Erstes TV-Duell im US-Wahlkampf
von Falko Looff
Dass das Fernsehduell zwischen Präsident Donald Trump von den Republikanern und seinem Herausforderer Joe Biden von den Demokraten in dieser Form überhaupt stattfand, ist an sich schon ein Ereignis. Einerseits natürlich wegen Corona. Immerhin wurde das Aufeinandertreffen nicht virtuell durchgeführt wie schon die beiden Nominierungsparteitage der jeweiligen Parteien. Es gab sogar Publikum im Saal, wenngleich auch mit weniger Personen als sonst üblich. Die Kandidaten selbst trugen zwar keine Maske, hatten aber im Vorfeld vereinbart, einander nicht die Hand zu geben. Ob das lediglich an Corona lag, wurde allerdings nicht bekannt.
Doch es gab noch einen zweiten Grund, warum dieses Aufeinandertreffen in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio fraglich schien – und zwar der demokratische Bewerber Joe Biden. Dieser machte in den vergangenen Wochen und Monaten durch einige Patzer bei öffentlichen Auftritten von sich reden. Er brachte Orte durcheinander oder schweifte während einer Rede ab und schien das Thema vergessen zu haben. Gerüchte über eine beginnende Demenzerkrankung machen bereits die Runde.
Den Großteil der öffentlichen Kommunikation führte Biden bislang von einem Videostudio im Keller seines Hauses aus – angeblich wegen der Corona-Pandemie. Trump dagegen sprach regelmäßig vor großem Publikum – beispielsweise auf Flughäfen vor mehreren zehntausend Menschen. Trump zu Biden: "Zu Ihnen wäre ja auch niemand gekommen."
Es waren mehrere Themengebiete, die behandelt wurden. Inhaltlich schien jedoch keiner der beiden Kandidaten ein echtes "Programm" zu haben – also etwa im Sinne von: Wenn ich gewählt werde, werde ich Projekt A, B und C umsetzen oder so ähnlich. Stattdessen arbeiteten sich die Duellanten mehr oder weniger einfach an den Themen ab, die vom Moderator ins Spiel gebracht wurden.
So ging es unter anderem um die Nominierung eines Nachfolgers für die verstorbene Oberste Richterin Ruth Bader Ginsburg. Trump sieht es als seine Aufgabe als gewählter Präsident, dies zeitnah zu tun, während Biden möchte, dass diese Entscheidung erst nach dem Votum des Volkes über die politische Richtung geschehen soll. Dann spielte die Gesundheitsversorgung eine Rolle. Biden möchte "Obamacare" erhalten. Trump hat daran zwar "rumgebastelt", jedoch während seiner bisherigen Amtszeit noch kein präsentables Alternativkonzept vorgestellt.
Größeren Raum nahm dann erwartbar die Corona-Krise ein. Biden warf Trump Versagen im Umgang mit der Krise vor. Für die Corona-Toten sei das schlechte Krisenmanagement des Präsidenten mitverantwortlich. Trump verteidigte seine Maßnahmen und auch seine Kritik an China, das er als in erster Linie verantwortlich für die weltweiten Auswirkungen sieht. Er zeigte sogar kurz seine Gesichtsmaske, die er immer dabeihabe. Biden sagte dagegen etwa:
Viele Menschen sind gestorben. Und noch viele mehr werden sterben, es sei denn, er [Trump] wird endlich klüger.
Darauf Trump:
Haben Sie gerade das Wort "klug" benutzt? (…) Sie haben den schlechtesten oder beinahe den schlechtesten Abschluss in Ihrer Jahrgangsstufe gemacht. Verwenden Sie nicht das Wort "klug" in Bezug auf mich. Denn wissen Sie was, es gibt überhaupt gar nichts Kluges an Ihnen, Joe. (…) Denn wenn Sie die Aufgabe gehabt hätten, vor der ich stand. Ich musste die größte Wirtschaft in der Geschichte unseres Landes herunterfahren – und übrigens wird sie jetzt schnell wieder aufgebaut.
Damit bezog sich der Präsident auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie. Trump führte weiter aus, er wolle die Corona-Maßnahmen in den Bundestaaten schnell beenden, damit die Wirtschaft wieder in Schwung komme und unterstellte Biden – der dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht will – wahltaktisches Verhalten.
Auch Trumps Steuererklärung war ein Thema. Auf die Frage des Moderators erklärte der Präsident, er habe "mehrere Millionen Dollar" an Einkommenssteuer gezahlt und "Sie werden das noch sehen". Er habe aber zuvor auch von Steuererleichterungen profitiert, für die jedoch die Obama-Regierung (und damit auch Biden) verantwortlich war.
Zwischendurch kam es immer wieder zu gegenseitigen Attacken. Während Biden zum Beispiel sagte, Trump sei der "schlimmste Präsident, den Amerika je hatte", oder es sei "schwer, mit diesem Clown zu sprechen", war von Trump zu hören:
Ich habe in 47 Monaten mehr getan als Sie in 47 Jahren. Wir haben Dinge getan, an die Sie nicht einmal gedacht haben, zum Beispiel das kaputte Militär in Ordnung zu bringen, das Sie mir überlassen haben.
Ansonsten ging es um die zum Teil gewaltsamen Unruhen seit dem gewaltsamen Tod von George Floyd. Biden vertrat die Auffassung, Trump würde das Land spalten. Trump entgegnete, er habe das Recht durchgesetzt und so die Krawalle beruhigt, wozu Biden nicht in der Lage gewesen wäre. Die andere politische Seite würde stattdessen die Menschen lehren "dass unser Land ein furchtbares, rassistisches Land sei" und dass man es "hassen" müsste, so der Präsident weiter. Auch die Brände in Kalifornien, der Klimawandel oder das Thema Briefwahl wurden noch debattiert.
Wie die Antworten zu all den Themen im Einzelnen inhaltlich zu bewerten sind, dürfte naturgemäß der subjektiven Betrachtung unterliegen. Große Überraschungen gab es hier bei den Antworten der Duellanten jedenfalls nicht. Beide Kandidaten hatten vermutlich ohnehin eher das Ziel, die eigene Klientel zu bedienen. Immerhin – auch für amerikanische Verhältnisse ungewöhnlich – soll es nach Umfragen bei dieser Wahl nur rund fünf Prozent Unentschlossene unter dem Wahlvolk geben.
Bleibt also noch, die "Performance" zu betrachten. Trumps Verhalten mag manch einer als "aggressiv" wahrnehmen. Zutreffender wäre aber eher das Wort "ungehalten". Ab und zu konnte man sogar den Eindruck gewinnen, er stritte sich mehr mit dem Moderator. Jedenfalls unterbrach Trump relativ häufig seinen Kontrahenten während dessen Ausführungen. Dies dürfte – zumindest ein Stück weit – Strategie gewesen sein, denn es brachte Biden ab und zu aus dem Konzept, und es brauchte dann ein paar Momente, bevor er sich wieder fing.
Wie auch immer man dies bewerten möchte, Trump kam unter dem Strich jedoch eindeutig als der "Dynamischere" rüber. Dieser Aspekt ist für amerikanische Wähler nicht ganz unwesentlich. Im allgemeinen wünschen sich Amerikaner eher ein "zupackend" oder "kraftvoll" wirkendes Staatsoberhaupt. Man erinnere sich in diesem Zusammenhang an den Wahlkampf im Jahr 2000, als dem demokratischen Präsidentschaftsbewerber Al Gore ein zu steifes Auftreten nachgesagt wurde. Oder an den Wahlkampf im Jahr 2016, als nach einem Zusammenbruch Hillary Clintons während eines öffentlichen Auftritts hinterfragt wurde, ob sie überhaupt "fit" für das Amt sei. Beide wurden übrigens am Ende nicht gewählt.
Was Biden betrifft, so gilt er selbst eigentlich als "energischer" Redner. Davon war jedoch bei dem TV-Duell wenig zu spüren. Möglich natürlich, dass dies Strategie gewesen war, um sich quasi als Gegenentwurf zu Trump zu präsentieren. Kann funktionieren. Allerdings darf man wiederum auch an dieser Stelle nicht den Fehler machen, mit europäischen Maßstäben zu messen. Ruhe und Besonnenheit auszustrahlen erzielt beim amerikanischen Wähler nicht unbedingt eine gleich große Wirkung wie bei einem europäischen Publikum.
Wenn Biden den "Anti-Trump" darstellen will, muss es ihm gelingen, neben Ruhe und Besonnenheit auch eine gewisse Souveränität oder gar präsidiale Aura zu vermitteln. Obama zum Beispiel konnte das. Doch muss man jetzt konstatieren, dass Biden genau dies nicht gelang – und zwar durchweg nicht gelang. Ob es am Alter, einer möglichen beginnenden Demenz oder einfach nur an einem schlechten Tag lag, sei dahingestellt. Es geht hier keineswegs um Despektierlichkeiten. Doch der demokratische Bewerber wirkte schwach, beinahe blass. Es gelang ihm – übrigens anders als Clinton vier Jahre zuvor – zudem oft nicht, schnell auf Trumps Attacken zu reagieren. Auch verhaspelte er sich hin und wieder, wenngleich auch nicht so häufig und so gravierend wie womöglich von seinen Anhängern vorab befürchtet.
Zusammengefasst kann man festhalten, dass bezüglich der Inhalte von keiner Seite wirklich Neues zu hören war. Vor allem aber waren beide Kandidaten nicht in der Lage, so etwas wie ein zusammenhängendes Konzept mit festen Programmpunkten zu präsentieren. Vielmehr schienen sie einfach nur sagen zu wollen: "Wählt mich, ich bin der Bessere." Bezüglich der Performance dürfte es aber ein klarer Punktsieg für Trump gewesen sein. Man mag sein Dazwischengrätschen als unhöflich bezeichnen, doch was hängenbleibt, ist eben die zupackende und direkte Art, die von vielen in Übersee geschätzt wird.
Die Wahlkampfstrategen der Demokraten werden sich nach dem Auftritt ihres Kandidaten vermutlich ernsthafte Sorgen machen, auch wenn sie dies öffentlich sicher nicht zugeben werden. Doch wenn es Biden nicht gelingt, in den zwei noch anstehenden Duellen und ggf. noch anderen öffentlichen Auftritten souveräner – und vielleicht auch ein wenig angriffslustiger – aufzutreten, dürften sich die Umfragewerte in den folgenden Wochen weiter zugunsten von Trump entwickeln. Ob dies für einen erneuten Sieg des Präsidenten ausreicht, bleibt abzuwarten.
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