Dr. Gniffkes Macht um Acht: Bei Kolumbien guckt ARD-Aktuell gerne weg

Die Heckenschützen der Tagesschau feuern nur auf Ziele nach Vorgabe der Bundesregierung. Das betrifft vor allem die Einschätzung der Lage in Venezuela. Doch auch beim Nachbarstaat Kolumbien wird gerne mal ein Auge zugedrückt.
Dr. Gniffkes Macht um Acht: Bei Kolumbien guckt ARD-Aktuell gerne wegQuelle: Reuters © Carlos Garcia Rawlins

von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam

Vergleichen ist bekanntlich ein Lernverfahren. Rückschluss: Wird Ihnen, dem Fernsehnachrichten-Konsumenten, eine bedeutende Vergleichsmöglichkeit vorenthalten – ARD-aktuell ist darin routiniert – dann wird Ihnen der Zugang zu Erkenntnissen erschwert, schlimmstenfalls sogar verschlossen. Sie werden manipuliert. Ihre Entscheidungsfähigkeit, Ihre soziale Kompetenz, Ihre Souveränität sind berührt. Wie das im Einzelfall vor sich geht, soll hier eine Kritik an der Nachrichtengestaltung über Kolumbien aufzeigen. Im Unterschied zur verstiegenen Berichterstattung über das Nachbarland Venezuela findet der miserable Alltag der Kolumbianer kaum Berücksichtigung in der Tagesschau. Das "Flaggschiff der ARD" hat Schlagseite. Und das ist gewollt so.

Wenn es gilt, vermeintlichen Machtmissbrauch, Mangelwirtschaft, soziale Fehlentwicklungen oder Demokratiedefizite in Russland, in der Volksrepublik China, in Syrien oder jetzt gerade in Venezuela anzuprangern, dann ist die ARD-aktuell kaum zu bremsen. Sie "berichtet" bis zur völligen Abstumpfung des Zuschauers, in allen Formaten und Varianten. Ihre Übertreibungen relativiert sie nicht, ihre Falschmeldungen korrigiert sie nicht; sie beschuldigt und behauptet, statt getreulich zu beschreiben und zu belegen. Es soll, es muss was hängen bleiben an jenen "Regimes" und  "Machthabern", die nicht so sind und sein wollen, wie der Wertewesten und seine Leitmedien inklusive ARD-aktuell sie gerne hätten.

Vor der eigenen Tür kehrt man im Wertewesten nicht. Ob Gegengewalt protestierender Gelbwesten in Frankreich, jugendliche palästinensische Opfer israelischer Scharfschützen, faschistoide Rechtsbeugung in spanischen Schauprozessen gegen Katalanen und Basken, Nazi-Umtriebe in der Ukraine oder Friedensdemonstrationen und Blockaden im pfälzischen Ramstein: Schon ist die ARD-aktuell wortkarg. Oder Chefredakteur Gniffke lässt die "Staatsräson-Karte" ziehen, dann folgt ein Propaganda-Exkurs.

Unverkennbar und erweislich orientiert sich die Nachrichtenauswahl dieser Qualitätstruppe an Blickwinkel und Partikularinteresse der Merkel-Regierung. Die Gniffkes ecken nicht an. Das unterscheidet Regierungsfunker und Hofberichterstatter vom Journalisten. Der fände sich fragwürdig und verächtlich gemacht, wenn man ihn als "Qualitätsjournalist" bezeichnete.

Vergleichen wir die Berichterstattung über Kolumbien mit jener über den Nachbarstaat Venezuela: Der deutliche Unterschied in der Aufmerksamkeit für Menschenrechts- und Demokratie-Defizite zeigt einen Zynismus, vor dem viele Nachrichtenschreiber der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nur so strotzen. Zugleich entblößt er, wie weit Gniffkes Leute Heuchelei und Doppelmoral der "Westlichen Werte-Gemeinschaft" in den eigenen Arbeitsstil aufgenommen haben.

Die Bundesregierung unterhielt bis zum Rauswurf ihres Botschafters Kriener aus Venezuela zwar diplomatische Beziehungen zu Caracas, aber von deren Pflege kann schon seit zwei Jahrzehnten keine Rede mehr sein. Gehässig und in typisch deutscher Arroganz betrachten das Kabinett Merkel und die Bundestagsmehrheit den Aufbau des Sozialismus in Venezuela und gestalten den Umgang mit der Regierung Maduro entsprechend destruktiv. Ganz anders hingegen sehen die deutsche Einschätzung Kolumbiens und der Umgangsstil mit diesem Land aus:

Deutschland und Kolumbien pflegen enge politische, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen. Kolumbien gehört zu den Kooperationsländern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, mit denen die Bundesrepublik auf Basis zwischenstaatlich vereinbarter Verträge eng zusammenarbeitet. Die Zusammenarbeit besteht seit mehr als 50 Jahren....

Was kümmert es Merkel und Co., dass 27 (!) Prozent der kolumbianischen Bevölkerung unterhalb der nationalen Armutsgrenze leben – und die liegt klaftertief unter der deutschen! – und dass 6,5 Prozent Hungersymptome zeigen? Und was kümmert das die Tagesschau? Die hat keine Zeit für Kolumbiens Elende, sie muss doch andauernd wegen der Armen in Venezuela kritteln und stänkern...

Einkommen und Vermögen in Kolumbien sind im regionalen wie auch im globalen Vergleich extrem ungerecht verteilt. Nach dem sogenannten Gini-Index (Statistik zur Darstellung von Ungleichverteilungen) gehört Kolumbien zu den zehn Ländern mit der größten Ungleichheit weltweit.

Im Index der "menschlichen Entwicklung" liegt Kolumbien 14 Ränge hinter Venezuela. Von Beachtung und Schutz der Menschenrechte ist in Kolumbien, anders als in Venezuela, kaum eine Spur zu finden. Im Welt-Ranking für Pressefreiheit rangiert Kolumbien auf Platz 130, tief im unteren Drittel. Massenüberwachung, Morde, schwere Körperverletzung, Psychoterror und Einschüchterung bestimmen den journalistischen Alltag.

Die Wahrheitskommission zur Befriedung der kolumbianischen Gesellschaft und zur Aussöhnung mit der FARC-Guerilla sowie die Sonderermittlungseinheit der Generalstaatsanwaltschaft zur Zerschlagung krimineller Organisationen sind auf sich gestellt und werden von der kolumbianischen Regierung kaum unterstützt. Die Todesschwadronen der Großgrundbesitzer können schalten und walten. Nach Angaben der staatlichen Ombudsbehörde haben Angriffe auf Verfechter der Menschenrechte in den letzten drei Jahren drastisch zugenommen: 431 mutige Männer und Frauen wurden in den vergangenen drei Jahren ermordet. Allein im Jahr 2018 waren es 172. Dennoch habe die "Nationale Kommission für Sicherheitsgarantien" fünf Monate lang nicht getagt, klagt das katholische Hilfswerk Misereor.

Interessieren die miserablen menschenverachtenden Zustände die deutsche Regierung? Nein. Was folgt daraus für die Nachrichtengestaltung der ARD-aktuell? Ignorieren, wegschauen, schweigen. Ergo fand auch der gewaltsame Tod jener elf Menschen nur qualitätsjournalistisches Desinteresse, die vor einigen Tagen für ihre Rechte demonstriert hatten und dafür mit ihrem Leben bezahlen mussten. Elf Tote? Das waren doch bloß indigene Kolumbianer...

Die Indigenen hatten protestiert, weil mehr als 1.300 Zusagen nicht eingelöst worden waren, die ihnen von den letzten Regierungen gegeben worden waren. 1.300 (!) Einzelgarantien, unter anderem die gleichberechtigte Aufnahme der ethnischen Gruppen in den Nationalen Entwicklungsplan und die Anerkennung der landlosen Bauern als Rechtssubjekte.

Bitte beachten Sie den Unterschied: Wenn ein venezolanischer Großbürger Guaidó sich selbst zum Präsidenten ernennt, weil ihn die USA für den Putschversuch abgerichtet und geschmiert haben, ist er wochenlang ein Aufmacher-Thema für die Tagesschau. Obwohl er nichts als ein windiger krimineller Aufwiegler ist, dem allerdings der deutsche Außenminister Heiko der Große umgehend seinen Segen gab. Wenn hingegen elf kolumbianische Indigene demonstrieren, um zu bekommen, was ihnen zusteht und ihre Regierung ihnen versprach und aufgrund ihres Protests massakriert werden, dann behält der Qualitätsjournalist das für sich. Was sagt solche Nachrichtengewichtung über ARD-aktuell aus?

Die Hamburger Experten im Selektieren bieten zwecks Verschleierung ihres Missbrauchs politisch genehme Menschel-Geschichten (engl.: stories with human touch) aus dem Grenzland. Sie lenken das Augenmerk von Kolumbien ab und auf die als "humanitäre Hilfsaktion" ausgegebenen Umsturzmanöver des CIA-Hampelmannes Guaidó an der venezolanisch-kolumbianischen Grenze. In der Begleitberichterstattung aus dem kolumbianischen Städtchen Cúcuta gilt die journalistische Aufmerksamkeit plötzlich dem Los schwangerer Frauen – aus Venezuela. Das Schicksal verarmter und verfolgter schwangerer Frauen in Kolumbien interessiert hingegen einen Dreck. Herz-Schmerz-Journalismus im Interesse eines reaktionären, von den USA gesponserten Großmauls ist angesagt.

Das Leid von Frauen und Kindern als Thema der politischen Propaganda gilt nicht erst seit Nazis Zeiten als hocheffizient. Missbräuchliche, manipulative Appelle an menschenfreundliche Empfindsamkeit scheinen in unserer Zeit aber von Krieg zu Krieg an Intensität noch zuzunehmen. ARD-aktuell spielt das widerwärtige Spiel mit. Ohne Rücksicht auf staatsvertragliche Pflichten, journalistische Grundsätze, berufsethische und moralische Grenzen: Der von "Weißhelmen" angeblich aus Trümmern geborgene Bub Omram und das "Twittermädchen" Bana Alabed aus Aleppo oder auch die im Irakkrieg entführte US-amerikanische Soldatin Jessica Lynch sind Protagonisten dafür, wie eine verkommene Journalistenriege das Mitgefühl ihres Publikums benutzt und parteiisch kanalisiert.

"Schwangere Frauen suchen verzweifelt Hilfe im Nachbarland Kolumbien, die ihnen dort trotz eigener Schwierigkeiten solidarisch gewährt wird": Das ist das Schema der hier angesprochenen Story. Sie assoziiert die Beschuldigung, "sozialistische venezolanische Behörden verweigern schwangeren Frauen humanitäre Unterstützung, aber die Kolumbianer, der eigenen Armut trotzend, erweisen sich als grenzenlos hilfsbereit."

Früher fanden solche verlogenen Schmalzgeschichten allenfalls Platz in der Yellow Press. Heute entsprechen sie dem ARD-aktuell-Niveau. Sie erklären weder den Konflikt in Venezuela noch erhellen sie die Verhältnisse in Kolumbien. Sie sagen nichts Substanzielles über Südamerika, aber alles über redaktionelle Unanständigkeit. Der Beitrag entspricht in der Zielsetzung dem, was der US-Geheimdienst CIA vor 15 Jahren schon für die Berichterstattung aus Afghanistan empfohlen hatte:

Afghanische Frauen sind der ideale Botschafter, um den Kampf der ISAF-Truppen gegen die Taliban human erscheinen zu lassen.

Unter solch einem Sichtschutz lassen sich die gemeinsten Kriegsverbrechen begehen und kaschieren, in Afghanistan und weltweit. Logisch, er eignet sich auch zum Verschleiern der Lage in Kolumbien. Aktuell heißt das Gebot: Mund halten über Kolumbiens Elend; wenn schon Information, dann über Venezuela und nach Möglichkeit gemäß der Formel "Mütter gegen Machthaber Maduro".

Warum so viel Verschwiegenheit bezüglich Kolumbiens? Weil es über keine überragenden Ölvorkommen verfügt und daher nicht von so großer geostrategischer Bedeutung ist wie Venezuela? Weil es als Heimat des Koka-Anbaus und der Drogenkartelle allenfalls literarisches Interesse finden darf? (Wer liest schon noch Bücher). Und weil die deutsche Regierung Kolumbien zum bevorzugten Handelspartner in Südamerika auserkoren hat, damit jedoch ebensowenig unangenehm auffallen will wie mit ihrer lebhaften Unterstützung, Kolumbien als "globalen Partner" in das NATO-Militärbündnis einzubeziehen? Soll das alles dem kritischen Blick des deutschen Beobachters entzogen bleiben?

Soweit ist die ARD-aktuell inzwischen verkommen: In Kolumbien sind dank seiner erbärmlichen sozialen Zustände und der allgegenwärtigen mörderischen Gewalt 7,7 Millionen Binnenflüchtlinge unterwegs – mehr als in Syrien! – , die nicht einmal dann Erwähnung in der öffentlich-rechtlichen Nachrichtenshow finden, wenn die vollkommen beweislos über angeblich eine Million (!) Venezolaner berichtet, die – ausgerechnet! – nach Kolumbien geflohen seien. Kein Wort über die unzähligen Menschenrechtsverletzungen dortselbst. Nichts über das vollständige Versagen der Behörden, Gewalttaten zu verhindern oder wenigstens strafrechtlich zu verfolgen.

Über Rechtlosigkeit und Terror schweigt die ARD-aktuell einfach hinweg. Sie schickt lieber der Bundesregierung ergebene Luftküsschen nach Berlin und unterschlägt derweil die Verbrechen der kolumbianischen Paramilitärs und deren Vernetzung mit Armeeführung, Großgrundbesitzern und politischem Establishment. Entführung, Folter, Verstümmelung und Ermordung von Kritikern, Anschläge auf Gewerkschafter, ungezählte "Verschwundene", Strafvereitelung seitens der Behörden: Über dieses Kolumbien berichtet die Tagesschau nicht.

Stattdessen so herum: Unter dem Titel "Kolumbien: Tief gespalten und verunsichert" bietet tagesschau.de einen Text nach den Regeln des desinformativen Schreibens: Nenne keine Ursachen und keine Verantwortlichen. Gib keinen Hinweis auf Illegales und Illegitimes. Beschreibe keinen Kontext und keine historischen Zusammenhänge. Verschweige vor allem staatliche Repression, verschweige mörderisches Treiben der Plutokraten, jener kleinen Oberschicht, die das Volk terrorisiert und verantwortlich ist für das Aufkommen revolutionärer Guerilla-Organisationen.

ARD-aktuell berichtet in typischer Oberflächlichkeit über die festgefahrenen Verhandlungen mit den kolumbianischen Rebellengruppen und über das Attentat auf eine Polizeischule mit 21 Toten, ausgeübt von Guilleros der Gruppe ELN. Unverkennbar teilt die Redaktion dabei aber den Blickwinkel der kolumbianischen Elite. Deshalb findet sich im Text auch kein Wort darüber, dass die Vereinten Nationen kürzlich in einem Bericht über die Lage in Kolumbien nach dem Friedensschluss mit der Rebellengruppe FARC beklagt haben, seither seien 85 von deren ehemaligen Kämpfern ermordet worden, 14 erst in den letzten drei Monaten. Seit Jahresbeginn seien zudem weitere vier politisch motivierte Morde bekannt geworden.

Stattdessen ist bei tagesschau.de zu lesen:

Zahlreiche bewaffnete Gruppen streiten sich um das Erbe der FARC, ihre Drogenrouten und Koka-Plantagen – das Geschäft boomt.

Diese Halbwahrheit über ein vorgebliches "Erbe" der FARC als Objekt konkurrierender Kämpfergruppen ist pure Meinungsmache. Erstens werden dabei die Ursachen der Gewalt ignoriert, nämlich die vollkommene Verelendung der Massen in einer anarchische Zustände fördernden Plutokratie. Es wird dabei zugleich übergangen, dass neben einigen "linken" bewaffneten Gruppen auch rechtsradikale Paramilitärs im Auftrag der Eliten beteiligt sind, und dass sogar staatliche Sicherheitskräfte beim Handel mit Drogen als einem wesentlichen "Wirtschaftsfaktor" mitmachen.

Allein im Jahr 2017 sind laut Verteidigungsminister Luis Carlos Villegas 927 Polizisten und 132 Militärs wegen verschiedener "Irregularitäten" ihrer Ämter enthoben worden. Welche Verbrechen verbergen sich konkret hinter so einer verschleiernden Formel? Wurden die geschassten Uniformierten in Abhängigkeit von der Schwere ihrer Straftaten verurteilt? Antworten darauf finden sich nicht.

Auch tagesschau.de erweist sich da nicht als bemüht aufklärerisch. Im Gegenteil, die ARD-aktuell malt ein verständnisvoll retuschiertes Bild von Kolumbien, ganz im Sinne und im Interesse der deutschen Bundesregierung. Erschiene der "NATO-Globalpartner" Kolumbien verdientermaßen im Lichte eines von Grund auf verdorbenen und korrupten Staatswesens mit kriminellen Strukturen, dann fiele das zumindest teilweise auf unsere Regierung zurück; sie stünde unausgesprochen unter Anklage der billigenden Mitwisserschaft und der Kumpanei mit Politgangstern.

Das geht natürlich gar nicht. Es würde schließlich bestätigen, dass aus Berliner Sicht jedes Regime, auch ein bezüglich der Menschenrechtslage indiskutables, ein Verbündeter sein kann, wenn es nur auf transatlantischer "Linie" liegt. Zur Verschleierung dieser politischen Amoral und humanitären Prinzipienlosigkeit erzeugen die Regierung und die ihr hörigen Medien fürs deutsche Publikum eine Fata Morgana mit den Illusionen "Demokratie" und "Menschenrechte".

Deutschland ist mit einem Volumen von 2,35 Milliarden Euro (2017) größter Handelspartner Kolumbiens in der Europäischen Union. Wie schädlich-schändlich dieser Handel aussieht, zeigt die Begründung einer Anfrage der Grünen an die Bundesregierung:

Neben Russland und den USA ist Kolumbien der wichtigste Lieferant von Kraftwerkskohle. ... Laut kolumbianischen und internationalen Menschenrechtsorganisationen kommt es beim Steinkohleabbau in Kolumbien zu schweren Menschenrechtsverletzungen und gravierender Umweltzerstörung. Die Steinkohlegewinnung führt zu massenhaften Vertreibungen und Gewaltakten gegen die Zivilbevölkerung sowie gegen Umweltaktivistinnen und Umweltaktivisten und Kritikerinnen und Kritiker der sozialen und ökologischen Ausbeutung.*

Zu ergänzen wäre hier: Die kolumbianische Kohleproduktion ist voll im Griff weniger internationaler Konzerne mit Sitz in den USA bzw. der Schweiz; es bestehen auch enge Verbindungen zu deutschen Unternehmen. Menschenrechtler bezeichnen die Herrschaftspraxis der Konzerne über die kolumbianischen Ressourcen als "Kohlekolonialismus". Seine Profite werden den Kolumbianern weitgehend vorenthalten und ins Ausland transferiert.

Die Bundesregierung bestätigt zwar, Kenntnis von Morden, Vertreibungen und Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem Steinkohlebergbau zu haben, lässt aber gleichzeitig erkennen, dass sie effektiv nichts dagegen unternimmt. Weder werden Sanktionen verfügt noch Handelseinschränkungen veranlasst noch politischer Druck in anderer Form ausgeübt. Über die Gewaltexzesse habe man – so die Antwort auf die Anfrage – mit der kolumbianischen Regierung gesprochen und die Berliner "Sorge" hinsichtlich der prekären Menschenrechtssituation und der Bedrohung und Verfolgung von sozialen Aktivisten zum Ausdruck gebracht. Aber letztlich sei es Angelegenheit der EU, sich mit der Problematik zu befassen. 

Und wie reagieren die Grünen auf solche oberfaulen Ausweichmanöver? Wie reagiert die gesamte Opposition im Bundestag? Was machen die korporierten Massenmedien aus dem Vorgang? Und die Tagesschau?

Mit anderen Worten: Uns hat scheißegal zu sein, was in Kolumbiens Kohlerevieren wirklich passiert. Hauptsache, wir kriegen, was wir haben wollen...

Diese "anderen Worte" werden natürlich nicht vom Tagesschau-Sprecher geäußert. Sein Laden vermittelt neutralistisch das Bild einer sachgerecht arbeitenden deutschen Regierung. Obwohl die parteiisch jede Gelegenheit nutzt, verbale Attacken wegen "Menschenrechtsdefiziten" gegen Venezuela, China oder Russland zu reiten, zugleich aber auf ganzer Linie versagt, wenn wirtschaftliche Interessen unserer Geldeliten ein angemessenes Engagement zum Beispiel in Kolumbien als nicht ratsam erscheinen lassen.

Die Tagesschau ist unabhängig, objektiv und überparteilich, sagt ihr Chef. Stimmt ja, es gehört zu Dr. Gniffkes "vornehmsten Aufgaben ... Illusion zu erzeugen und aufrechtzuerhalten." **

RT Deutsch bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

 

Das Autoren-Team: 

Friedhelm Klinkhammer, Jahrgang 1944, Jurist. 1975 - 2008 Mitarbeiter des NDR, zeitweise Vorsitzender des NDR-Gesamtpersonalrats und des ver.di-Betriebsverbandes sowie Referent einer Funkhausdirektorin.

Volker Bräutigam, Jahrgang 1941, Journalist. 1975 - 1996 Mitarbeiter des NDR, zunächst in der ARD-Tagesschau, nach 1991 in der NDR-Hauptabteilung Kultur. Danach Lehr- und Forschungsauftrag an der Fu-Jen-Universität Taipeh. 

Anmerkung der Autoren:

Unsere Beiträge stehen zur freien Verfügung. Wir schreiben nicht für Honorar, sondern gegen die „mediale Massenverblödung“ (in memoriam Peter Scholl-Latour). Die Texte werden auf der Seite https://publikumskonferenz.de/blog dokumentiert.

* Deutschland bezieht aus Kolumbien doppelt so viel Steinkohle, wie es selbst an Braunkohle produziert. Die deutschen Kohlekraftwerke haben einen bis zu 20 Prozent niedrigeren Effizienzgrad als moderne Gaskraftwerke, doch diese mussten wegen der deutschen Überproduktion von Strom zumeist schon abgeschaltet werden. Ihre Betreiber haben, anders als die der wesentlich klimaschädlicheren Kohlekraftwerke, keine staatlichen Abnahmegarantien.

** Ulrich Teusch in: "Der Krieg vor dem Krieg" (Vorwort), Westend Verlag, Frankfurt/Main 2019, ISBN: 978-3-86489-243-1

 

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