Gräuelpropaganda für den Regime-Change: Zum Tod des Weißhelm-Gründers James Le Mesurier
von Jürgen Cain Külbel
James Gustaf Edward Le Mesurier, der Patron der berühmt-berüchtigten syrischen "Weißhelme", ist im Alter von 48 Jahren verstorben. Am Montag in der Frühe lag er leblos, mit gebrochenen Armen, Beinen und Becken sowie Gesichtsverletzungen vor seinem Wohnhaus in Istanbul. Die vorläufige Untersuchungsversion der türkischen Ermittler geht von einem Selbstmord aus – aus dem dritten Stock sei der Brite gesprungen oder vom Balkon gefallen.
Unter Berufung auf Polizeiquellen berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu Ajansı, es habe niemand um diese Zeit das Gebäude betreten oder verlassen. Eine weitere türkische Quelle erklärte, die Wohnung sei nur mithilfe einer Fingerabdruckerkennung zugänglich gewesen.
Die Ehefrau sprach von "erheblichem Stress" und Depressionen, unter denen ihr Mann gelitten habe, weshalb er Antidepressiva und Tabletten gegen Schlaflosigkeit eingenommen habe. Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert eine Sicherheitsquelle mit den Worten:
Die Frau von Le Mesurier erzählte der Polizei, dass sie und ihr Mann gegen 4 Uhr morgens Schlaftabletten genommen und ins Bett gegangen seien.
Sie sei später durch das Klopfen der Polizei geweckt worden und habe dann gesehen, dass ihr Mann tot auf der Straße lag. Das Büro des Gouverneurs von Istanbul erklärte, dass eine "umfassende" Untersuchung eingeleitet worden sei. Der Leichnam soll nun obduziert werden.
Todesumstände ungeklärt, aber Russland sitzt bereits auf der Anklagebank
Ungeachtet der Tatsache, dass die genauen Todesumstände noch ermittelt werden müssen, meinen Le Mesuriers britische Weggefährten und Teile der Presse, den Fall schon gelöst zu haben: Russland steckt demnach hinter dem Tod des 48-Jährigen.
Oberst Hamish de Bretton-Gordon, Ex-Kommandeur des britischen Regiments für chemische, biologische, radiologische und nukleare Stoffe (CBRN) und des NATO-Rapid Reaction CBRN Battalion, der mit Le Mesurier befreundet war, mit ihm beim Militär gedient und die "Weißhelme" sowie syrische Regierungsgegner in chemischer Kriegsführung ausgebildet und "beraten" hatte, sagte gegenüber The Telegraph, Le Mesurier sei "gut gelaunt" gewesen, als er ihn noch im vergangenen Monat in Istanbul besuchte. Le Mesurier sei sich bewusst gewesen, dass er das "Ziel ätzender russischer Angriffe" gewesen sei, und habe entsprechende Vorsichtsmaßnahmen getroffen, so de Bretton-Gordon.
Er nahm die Sicherheit ernst. Er war ein Soldat und er kannte die Risiken, die mit der Arbeit in dieser Welt verbunden waren, und tat alles, was er konnte, um sie zu minimieren.
De Bretton-Gordon, seit Jahren Erklärungs-Hansdampf zu den "Chemiewaffen-Angriffen" in Syrien und zum Giftgasanschlag auf die Skripals, sprach seinen Kompagnon kurz nach dessen Tod im Independent heilig:
Die Arbeit, die James und die 'Weißhelme' geleistet haben, ist phänomenal. Es gibt nur wenige Menschen, die mehr auf humanitärer Seite geleistet haben.
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Anschließend brachte der Oberst den Todesfall mit Russland in Verbindung:
Aber wie wir alle litt er unter russischer und syrischer Desinformation und Propaganda. Zu behaupten, er habe für den MI6 und Al-Qaida gearbeitet, ist ein Widerspruch und krass. Er war ein erstaunlicher Offizier und humanitärer Helfer.
Le Mesurier sei getötet worden, behauptet de Bretton-Gordon schließlich in einem Tweet. Auch die Bild nutzte die Gelegenheit, um Russland an den Pranger zu stellen: "Zwei Tage zuvor hat ihn das russische Außenministerium zum Terroristen erklärt", raunte das Blatt in der Schlagzeile. Artikelverfasser Julian Röpcke schob auf seinem Twitter-Account hinterher:
Wer hauptverdächtig für seinen Tod ist, sollte damit auch klar sein.
Dieser "Logik" folgend: Wer vorab über geplante Mordanschläge in Kenntnis gesetzt werden möchte, der braucht dann wohl nur noch die Tweets des russischen Außenministeriums zu verfolgen?
Die Sensibilität und die Tränenseligkeit des britischen Offiziers de Bretton-Gordon und des verstorbenen Le Mesurier kann ich als in militärischer Psychologie geschulter ehemaliger Kriminalist durchaus nachvollziehen: Die Briten lieben doch ihre Spione, und die britischen Spione lieben sich, weil sie doch so erfolgreich sind. Doch Le Mesurier und de Bretton-Gordon sind keine Helden, sie haben versagt: Der Krieg in Syrien ist für sie vorbei, die Mission zum Regimewechsel gescheitert, ihre "Weißhelme" sind arbeitslos.
Al-Qaida mit an Bord: Vom NATO-Geheimdienstmitarbeiter zum Weißhelm-Gründer
Dabei fing das Geldverdienen für den ehemaligen britischen Infanterieoffizier James Le Mesurier mit dem Syrien-Krieg richtig gut an. Schon im September 2013 "schwitzte er in der Hitze von 40 Grad Celsius in Adana (Türkei) und trainierte eine Gruppe Syrer, die Mitglieder der von den Vereinigten Staaten finanzierten Syria Civil Defense, eine Elite-Crew von kampfbereiten Ersthelfern, werden wollten".
Mit leuchtenden Augen, eine Zigarette lasziv an den Lippen hängend, erklärte er dem Reporter Bryan Schatz vom Men's Journal: "Syrien. Es ist der Mount Everest der Kriegsgebiete – ein absoluter Albtraum." Schatz zeigte sich beeindruckt und bescheinigte dem Briten, den "gefährlichsten Job der Welt" zu verrichten.
Dafür war der 1971 in Singapur geborene und in England aufgewachsene Le Mesurier auch ausgesucht worden, kennt er sich mit Kriegen und der "Tätigkeit" in Konfliktgebieten doch sehr gut aus. Schon als junger Mann folgte er seinem Vater zum Militär, schloss das Studium an der renommierten Royal Military Academy Sandhurst als Klassenbester ab, wofür der Offizierskadett mit der Dienstnummer 536239 die Queen's Medal erhielt. In Nordirland diente er nachher als Royal Green Jacket.
Während der Jugoslawien-Kriege stand er schon weit oben auf der Karriereleiter: als hochrangiger britischer und NATO-Geheimdienstmitarbeiter diente er im Büro des Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina. Kurz nach der NATO-Intervention, zwischen Juli 1999 bis 2000, war er Geheimdienstkoordinator für Pristina, die Hauptstadt des Kosovo.
Dort fungierte er als Verbindungsoffizier zwischen Geheimdienstoffizieren verschiedener nationaler Kontingente in der Kosovo-Truppe (KFOR) mit der Aufgabe, die aus albanischen Warlords und Al-Qaida-Elementen bestehende paramilitärische UÇK (Befreiungsarmee des Kosovo) in das sogenannte Kosovo Protection Corps zu transformieren. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Le Mesurier "bekehrte" Al-Qaida-Kämpfer zu NATO-affinen Gesinnungsgenossen, die für Sicherheit und Stabilität im Lande sorgen sollten!
Im Jahre 2000 beendete der Brite seine militärische Laufbahn; zumindest offiziell. Die "zivile" Karriere führte ihn nun nach Jerusalem, wo er an der Umsetzung des Ramallah-Abkommens arbeitete. Danach zog es ihn als Sonderberater des irakischen Innenministers nach Bagdad und 2006 in den Libanon-Krieg. Bereits 2005 war er Vizepräsident für Sonderprojekte bei der in Dubai ansässigen privaten Söldnerfirma Olive Group geworden. Die fusionierte später mit der berüchtigten Blackwater-Academi zur heutigen Constellis Holdings.
Die Olive Group verließ Le Mesurier 2008, wurde Prinzipal von Good Harbor International, ebenfalls mit Sitz in Dubai, wo er sich auf Risikomanagement, Notfallplanung und dem Schutz kritischer Infrastrukturen spezialisierte; er trainierte mehrere Tausend Söldner für den Schutz der Öl- und Erdgasfelder in den Vereinigten Arabischen Emiraten, "sorgte für die Sicherheit" des Golfpokals 2010 im Jemen, einem regionalen Fußballturnier.
Weißhelme: Fingierte Chemiewaffeneinsätze für den Regime-Change
Le Mesurier behauptete, all diese Tätigkeiten hätten ihn als ehemaligen Karrieresoldaten nicht erfüllt. Als er dann von "den Kriegsgeschichten der Syrer hörte", sah er sich moralisch "verpflichtet", in der Türkei den "syrischen Zivilschutz", sprich die "Weißhelme", aufzubauen. Zuvor hatte er schon über die in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässige Beratungsfirma Analysis, Research and Knowledge (ARK) oppositionelle Syrer für den Einsatz im Kampfgebiet ausgebildet.
Es kam, wie es kommen sollte: 2014 gründete Le Mesurier seine Firma Mayday Rescue, angeblich in den Niederlanden; doch das digitale "Wayback"-Archiv zeigt noch eine Mayday-Adresse in Dubai. Und wie es sich für eine "Graswurzelbewegung" ziemt, schoben westliche Regierungen, das britische Verteidigungsministerium und das US-Außenministerium sofort Gelder in die Truppe: 55 Millionen US-Dollar vom britischen Außenministerium, mindestens 23 Millionen US-Dollar vom US Office of Transition Initiatives, unzählige Millionen US-Dollar aus Katar. "Spenden" kamen auch aus Kanada, Dänemark, Japan, den Niederlanden, Neuseeland. Auch die deutsche Bundesregierung ließ sich nicht lumpen, machte zwölf Millionen Euro für die "Weißhelme" locker, darunter für Helmkameras im Wert von 190.000 Euro.
Und James Le Mesurier enttäuschte seine Auftraggeber, die ihm das Geld mit vollen Händen zuwarfen, zu keiner Zeit: Seine zwielichtige "Weißhelm"-Truppe, die stets und ausschließlich in Gebieten in Syrien operiert, die von "Rebellen" kontrolliert wurden, hielt nicht nur Verbindungen zu radikal-islamistischen Kopfabschneidern, sie forderte auch regelmäßig wegen angeblicher "systematischer Menschenrechtsverletzungen und möglicher Kriegsverbrechen, die insbesondere durch das syrische Regime verübt werden" und deren Zeuge sie geworden sei, westliche Militärschläge gegen die Regierung in Damaskus.
Und der Modus Operandi war stets derselbe: Während sich die "Weißhelme" selbst filmten, stürmten sie medienwirksam in bombardierte Gebäude, um dort Überlebende zu befreien und auf diese Art und Weise den Nachweis zu liefern, wie grausam die routinemäßigen Bombenangriffe durch syrische und russische Militärflugzeuge seien. Höhepunkt des Filmschaffens der "Weißhelme" waren Seifenopern, die "Chemiewaffenangriffe" des syrischen Militärs gegen Zivilisten imitierten. Dankbar übernahmen westliche Medien Filmmaterial und Berichte der "Weißhelme", indes völlig unkritisch und ungeprüft.
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Kurzum: Der britische Ex-Geheimdienstagent James Le Mesurier hatte sein Konzept, das er als aktiver Militär nach dem NATO-Bombenangriff 1999 in Pristina noch im Auftrag der transatlantischen Kriegsallianzentwickelte, als "Zivilist" in Syrien weiter zur Perfektion getrieben.
Auch dort arbeitete er (wieder im Auftrag der USA, Großbritanniens und anderer NATO-Länder) mit extremistischen Gruppen wie Al-Qaida respektive ihres syrischen Ableger namens Nusra-Front zusammen, gewährte ihnen sozusagen Schutz, imitierte mit ihnen angebliche Verstöße der Regierungen in Moskau und Damaskus gegen das Kriegs- und Völkerrecht, um den gewünschten Regimewechsel in Syrien im Sinne seiner Auftraggeber zu befördern und ihnen einen Vorwand zu geben, militärisch zu intervenieren und so die völkerrechtswidrige Strategie der US-Koalition in Syrien zu verschleiern. Dazu passt das Statement eines prominenten Al-Qaida-Führers, der die "Weißhelme" seinerzeit ganz passend als "verborgene Soldaten der Revolution" betitelte.
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Die Journalistin Caitlin Johnstone fasste das Treiben des Briten so zusammen:
James Le Mesurier ist ein britischer Spezialist für private Sicherheit und ein ehemaliger britischer Geheimdienstler. Er weiß, wie man einen Psyop konstruiert. Er versucht, seine Kriegspropaganda-Firma weltweit als Franchise-Unternehmen zu etablieren, das Narrative für einen Regimewechsel produziert und von den etablierten Medien aggressiv verteidigt und gefördert wird. Die Anschuldigungen gegen ungehorsame Regierungen und Gruppierungen werden von westlichen Nachrichtensendern und Experten als Tatsachen vermeldet.
Die Umstände des Todes von James Le Mesurier müssen kriminalpolizeilich aufgearbeitet werden. Doch ebenso steht eine historische und juristische Aufarbeitung der Tätigkeit gewisser britischer Personen und Netzwerke während des Syrien-Krieges aus. Größtes Augenmerk sollte dabei auf das Wirken der befreundeten Offiziere James Le Mesurier und Hamish de Bretton-Gordon gelegt werden. Beiden wird eine Tätigkeit für den britischen Auslandsgeheimdienst MI6 nachgesagt, die ich so nicht behaupten kann, die aber von beiden auch nicht energisch bestritten wurde.
Zudem ist de Bretton-Gordon auch eine der anfänglichen Kontaktpersonen zu Elliot Higgins, heute Vorsitzender der antirussischen Propaganda-Plattform Bellingcat. Eine saubere juristische und internationale Untersuchung – unter Ausschluss der Kriegsparteien in Syrien – könnte durchaus der Schlüssel zur Klärung der syrischen Chemiewaffenvorfälle sein – mit überraschender Wendung.
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