 gewählte Präsidentin der Republik Moldau, Maia Sandu, das Amt übernommen und das für sie wegen der Mehrheitsverhältnisse ungünstig zusammengesetzte Parlament aufgelöst hat.

Für die 101 Mandate haben sich 20 Parteien, zwei Wahlblöcke und eine Einzelperson beworben. Insgesamt kandidierten 1.791 Personen. Die Wahlbeteiligung lag bei 48,41 Prozent. Dabei war die Beteiligung der im Ausland lebenden Wähler verhältnismäßig höher als die der im Lande Wählenden. Das neue Parlament besteht aus drei Fraktionen. Für die PAS (Partei Aktion und Solidarität) stimmten 52,80 Prozent (63 Abgeordnete), für den Wahlblock der Kommunisten und Sozialisten 27,17 Prozent (32 Abgeordnete) und für die Partidul "ȘOR" 5,74 Prozent (sechs Abgeordnete). Die von Staatspräsidentin Sandu gegründete PAS hat eine deutliche Mehrheit und wird die Regierung bilden. Mit dieser Deutlichkeit war nicht unbedingt zu rechnen.

Die Wahlen haben ein zahlenmäßig deutliches Ergebnis gebracht. Es ist aber nicht das Ergebnis, das helfen könnte, die Situation zu bereinigen und das Land in ein ruhigeres Fahrwasser zu führen. Diese Parlamentswahl war eine Verlängerung der Präsidentschaftswahl vom Herbst 2020. Sie ist ein weiterer Ausdruck des Prozesses der Destabilisierung der Lage im Lande.

Sie wurde neu terminiert, weil die 2020 neu gewählte Sandu bei einer Mehrheit des Parlaments mit ihrem politischen Programm auf Ablehnung gestoßen war. In der Absicht, ein neues Parlament zu installieren, das die Mehrheitsverhältnisse zu ihren Gunsten verändert, hat sie – unter juristischer Beihilfe des Verfassungsgerichts und politischer Anleitung durch die Botschaften der USA und der EU-Mächte – das Parlament aufgelöst und Neuwahlen ausgeschrieben. Damit hoffte sie, ihre Kontrolle über Parlament und Regierung herzustellen, um das gesamte politische System und die Innen- und Außenpolitik des Landes so umzustellen, dass seine "Reformierung" im Sinne der Vollendung eines "Regime Change" möglich wird. Ein wichtiges Teilziel hat sie erreicht, die Mehrheit. Für die Probleme wurden aber keine Lösungen gefunden. Die Auseinandersetzungen gehen weiter und dürften sich verschärfen. Das Land soll auf einen USA- und EU-hörigen Kurs gebracht werden und mit der Ukraine und Georgien zusammen ein "Integrations-Trio" geschaffen werden, das auf antirussischer Grundlage funktioniert.

Die Lage danach ist wie davor

Das tatsächliche Ergebnis der Wahlen ist eine weiterhin zerstrittene politische Landschaft, die immer wieder Turbulenzen produziert und destabilisierende Verhältnisse hervorbringt. Es sind also weiterhin Bedingungen gegeben, unter denen die inneren und äußeren antirussischen und antimoldawischen Kräfte hoffen, ihre Ziele durchzusetzen und ein Moldawien nach den Werten der USA und der EU zu schaffen. Moldawien ist zwar ein kleines Land, für provokante Aktionen gegen Russland und die friedliche Zusammenarbeit in der Region aber allemal geeignet. Dazu kann ja auch noch Rumänien eingesetzt werden, dass Ansprüche zur Einverleibung Moldawiens in den Bestand des rumänischen Staates erhebt. Die Bedingungen für provokante Schritte sind auch insofern günstig, als sowohl der rumänische Ministerpräsident als auch die Präsidentin Moldawiens nicht zufällig vorher Mitarbeiter der Weltbank waren und in den USA (Harvard) studiert haben. Sandu hat zum Beispiel darauf verzichtet, den Posten als Beraterin eines Vizepräsidenten der Weltbank anzutreten, und ist in die Politik in Moldawien eingestiegen. Das Personal wurde rechtzeitig und zielgerichtet vorbereitet!

Die größten Probleme bereitet die wirtschaftliche Lage. Die Auslandsverschuldung des Landes liegt bei 68 Prozent des BIP. Die hauptsächlichen Kreditgeber sind die Weltbankgruppe, der IWF und die Europäische Investitionsbank, deren Anteil zusammen 78,4 Prozent ausmacht. Dabei kommt ein Drittel der Kredite von der Weltbank (33,2 Prozent), 27,3 Prozent vom IWF und 17,9 Prozent von der Europäischen Investitionsbank. Diese Institutionen sind damit zu einem wichtigen politischen Instrument geworden, das von den USA und den EU-Mächten aktiv eingesetzt wird, um auf die Haushalts-, Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierenden in Moldawien Einfluss zu nehmen.

Die Verschuldung ist vor allem seit 2010 gewachsen. In dieser Zeit regierten Vertreter von Parteien, die sich dem Neoliberalismus verschrieben hatten. Sie war gekennzeichnet durch wachsende Instabilität der Regierungen. Zeitweilig war auch die jetzige Präsidentin Sandu Ministerpräsidentin. Es war auch die Zeit, in der der Staat die Kontrolle über die strategischen Unternehmen des Landes verloren hat. Die Wirtschaft wurde deindustrialisiert. Die Zahl der qualifizierten Arbeitskräfte, die auf der Suche nach Arbeit ins Ausland gegangen sind, ist beträchtlich angewachsen. Die Bevölkerung wurde dem Abbau sozialer und kultureller Leistungen ausgesetzt. Diese und ähnliche Vorgänge haben zu wachsender Unzufriedenheit und zu einer Verschlechterung der politischen Lage geführt. Im Mittelpunkt ihrer Bemühungen stand innen- wie außenpolitisch die Einreihung Moldawiens in die US-Politik und die Bemühungen der EU-Mächte.

Dazu hat sich die EU in der Wirtschaft festgesetzt, die USA schicken reihenweise Berater- und Spezialistengruppen, die in Ministerien (Präsidentenamt, Finanzen, Verteidigung, Justiz) und zentralen Institutionen eingesetzt werden und die moldawischen Institutionen "beraten" und "unabhängig" kontrollieren.

Gleichzeitig wird die Wirtschaft dadurch kontrolliert, dass man sie einfach übernimmt. Dabei tut sich besonders die EU hervor. 80 Prozent der Auslandsinvestitionen kommen aus der EU. Die Kontrolle über die Wirtschaft ist komplett.

Mithilfe internationaler Organisationen soll die Gesetzgebung z. B. über den Binnenhandel zugunsten der ausländischen Waren (Lebensmittel) umgestaltet werden. Präsidentin Sandu will auf Verlangen des IWF auch die Gesetzgebung im Sinne der Erleichterung des Ankaufs von Grund und Boden durch Ausländer nach ukrainischem Beispiel neu gestalten. Das sind die Bedingungen, unter denen die Wahlen stattgefunden haben. Die neuen Mehrheitsverhältnisse erlauben, die gewünschten Maßnahmen zügiger durchzusetzen. Sandu hat erklärt, dass für sie entscheidend ist, dass der "Partner" technische Unterstützung und Entwicklungshilfe leisten kann. Unter diesen Bedingungen sei sie auch für eine Integration Moldawiens in die EU.

Aktivitäten

Ihre Aktivitäten der letzten Monate zeichnen ein deutliches Bild von den Schwerpunkten ihrer Politik und vom geplanten Weg des Landes. Am 19. Mai hat Sandu in Berlin Bundeskanzlerin Angela Merkel gedankt, dass Deutschland "unseren europäischen Kurs unterstützt". Mit dem Vertreter der NATO in Moldawien hat sie u. a. "die Zusammenarbeit Moldawiens mit der NATO hinsichtlich der Reform des Bereiches Sicherheit und Verteidigung" beraten. Zwei Tage danach hatte sie ein Treffen mit dem Botschafter der USA, mit dem sie "die Prioritäten des Beistands der USA gegenüber der Republik Moldau beraten hat". Am 2. April hatte sie an den Beratungen der NATO-"Initiative zur Konsolidierung der Verteidigungskapazität" teilgenommen. Schließlich hat sie am 15. April, als das Verfassungsgericht der Auflösung des Parlaments zugestimmt hat, erklärt: "Ein neues Parlament bedeutet, (…) die öffentlichen Gelder mit Nutzen auszugeben." Das ist der "europäische Weg" der Maia Sandu. Der Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag nannte den Wahlsieg Sandus schon vor den Wahlen ein "gutes Zeichen für Europa". Er betonte das Ziel, Moldawien, das Nachbarland Rumäniens, "möglichst eng an die Europäische Union und ihre Werte und Standards zu binden".

Mit der Ukraine, Moldawien, Rumänien und Georgien wird die Region des Schwarzen Meeres zu einem wichtigen Terrain der Konfrontation der USA und der EU mit Russland und China "transformiert".

Diese Hauptzüge haben die Wahlen beeinflusst und werden auch in der nächsten Zeit die Innen- und Außenpolitik des Landes bestimmen. Es ist davon auszugehen, dass auch in Zukunft die Innen- und Außenpolitik des Landes von den heutigen Wahlsiegern nach dem Motto gestaltet wird: Wer das Geld gibt, bestimmt auch die Politik.

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