Meinung

Nach gescheiterter Syrienpolitik bleibt Israel als US-Trigger – Teil 2

Der Rückzug der US-Soldaten aus den kurdischen Gebieten in Nordsyrien folgt einem Muster, das sich im Operationsgebiet des United States Central Command (CENTCOM) vollzieht. Die Realität zwingt das einst wichtigste Kommando der US-Vormachtstellung zur Kurskorrektur.
Nach gescheiterter Syrienpolitik bleibt Israel als US-Trigger – Teil 2Quelle: AFP © Sebastian Scheiner

von Zlatko Percinic

Der Mittlere Osten ist für die USA längst nicht mehr so wichtig, wie es in den vergangenen Jahrzehnten der Fall war. Die Vereinigten Staaten wurden zu einem Energieexporteur und brauchen das arabische Erdöl oder Gas nicht mehr. Der Irakkrieg hat die politische Landkarte in der Region für immer verändert, aber nicht so, wie man es sich in Washington vorgestellt hatte. Stattdessen versuchen verschiedene Akteure wiederholt, die USA in immer neue militärische Abenteuer zu verwickeln, obwohl US-Präsident Donald Trump nach Wegen sucht, den militärischen Fußabdruck zu verkleinern. Nicht zuletzt auch aufgrund der prekären finanziellen Situation, in der sich sein Land befindet.

Dass Trump es ernst meint, zeigt sich auch in einer unangekündigten Militärübung, bei der am 28. September das Kommando des für 60 Millionen US-Dollar errichteten Combined Air Operations Center (CAOC) am Al-Udeid Luftwaffenstützpunkt in Katar an die Shaw Air Force Base im US-Bundestaat South Carolina übertragen wurde. Man wird künftig in den USA stundenweise die Leitung des CAOC übernehmen, um so für sämtliche Eventualitäten in der Region vorbereitet zu sein, erklärte Colonel Trey Coleman, Kommandeur des 609. Air Operations Center. Obwohl das CAOC der Stützpunkt der globalen Anti-IS-Koalition ist und Militärangehörige aus diversen Ländern beherbergt, testete Washington explizit das Kommando des Air Force Central Command, der für den Mittleren Osten und Zentralasien zuständigen US-Luftwaffe, und sorgte damit für einen nicht eingeplanten freien Tag in Katar.

Der Abzug von US-Truppen aus Syrien wurde bereits vergangenen Dezember von Trump völlig überraschend angekündigt. Dies sorgte für eine Protestwelle in den Medien und im US-Kongress. US-Verteidigungsminister James Mattis trat deshalb sogar zurück. Obwohl der US-Präsident nach einigen Wochen zurückruderte und von einem phasenweisen Rückzug sprach, hätten die Kurden alarmiert sein müssen. Ihnen hätte klar sein müssen, nachdem die türkische Regierung von Recep Tayyip Erdoğan in den vergangenen Jahren stets betont hatte, dass Ankara niemals einen wie auch immer gearteten kurdischen Staat entlang seiner Grenze akzeptieren werde, über kurz oder lang zu einem Schlag gegen die Kurden ausholen wird.

Der Vorwand kam schließlich unter dem Deckmantel der innenpolitischen Belastung durch 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge in der Türkei. Kein anderes Land beherbergt so viele Flüchtlinge aus Syrien, wie die Türkei. Und kein anderes Land will sie haben. Das weiß Erdoğan. Aus diesem Grund plante er zusammen mit den USA, eine sogenannte Sicherheitszone entlang dem syrisch-türkischen Grenzgebiet zu errichten, um die Rückkehr von bis zu einer Million Flüchtlingen nach Syrien zu ermöglichen. Nur widerwillig stimmten die USA diesem Plan zu, weil allen Beteiligten klar war, was das bedeutete: Ein Ende der PYD-Herrschaft in dem Grenzgebiet. Aus türkischer Sicht war das ein cleverer Schachzug.

Kaum hatten sich die Türkei und USA auf die Errichtung einer vermeintlichen Sicherheitszone geeinigt, die gemeinsam von türkischen und US-Truppen kontrolliert werden sollte, kritisierte Erdoğan die USA:

Wir verhandeln mit den USA über eine Sicherheitszone, aber wir sehen mit jedem Schritt, dass das, was wir wollen und was sie vorhaben, nicht das Gleiche ist. Es scheint, dass unser Alliierter nach einer Sicherheitszone für die Terrororganisation schaut, aber nicht für uns.

Nachdem Trump nicht einmal Saudi-Arabien zu Hilfe eilte, als am 14. September die zwei wichtigsten Erdölanlagen des Landes bei einem kombinierten Drohnen- und Raketenangriff getroffen wurden, standen die Chancen nahezu bei null, dass er die Kurden vor einem befürchteten türkischen Angriff verteidigen würde. Zumal es sich bei der Türkei um ein NATO-Mitglied handelt. Hätte Trump die US-Soldaten nicht abgezogen, wäre es zu einer Situation gekommen, in der sich Truppen zweier NATO-Staaten gegenübergestanden hätten. Dies galt es um jeden Preis zu verhindern. Das Schicksal der Kurden war damit besiegelt und der Traum von Rojava geplatzt.

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Dass Washington einen Teil seiner Soldaten dennoch in Syrien lässt, und zwar in den umliegenden Dörfern der Ölfelder in der Provinz von Deir ez-Zor, zeigt, wo die Prioritäten liegen. Offiziell will man so verhindern, dass das Öl nicht erneut in die Hände des IS gerät, erklärte US-Verteidigungsminister Mark Esper. Zudem haben Israel und Jordanien formell darum gebeten, dass die USA nicht sämtliche Truppen abziehen.

Nach dem Krisentreffen mit dem türkischen Präsidenten reiste US-Außenminister Mike Pompeo weiter nach Israel. Dort traf er sich mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Mossad-Chef Jossi Cohen. Dabei ging es insbesondere um die Zusicherung, dass ein Abzug der US-Truppen aus Syrien nicht bedeutet, dass man das Feld anderen Akteuren wie dem Iran überlässt. Ganz im Gegenteil. Gegenüber der Jerusalem Post sagte Pompeo, dass die Vereinigten Staaten von Amerika schon immer "sehr klar" kommuniziert hätten, das Israel nach eigenem Ermessen handeln dürfe.

Israel hat das fundamentale Recht so zu handeln, um die Sicherheit seines Volkes zu gewährleisten. Es ist der Kern dessen, dass Nationalstaaten nicht nur das Recht haben das zu tun, sondern eine Verpflichtung.

Nachdem Washington der Türkei grünes Licht für den Einmarsch in Syrien gab, erteilte man jetzt ebenfalls Israel grünes Licht, um im Namen der nationalen Sicherheit weiterhin nach Gutdünken in Syrien und anderen Ländern der Region zuzuschlagen. Weshalb aber nur Israel das Recht dazu haben soll, die Sicherheit der eigenen Bevölkerung zu gewährleisten, ließ Pompeo allerdings unbeantwortet. Ebenso heuchlerisch ist die allgemeine Verurteilung der türkischen Militäroperation in Syrien durch deutsche Politiker als "völkerrechtswidrig". Selbstverständlich ist der Vormarsch völkerrechtswidrig, aber solche Bedenken hatten die selben Politiker nicht, als die USA, Frankreich und Kanada ihre Soldaten illegal in Syrien operieren ließen. Oder als die Türkei im August 2016 bereits Bodentruppen für die Operation "Schutzschild Euphrat" über die Grenze schickte. 

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