Meinung

Neues Religionsfreiheitsgesetz in Montenegro: Fest der Unterdrückung durch "prowestliche Demokraten"

Ein "Gesetz über Religionsfreiheit" wurde in Montenegro in der Nacht vom 27. auf den 28.12. verabschiedet. Doch der Name täuscht, befinden viele Landesbewohner – denn es ist vollständig auf die Verfolgung der Serbisch-Orthodoxen Kirche ausgerichtet.
Neues Religionsfreiheitsgesetz in Montenegro: Fest der Unterdrückung durch "prowestliche Demokraten"Quelle: Sputnik

von Nebojsa Malic

Ein "Gesetz über Religionsfreiheit", das der Verfolgung eines bestimmten Glaubens Tür und Tor öffnet, würde man normalerweise als eklatante Verletzung der Menschenrechte ansehen. Doch geht es gegen orthodoxe Serben in Montenegro, pfeift der Westen darauf: Es ist keine Unterdrückung, wenn ein "prowestlicher Demokrat" so handelt. Montenegros "Religionsfreiheits"-Gesetz ist eine abscheuliche, gesetzlose Travestie.

Montenegros herrschendes Regime prügelte das umstrittene Gesetz mitten in der Nacht zwischen Donnerstag und Freitag durch das Parlament. Jeder einzelne Änderungsantrag der oppositionellen Demokratischen Front (DF) – vorgeschlagen, um die Bedenken zu zerstreuen, dass das Gesetz absichtlich gegen die Serbisch-Orthodoxe Kirche (SOC) abzielt – wurde abgelehnt. Als einige DF-Mitglieder die Sitzung aus Protest störten, wurden sie allesamt verhaftet und ins Gefängnis gesteckt.

Die Glocke läutet für die Serben

Auch wenn das Gesetz seinem Wortlaut nach auch dazu benutzt werden könnte, die römisch-katholische Kirche oder die islamische Gemeinde zu verfolgen, unterstützten es Mitglieder der bosniakischen (muslimischen) und kroatischen (katholischen) ethnischen Gruppen. Das zeigt nur mehr, dass sein eigentlicher Zweck darin besteht, die Serbisch-Orthodoxe Kirche zu verfolgen.

 

Heute Abend spannt sich in Montenegro die Lage an. Während die von der NATO unterstützte Regierung über ein Gesetz abstimmt, das die Beschlagnahme von Eigentum der Serbisch-Orthodoxen Kirche ermöglicht, gehen Tausende von Kirchenanhängern friedlich auf die Straßen und blockieren Verkehrswege im ganzen Land.

Die Regierung in Podgorica hat die Kritik abgewunken: Das Gesetz stimme mit den höchsten EU- und internationalen Menschenrechtsstandards überein. Die meisten Journalisten nahmen das nur zu gern für bare Münze. Weil ich aber nicht zu "den meisten Journalisten" gehöre, habe ich den Gesetzestext gelesen.

So schreibt Artikel 11 vor, dass jede Religionsgemeinschaft in Montenegro auch ihren Hauptsitz dort haben muss und sich nicht über die Landesgrenzen hinaus ausdehnen darf. Das ist absurd für ein Land von der Größe von Schleswig-Holstein und mit einer geschätzten Bevölkerung von etwa 620.000 Einwohnern.

Artikel 16 besagt, dass keine Religionsgemeinschaft "einen offiziellen Namen eines anderen Landes oder dessen Emblem" in ihrem Namen führen darf. Artikel 7 verbietet den "Missbrauch religiöser Gefühle zu politischen Zwecken", was immer das bedeuten mag. Und Artikel 24 besagt, dass der Staat das Eigentum jeder Religionsgemeinschaft beschlagnahmen kann, bei der die Polizei feststellt, dass sie gegen die Bedingungen ihrer Registrierung verstoßen hat und von den Listen gestrichen wurde – ohne die Möglichkeit einer Berufung. Was muss man mehr wissen?

Bedenkt man nun, dass Präsident Milo Ðukanović die SOC kürzlich beschuldigt hat, "eine proserbische Politik zu fördern, die darauf abzielt, die montenegrinische Staatlichkeit zu untergraben" (wie Reuters es formulierte), wird glasklar, für wen hier die Glocke läutet.

"Prowestlicher Demokrat" schreibt die Geschichte neu

Was diese Situation besonders ungeheuerlich macht, ist, dass sie noch vor 20 Jahren als absurd empfunden worden wäre. Über 150 Jahre lang (1696 – 1851) regierten serbisch-orthodoxe Bischofsfürsten Montenegro, das stolz auf seine serbische Identität und seinen Widerstand gegen das Osmanische Reich war. Selbst während der NATO-Bombardierung 1999 hielten Montenegro und Serbien zusammen.

Seitdem hat Ðukanović jedoch sowohl seine eigene als auch die montenegrinische ethnische Identität neu erfunden – als eine antiserbische. Noch lange vor der linientreuen Abstimmung und der Unterdrückung der Oppositionsabgeordneten zeigte er, was er von Demokratie hielt: einmal im Jahr 2006 bei einem fragwürdigen Referendum, bei dem er kaum genug Stimmen für die Trennung von Serbien sammeln konnte, und das zweite Mal, als er sich weigerte, vor dem NATO-Beitritt im Jahr 2017 ein Referendum abzuhalten. Die gängige Medienfloskel "prowestlicher Demokrat" bedeutet dann wohl letztendlich, dass man sich ungestraft wie ein Diktator aufführen kann.

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Ohne diese Unterstützung wäre Ðukanović schon vor langer Zeit als Oligarch oder korrupter Autokrat entschleiert worden, der sich seit 1991 an die Macht klammert, indem er sich in den Mantel des Kommunismus, des Nationalismus oder der liberalen Demokratie hüllt – je nach Bedarf.

Das ist er also – der Mann, dessen Regierung die gesamte Geschichte Montenegros auslöschen und durch eine andere, verfälschte Geschichte ersetzen will. Sie haben bereits eine "neue" Sprache und eine Nationalhymne, die während der Besetzung durch die Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg entstand, eingeführt. Serbien, das selbst von feigen Kollaborateuren regiert wird, hat nichts dagegen getan, geschweige denn gegen diesen eklatanten Diebstahl seiner Geschichte und Kultur zu protestieren.

Die Serben erheben sich, doch der Westen sieht keinen Grund zur Sorge

Nicht so die Serben von Montenegro. Am Donnerstag gingen Tausende von ihnen auf die Straßen der Städte und auf die Hauptverkehrsadern des Landes, um gegen das geplante Gesetz zu protestieren. Orthodoxe Mönche, Priester und Nonnen schlossen sich ihnen an.

 

 

#Die Straßen von Podgorica sind voller Demonstranten und Polizisten...

 

Metropolit Amfilohije, der Erzbischof von Montenegro, warf Ðukanović vor, die Verfolgung der Kirche fortzusetzen, die sowohl die Nazis als auch später die Kommunisten betrieben – rief aber auch zu Frieden und Einheit auf.

Doch das sollte nicht sein: Die montenegrinische Polizei setzte Gewalt ein und nahm an mehreren Orten Demonstranten fest. Kein Zweifel: Wenn die Serben weiterhin Widerstand leisten, wird Ðukanović dies als " Serbiens Aggression" verschreien – und vielleicht sogar Russland beschuldigen, einen Putsch anzuzetteln, wie er es schon im Februar 2017 tat. Das ist mittlerweile ein bekanntes Spielbuch.

Sehr aufschlussreich ist indes, dass die westlichen Moralprediger diese Entwicklung in Montenegro völlig ignoriert haben. Der britische Premierminister Boris Johnson verkündete kürzlich, dass London sich gegen die Christenverfolgung einsetzen werde. Gab es eine Nachricht vom Foreign Office? Natürlich nicht. Ebenso wenig vom US State Department und seinen transnationalen Töpfchenguckern, der US-Kommission für internationale Religionsfreiheit (US CIRF) – obwohl diese es vor kurzem doch tatsächlich vollbrachte, dass Indien und Pakistan sich zur Verurteilung ihrer Einmischung vereinten. Zu Montenegro? Keinen Mucks.

Was soll man davon halten? Dass die edlen Begriffe Menschenrechte und Religionsfreiheit wieder einmal nichts anderes sind als "tödliche Pfeile" im Köcher des Westens, die politischen Zwecken dienlich eingesetzt werden. Auch das, was heute in Montenegro geschieht, läuft auf ein monströses Experiment am lebenden Objekt hinaus, bei dem die ethnische, religiöse und kulturelle Identität eines Volkes verändert werden soll – wenn möglich durch Lügen, aber wenn nötig auch mit roher Gewalt.

Heute sind die Serben und ihre Kirche dran, schon morgen könnten vielleicht Sie dran sein. Sagen Sie nicht, niemand habe Sie gewarnt.

Nebojsa Malic ist ein serbisch-amerikanischer Journalist, Blogger und Übersetzer, der von 2000 bis 2015 eine regelmäßige Kolumne für Antiwar.com geschrieben hat und jetzt Senior Writer bei RT ist.

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