Nordamerika

US-Finanzamt: Das reichste eine Prozent enthält Fiskus pro Jahr 163 Milliarden Dollar Steuern vor

Jedes Jahr entgehen dem US-Fiskus etwa 600 Milliarden US-Dollar durch nicht gezahlte Steuern. Allein das oberste eine Prozent der allerreichsten US-Amerikaner enthält dem Finanzamt schätzungsweise 163 Milliarden US-Dollar pro Jahr vor.
US-Finanzamt: Das reichste eine Prozent enthält Fiskus pro Jahr 163 Milliarden Dollar Steuern vorQuelle: www.globallookpress.com © Andy Dean/ imagebroker/ Global Look Press

Ein gut funktionierendes Steuersystem setzt voraus, dass jeder die Steuern zahlt, die er schuldet, heißt es zunächst wenig überraschend vom US-Finanzministerium. Doch laut dem so eingeleiteten aktuellen Bericht zahlen offenbar gerade diejenigen am wenigsten Steuern, die am meisten haben: Das reichste eine Prozent der US-Steuerzahler ist für schätzungsweise 163 Milliarden US-Dollar an nicht gezahlten Steuern pro Jahr verantwortlich, was fast 30 Prozent der "Steuerlücke" ausmache.

Die "Steuerlücke" – die Differenz zwischen den geschuldeten und den eingenommenen Steuern – belaufe sich jedes Jahr auf etwa 600 Milliarden US-Dollar. Diese Summe entspreche drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Vereinigten Staaten und der gleichen Summe, die von den 90 Prozent der Steuerzahler mit den niedrigsten Einkommen gezahlt wird.

Dieses Steuergefälle könne eine wichtige Quelle der Ungerechtigkeit sein, heißt es vom Department of Treasury, also dem US-Finanzministerium. Denn, so Natasha Sarin, stellvertretende Staatssekretärin für Wirtschaftspolitik, das bestehende Steuerrecht enthalte "zwei Regelwerke: eines für normale Lohn- und Gehaltsempfänger, die praktisch ihr gesamtes Einkommen angeben, und ein anderes für wohlhabende Steuerzahler, die oft einen großen Teil der von ihnen geschuldeten Steuern vermeiden können".

Aber nicht nur das sprichwörtliche eine Prozent umgeht demnach die eigentlich vorgeschriebenen Abgaben an den Fiskus. Die reichsten fünf Prozent der US-Steuerzahler sind dem Bericht zufolge für mehr als die Hälfte der jährlich entgangenen Steuereinnahmen verantwortlich, die reichsten 20 Prozent sogar für 77,1 Prozent. Der Bericht wirbt für eine bessere Ausstattung der US-Steuerbehörde IRS, um die Einhaltung der Steuergesetze besser zu überprüfen. Laut Sarin ist die Behörde derzeit unterbesetzt, außerdem erfordere es bessere Kenntnisse des Steuerrechts und der Anwendung, um die Steuergesetze auch gegenüber Gutverdienern und Großunternehmen angemessen durchzusetzen. Es gehe jedoch nicht darum, die Durchsetzung der Steuergesetze bei Steuerzahlern mit geringem Einkommen weiter zu verschärfen. Die Prüfungsquoten für Steuerpflichtige mit einem tatsächlichen Einkommen von weniger als 400.000 US-Dollar sollen demnach im Vergleich zu den letzten Jahren nicht steigen. 

Der US-Wirtschaftswissenschaftler, Professor und Ex-Wirtschaftsminister Robert Reich nannte den Bericht einen Paukenschlag ("bombshell") und betonte ebenfalls, dass die IRS mehr Mittel benötige. "Jeder zusätzliche Dollar an IRS-Mitteln bringt drei Dollar an Steuereinnahmen, meist von den sehr Reichen, die sich illegal vor der Zahlung geschuldeter Steuern drücken", meint Reich.

Laut dem Department of Treasury könnte sich die Steuerlücke im nächsten Jahrzehnt auf rund sieben Milliarden US-Dollar an entgangenen Steuereinnahmen belaufen. Das Congressional Budget Office (CBO), das sich mit dem Haushalt befasst, kommt zu einer anderen Einschätzung. Laut der Bewertung des Vorschlags der US-Regierung, die Mittel für die IRS im Zeitraum 2022 bis 2031 um 80 Milliarden US-Dollar zu erhöhen, würde dies die Einnahmen in zehn Jahren um etwa 200 Milliarden USD steigern.

In jedem Fall habe ein starkes Steuergefälle bedeutende Auswirkungen auf die Steuerpolitik, heißt es vom Department of Treasury, da die Politik somit zwischen steigenden Defiziten, geringeren Ausgaben für gesellschaftliche Ziele oder Steuererhöhungen wählen müsse, um die entgangenen Einnahmen zu kompensieren – was aber wiederum nur von gesetzestreuen Steuerzahlern getragen werde.

Insbesondere in den USA verweisen einige Superreiche gern auf ihr philanthropisches Engagement, mit dem sie sich und ihr Geld nach eigener Ansicht sozial einbringen. Doch nicht nur entziehen sie sich damit den von gewählten Regierungen definierten Zielen sozialer Investitionen, allen voran oft Gesundheit und Bildung, sondern auch der Kontrolle durch dafür übliche Mechanismen.

Das Global Policy Forum (GPF), eine Nichtregierungsorganisation, die globales Regieren und die Arbeit der Generalversammlung der Vereinten Nationen analysiert, hat bereits vor Jahren gewarnt, dass Regierungen und internationale Organisationen "den wachsenden Einfluss großer philanthropischer Stiftungen und insbesondere der Bill & Melinda Gates Foundation (...) bewerten und die beabsichtigten und unbeabsichtigten Risiken und Nebenwirkungen ihrer Aktivitäten analysieren" sollten. Besonders "die unvorhersehbare und unzureichende Finanzierung öffentlicher Güter, das Fehlen von Überwachungs- und Rechenschaftsmechanismen und die vorherrschende Praxis der Anwendung von Geschäftslogiken auf die Bereitstellung öffentlicher Güter" sollte Regierungen Sorge bereiten, so das GPF laut Guardian bereits im Jahr 2015.

Auch der 2016 erschienene Bericht "Gated Development" von der in London ansässigen Nichtregierungsorganisation Global Justice Now verweist auf die Risiken dieses Machtungleichgewichts, das die Problematik durch Philanthropie weiter verschärfe. Denn im prominenten Fall der Bill & Melinda Gates Foundation handele es sich "keineswegs um eine neutrale karitative Strategie (...), sondern vielmehr um ein ideologisches Engagement zur Förderung der neoliberalen Wirtschaftspolitik und der Globalisierung der Unternehmen". Dies komme eben nicht den Ärmsten der Welt zugute, im Gegenteil. "Das Großkapital profitiert unmittelbar von den Aktivitäten der Stiftung, insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft und Gesundheit, obwohl nachgewiesen ist, dass die Lösungen der Unternehmen nicht die wirksamsten sind."

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