Meinung

Kein "Behördenversagen": Drei Jahre nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz

Drei Jahre nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz wird der Opfer gedacht. Immer noch ist vieles an dem Verbrechen unklar. Doch alles deutet darauf hin, dass die Behörden seinerzeit nicht "versagten", sondern den Mörder gewähren ließen.
Kein "Behördenversagen": Drei Jahre nach dem Anschlag auf dem BreitscheidplatzQuelle: Reuters © / Hannibal Hanschke

von Andreas Richter

Drei Jahre nach dem Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz wird heute Abend der Opfer gedacht. Dazu versammeln sich um 19:30 Uhr Politiker und Angehörige am dort errichteten Mahnmal. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller legt einen Kranz ab. Zum Zeitpunkt des Anschlags, um 20:02 Uhr, werden die Glocken der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche auf dem Platz zwölfmal schlagen, für jedes Todesopfer einmal.

Vor drei Jahren fuhr ein Terrorist mit einem beladenen Sattelschlepper in den gut besuchten Weihnachtsmarkt. Insgesamt wurden dabei zwölf Menschen ermordet, unter ihnen der erschossene Fahrer des Lkw, Łukasz Urban. Die Namen der anderen Opfer sind: Sebastian Berlin, Klaus Jacob, Dorit Krebs, Angelika Klösters, Dalia Elyakim, Fabrizia Di Lorenzo, Christoph Herrlich, Nada Čižmár, Peter Völker, Anna Bagratuni und Georgiy Bagratuni. Mehrere Dutzend Menschen wurden verletzt.

Nach Aussage von Edgar Franke, dem Opferschutzbeauftragten des Bundes, erhält heute noch mindestens ein Dutzend der Überlebenden Pflegeleistungen. Mindestens 20 Menschen litten noch unter den psychischen Folgen des Verbrechens, ebenso viele könnten ihrer Arbeit nicht mehr wie vor dem Anschlag nachgehen. Ein Verletzter des Anschlags benötige heute ständige Pflege.

Gefahren wurde der Sattelschlepper wahrscheinlich von dem damals 23-jährigen Tunesier Anis Amri, der im Jahr 2015 illegal nach Deutschland gekommen war, mindestens 14 Identitäten benutzte und ein langes Vorstrafenregister besaß. Laut Bundesregierung und Sicherheitsbehörden soll es sich bei ihm um einen Einzeltäter gehandelt haben. Amri wurde vier Tage nach dem Attentat bei Mailand von der Polizei erschossen, unweit von dem Ort, von dem der später gekaperte Sattelschlepper in Richtung Berlin losgefahren war.

Vieles an dem Attentat ist bis heute unklar. Die verschiedenen Untersuchungsausschüsse zum Thema haben reihenweise Ungereimtheiten aufgedeckt, allerdings kranken diese Ausschüsse daran, ebenso wie die Medien immer nur von einem "Versagen" der Sicherheitsbehörden auszugehen. Tatsächlich finden sich derart viele vermeintliche Pannen und Auffälligkeiten im Fall Amri und dem Handeln der involvierten Behörden, dass man die offizielle Version der Ereignisse mittlerweile als Verschwörungstheorie verbuchen kann.

Zu diesen Ungereimtheiten zählen die ständige Überwachung Amris durch deutsche und ausländische Dienste, das Verhindern seiner Ausreise, das nachlässige Vorgehen der Justiz gegen ihn trotz der schweren von ihm begangenen Straftaten, die Umstände seines Todes und die überstürzte und von der Bundesregierung veranlasste Abschiebung des mutmaßlichen Komplizen Bilel Ben Ammar nach der Tat.

Auch die Angehörigen der Opfer machten in ihrem offenen Brief vom April deutlich, dass sie den offiziellen Verlautbarungen zum Anschlag nicht mehr glauben. Der Attentäter sei "offensichtlich" kein Einzeltäter, wie von der Regierung behauptet, sondern Teil einer von den Sicherheitsbehörden observierten Terrorzelle. Die Behörden hätten den Anschlag verhindern können, haben dies aber unterlassen. Am Ende des Briefes wird gefragt, wer für dieses staatliche Handeln bzw. Nichthandeln die Verantwortung übernehme.

Der Attentäter sei "offensichtlich" kein Einzeltäter, wie von der Regierung behauptet, sondern Teil einer von den Sicherheitsbehörden observierten IS-Terrorzelle. Die Behörden hätten den Anschlag verhindern können, haben dies aber nicht getan. Am Ende des Briefes wird die Frage aufgeworfen, wer für dieses staatliche Handeln bzw. Nichthandeln die Verantwortung übernehme.

Die wahrscheinlichste Erklärung für das Attentat und das ungewöhnliche Verhalten der Sicherheitsbehörden ist, dass das Verbrechen mindestens in Kauf genommen wurde, um eine internationale Geheimdienstoperation zur Ausforschung von Kommandostrukturen des IS nicht zu gefährden. Der Grünen-Politiker Christian Ströbele hatte diese Vermutung bereits 2017 geäußert. Der Autor Stefan Schubert belegte sie Anfang dieses Jahres schlüssig und ausführlich in seinem Buch "Anis Amri und die Bundesregierung".

Drei Jahre nach dem Anschlag sind durch Betonblöcke und ähnliche Barrieren geschützte Weihnachtsmärkte in Deutschland Alltag geworden. Die Politik stellt den islamistischen Terror allgemein und den Anschlag im Besonderen überwiegend dar wie etwas vom Himmel Gefallenes und Hinzunehmendes. Und die Opfer und ihre Angehörigen fühlen sich mit ihrem Schmerz und ihrem Verlust allein gelassen und leiden zusätzlich darunter, dass ihnen nicht die Wahrheit gesagt wird.

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