Meinung

Ist der Rubikon nun überschritten? Alternative Journalisten machen gegen den Krieg mobil

Man hatte sich zuletzt fast schon an die mediale Kriegshetze gewöhnt. Aber seit der ZDF-Doku "Alte Bündnisse – neue Bedrohungen" gibt es für die Friedensbewegung keine Ausflüchte mehr. Nun macht sie publizistisch mobil – und ein Medium ist ganz vorne mit dabei.
Ist der Rubikon nun überschritten? Alternative Journalisten machen gegen den Krieg mobil© Screenshot

Jene Friedensaktivisten, die die Proteste der 1980er-Jahre noch selbst miterlebt hatten, klagen seit Jahren über die offenkundige Schwäche der heutigen Friedensbewegung. "Für den Frieden" auf die Straße zu gehen, ist wohl einfach nicht mehr "in". Selbst das Aufflammen des Ukraine-Konfliktes und die folgenden wachsenden Spannungen zwischen der EU und Russland haben nicht für spürbar wachsenden Zulauf gesorgt, große Proteste auf den Straßen bleiben aus.

Umso zorniger klingen dann viele kritische Wortmeldungen und Texte, die man immer häufiger im Internet zum Thema "Krieg und Medien" findet. Eines der Portale, das solche publizistischen Kräfte neuerdings bündeln will, ist Rubikon, das erst seit zwei Jahren online ist. Aufbauend auf dem grundsätzlichen Verständnis, dass die allermeisten gesellschaftlichen Konflikte getarnte Verteilungskonflikte seien, schreibt der Herausgeber des Portals, der Buchautor und Medienkritiker Jens Wernicke, auf unsere Anfrage hin:

Unser gemeinsames Anliegen ist der Frieden, der von unserer Seite aus nur durch einen 'radikalen Humanismus' jenseits des politischen Lagerdenkens, Diffamierungen etc. zu erringen sein wird.

Dementsprechend unüberhörbar "radikal" verkündet er auch seinen Aufruf auf Rubikon für eine große spezielle Artikelreihe, die dem Thema "Krieg und Medien" gewidmet ist:

Das Menschheitsverbrechen ist bereits geplant, die Kriegsvorbereitungen laufen. Truppen werden gen Osten verlegt und die Straßen in Richtung Russland panzerfest gemacht. Und selbstverständlich wird, um das Feindbild des bösen Russen wieder einmal in den Köpfen und Herzen der Menschen zu verankern, politisch und medial gelogen, dass sich die Balken biegen, wird Geschichte verfälscht und ist grundsätzlich jedes Mittel recht und kein 'Kollateralschaden' zu groß.

Dann folgt der Aufruf:

Es ist daher höchste Zeit, aufzustehen. Zeit, die eigene Stimme zu erheben. Zeit, Position zu beziehen. Für jeden und jede von uns.

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Die Sprache ist messerscharf, es klingt nach Flugblatt. Jede Behauptung aber ist verlinkt mit Verweisen auf Artikel der Plattform – oft ausführliche Essays der besten kritischen Intellektuellen im deutschsprachigen Raum. Ein großer Zauberberg mit sprachlicher Wucht versteckt sich dahinter.

Wernicke hat es – nach eigenen Angaben – vermocht, an die 500 Autoren, die "etwas zu sagen haben", unter die Fittiche seines Verlages zu bringen. Bei der schieren Masse an Texten, die er verwaltet, ist ein professionelles Lektorat unverzichtbar. Und darauf ist er besonders stolz, da "alle große Verlage die Lektorate allesamt schließen".

Die Webseite, die sich als "friedenspolitisches Online-Magazin" bezeichnet, wird basisdemokratisch ausschließlich durch Kleinstspenden finanziert. Derzeit erreicht sie nach eigenen Angaben jeden Monat etwa 150.000 Menschen und hat bereits rund 15.000 feste Newsletter-Abonnenten. Wernicke ist jetzt dabei, auch seine Strategie im Bereich soziale Medien grundlegend zu ändern und Plattformen wie Facebook wegen "zunehmender Zensur und Meinungsunterdrückung" zu verlassen – "um eigene Infrastruktur aufzubauen".

Als Autor hofft Wernicke, Autor von Büchern wie "Der medial-politische Komplex aus Gütersloh" (über die Bertelsmann-Stiftung), "Lügen die Medien?" und "Fassadendemokratie und Tiefer Staat" (als Herausgeber mit Ulrich Mies), die, zumeist als Bestseller, die deutsche Medienlandschaft immer wieder wachrüttelten, dass sein Portal wenigstens die politisch wachsamen Bürger erreicht.

Wenn wir mit der Zeit also 'nur' fünf oder zehn Prozent der Bevölkerung dafür zu sensibilisieren vermögen, wie sehr man sie von oben anlügt, instrumentalisiert und betrügt, ja, dann reichte das bereits aus, um mittels dieser 'kritischen Masse', die ja ausstrahlt und auch alle anderen berührt, den Kriegshetzern von oben die Wahrheit von unten entgegenzusetzen und damit auch größere Prozesse auszulösen.

Also besteht sein Ziel nicht darin, die "Meinungsherrschaft" zu erringen, denn dies sei "in Zeiten allgegenwärtiger Hetze und Parteilichkeit" sowieso unmöglich, sondern vielmehr darin, den geschlossenen Propagandadiskurs dermaßen aufzubrechen, dass große Lücken entstehen, durch die sichtbar werden kann, wie Kriege wortwörtlich "gemacht werden".

Mit anderen Worten – durch Rubikon sollen die Leute nicht nach, sondern schon vor Kriegsbeginn klüger und vor allem noch aktiver werden. Beim Stöbern durch die mittlerweile unübersehbaren Landschaften des Online-Magazins stößt man immer wieder auf bekannte Namen – kurzum, die Crème de la Crème der parteiübergreifenden Medien- und Gesellschaftskritik.

Darunter ist der Wissenschaftler und Publizist Ulrich Teusch, der mit seinem Buch "Lückenpresse" vor drei Jahren für Aufsehen sorgte. Damals konnte RT mit ihm über seine Erkenntnisse sprechen. Seitdem ist seine Sprache noch klarer und kritischer geworden – ohne dass die intellektuelle Brillanz dabei verloren ging. Wir fragten ihn wieder für ein Interview an, aktuell konnte es aber aus familiären Gründen (noch) nicht zustande kommen.  

Auch der Chefredakteur von RT Deutsch Ivan Rodionov hat bei Rubikon einen Beitrag mit dem Titel "Die Medien spielen Krieg" veröffentlicht.

Die Mainstream-Medien schüren Kriegsstimmung gegen Russland, verbreiten Propaganda und erklären Russia Today zum 'Feindsender'", steht leider sehr treffend im Teaser zu seinem Artikel.

Der aktuelle Anlass für dieses immer wiederkehrende Thema ist die am 1. August ausgestrahlte "waffenklirrende und kettenrasselnde" ZDF-Reportage "Alte Bündnisse – neue Bedrohungen" aus einem in westlichen Medien nunmehr seit Jahren sehnlichst herbeigeredeten Kriegsgebiet im Osten Europas.

Wernicke sieht RT und Rubikon dem gleichen medialen Druck permanenter Diffamierung ausgesetzt. Dieses Gefühl einer Schicksalsgemeinschaft ist nicht irgendeiner angeborenen oder eingeimpften "Russlandfreundlichkeit" geschuldet, sondern der bloßen Gewissheit: "Der Russe war’s eben nicht!"

Journalismus ist, sich an die eigene Nase zu fassen, und etwa in Zeiten konkret laufender Kriegsvorbereitungen nicht immer dieselbe opportune Platte des 'Der Russe war's!' zu bedienen, sondern hinter dieser Hetze die Wahrheit zu sehen: Deutschland, die EU und USA bereiten einen völkerrechtswidrigen Angriff auf Russland vor.

Für engagierten Journalismus steht deshalb auch der Titel des letzten Freitags/Samstags-Special des Online-Magazins "Frieden mit Russland!", das am 18. August veröffentlicht wurde. Dabei hat sich die Redaktion auch einen kleinen Spaß erlaubt, denn der Spruch "Der Russe war’s" ist übrigens gegen Spende auch als kostenloser Sticker bei Rubikon erhältlich.

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