Meinung

Moskau zur Zukunft des Gastransits durch die Ukraine: Erst absurde Forderungen aufgeben

Die Gaspipeline Nord Stream 2 kann nach der dänischen Genehmigung bis Jahresende fertiggestellt werden. Die Zukunft des Gastransits durch die Ukraine bleibt aber offen. Gegner warnen erneut vor "Gefahren durch Russland". Doch wie realistisch sind diese eigentlich?
Moskau zur Zukunft des Gastransits durch die Ukraine: Erst absurde Forderungen aufgebenQuelle: www.globallookpress.com

von Wladislaw Sankin

Seitdem Angela Merkel bei dem Besuch des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko im April 2018 zugesichert hat, die Ukraine als Transitland nach der Fertigstellung der Gaspipeline Nord Stream 2 nicht im Stich zu lassen, ist ihr Satz zu einer Formel geworden: "Ja" zu Nord Stream, doch "wir dürfen die Ukraine nicht vergessen". Wortwörtlich sagte sie damals:

Ohne dass wir Klarheit haben, wie es mit der ukrainischen Transitrolle weitergeht, ist Nord Stream 2 aus unserer Sicht nicht möglich.

Was sie in Anwesenheit des ukrainischen Präsidenten so scharf formulierte, wurde allerdings von den deutschen Regierungsvertretern in der Form nicht wiederholt. Auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt, in dem die Fristen für die Fertigstellung des Projekts nach dänischer Genehmigung wieder klarer wurden, gibt es keine Einigung zwischen Russland und der Ukraine bezüglich der Frage des künftigen Transits.

Das bringt den deutschen Transatlantikern von der Tagespresse wieder einmal die Gelegenheit, gegen das Projekt zu geifern. Sie zeigen sich äußerst besorgt über die Ukraine, denn das Land leide ohnehin schon an der "russischen Invasion" im Osten.   

Jetzt droht ihm auch noch der Verlust von Milliarden an Transitgebühren. Ohne Leitungen wäre die Ukraine aber auch strategisch in Gefahr: Russland könnte dann den Krieg eskalieren, ohne die Zerstörung seiner Exportadern zu riskieren", schreibt die FAZ.

Lassen wir die Propaganda beiseite und fragen: Inwieweit ist es realistisch, dass Russland mit beiden Nord-Stream-Pipelines nun jeden Krieg "eskalieren kann"? Denn da ist, so die FAZ weiter, auch von "Putins Abenteuern" im Baltikum die Rede. Hören wir uns zunächst einen O-Ton an. Kremlsprecher Dmitri Peskow äußerte sich am Sonntag im russischen Fernsehen ausführlich zur Transitfrage.  

Es sei offensichtlich, dass man das Gas auch weiterhin durch die Ukraine leiten muss; dieses braucht vor allem die Ukraine selbst, "andernfalls wird das Gasleitungssystem der Ukraine zusammenbrechen".

Wird Russland seine Möglichkeiten ausnutzen, um Europa über andere Wege mit Gas zu versorgen? Eindeutig nicht. 

Es hänge aber nicht allein von Russland ab, sondern auch von der Ukraine, ob russisches Gas weiter durch die Ex-Sowjetrepublik fließe. Dabei verwies Peskow vor allem auf die Forderung des ukrainischen Gasunternehmens Naftogaz gegen den russischen Gaskonzern Gazprom in Höhe von zwölf Milliarden US-Dollar. Diese bezieht sich auf Transitgebühren, die der Ukraine entgehen würden, sollte der Transit über die Ukraine künftig zum Erliegen kommen. Um bei den Verhandlungen weiterzukommen, müsste die Ukraine auf diese Forderungen verzichten. Doch bislang ist geschieht das Gegenteil: Am 1. November reichte Naftogaz die Forderung beim Stockholmer Schiedsgericht ein.

Auch ein anderer Rechtsstreit ist bereits seit Jahren ein Zankapfel zwischen den russischen und ukrainischen staatlichen Energieunternehmen – Entschädigungszahlungen in Höhe von 2,6 Milliarden US-Dollar durch Gazprom, gemäß dem Beschluss eines Stockholmer Schiedsgerichts mit der Begründung, Russland habe der Ukraine weniger Gas zur Durchleitung bereitgestellt als vereinbart. Gazprom stritt dies ab und ging in Berufung.

Seit Monaten sagen russische Vertreter, damit verhandelt werde, "müssen alle juristische Streitigkeiten beigelegt werden", so auch jetzt.

Wie können wir über etwas reden und eine Art Vereinbarung treffen, wenn sich ein solcher Wahnsinn bei den Schiedsgerichten fortsetzt. Und Putin hat klar gesagt: Leute, lasst uns zuerst einige ziemlich absurde Anforderungen aufgeben und dann eine Vereinbarung treffen", sagte Peskow.

Doch es gilt als sicher, dass der ukrainische Transit im Jahr 2020 auch ohne einen langfristigen Vertrag fortgesetzt wird. Gestritten wird noch über die Höhe des Mindestvolumens, das langfristig durch das Pipelinenetz gepumpt wird. Im Jahre 2019 waren es 90 Milliarden Kubikmeter. Die ukrainische Nationalbank geht in den nächsten zwei Jahren von 50 bzw. 30 Milliarden Kubikmeter aus. Die Ukraine will Russland für die nächsten zehn Jahre an eine bestimmte Mindestmenge binden. 

Nach Angaben des Generaldirektors des russischen Nationalen Energiesicherheitsfonds, Konstantin Simonow, sind nach der vollständigen Inbetriebnahme von Nord Stream 2 und Turkish Stream eine Menge von zehn Milliarden Kubikmetern möglich. Diese Zahlen hat der Gazprom-Chef als realistisch und für die russische Seite als rentabel eingeschätzt. Der Vorschlag der EU bei den Dreier-Verhandlungen lag bei 40 Milliarden. Die Kapazität von Nord Stream und Nord Stream 2 beträgt je 55 Milliarden Kubikmeter pro Jahr und jene von Turkish Stream 31 Milliarden jährlich. Im vergangenen Jahr hat Russland 206 Milliarden Kubikmeter Edgas nach Europa geliefert, in diesem wird es mehr sein. Pro Jahr nimmt die Ukraine bis zu drei Milliarden Dollar an Transitgebühren ein, was im letzten Jahr 0,9 Prozent des BIP entsprach. 

Es ist eindeutig, dass auch von russischer Seite hart über den Transit verhandelt wird. "Natürlich werden sie (die Russen) nicht jeden Preis für den Transit durch die Ukraine zahlen", schrieb jüngst das Handelsblatt. Aber das Drohpotenzial der Ukraine sei nicht unerheblich. Die Verhandlungspartner der Russen seien keine Waisenknaben, zudem sei der Umgang der Ukraine mit den Einnahmen aus dem Transit intransparent, "gleichzeitig verrottet das Gasnetz". Im Handelsblatt hieß es weiter:

Nord Stream 2 kann nur einen Teil des Transits ersetzen, der im Moment noch durch die Ukraine erfolgt. Wenn der russische Gazprom-Konzern auch in Zukunft als vertragstreuer Lieferant für die EU wahrgenommen werden will, muss er dafür sorgen, dass es keine Brüche gibt. Eine Situation wie 2012, als deutsche Industriekunden Anlagen abschalten mussten, weil kein Gas mehr strömte, wollen die Russen auf jeden Fall vermeiden.

Wächst in der deutschen Presse nun also das Vertrauen in die ökonomische Vernunft und Zuverlässigkeit der Russen als Lieferanten? Sie waren immer da, haben die deutschen Wirtschaftsvertreter und Befürworter des Projekts aus der Regierung stets gesagt. Was die Gegner unter den Transatlantikern angeht, deren "Ängste" die FAZ zum Ausdruck bringt, können sie nun nicht mehr als "Rückzugsgefechte" liefern.

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