Heils Mogelpackung: "Respekt-Rente" hilft vielen Armen nicht

Neuer schöner Name, wieder wenig Inhalt: Unter dem Titel "Respekt-Rente" versprechen die SPD und ihr Arbeitsminister Wohltaten für arme Ältere. Die sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Viele Betroffene würden gar nicht erreicht, so mancher Wohlhabende hingegen schon.
Heils Mogelpackung: "Respekt-Rente" hilft vielen Armen nichtQuelle: www.globallookpress.com

von Susan Bonath 

Die Kosten für Mieten, Nahverkehr und anderes steigen, die Löhne und Renten halten dabei nicht mit. Die Angst vor Altersarmut geht um, und wieder einmal will die SPD ein Pflaster mit hübschem Namen aufkleben. "Respekt-Rente" nennt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sein mit jährlich fünf Milliarden Euro beziffertes Vorschlags-Paket. Kurz erklärt: Wer mindestens 35 Jahre für wenig Lohn sozialversicherungspflichtig erwerbstätig war, dem soll die Rente aus Steuermitteln auf derzeit knapp 900 Euro aufgestockt werden. 

Zu teuer für CDU, FDP und AfD 

Der CDU und der FDP ist dies zu teuer. Sie kritisieren zudem, Heil wolle die Zuschüsse nach dem "Gießkannen-Prinzip" verteilen. Die AfD beklagt, dass hier nur "der Steuerzahler geschröpft" werde, freilich ohne die wachsenden Ausgaben für Aufrüstung, Diäten und Beamten-Bezüge zu thematisieren. 

Sogar Heils Parteikollege, Bundesfinanzminister Olaf Scholz, hatte vor einem drohenden 25-Milliarden-Euro-Loch im Haushalt bis 2023 gewarnt und orakelt: "Die fetten Jahre sind vorbei." CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer will das Thema am kommenden Mittwoch auf die Tagesordnung des Koalitionsausschusses setzen. 

Kritik von links: Arme bleiben arm, Reiche reich 

Kritik kommt aber auch von links. Ihr Kernpunkt: Die meisten wirklich armen Rentner profitierten von der "Respekt-Rente" gar nicht. Stattdessen kämen auch Hunderttausende Vermögende in ihren Genuss, sogar Millionärsgattinnen. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, erklärte dazu: Die von Heil vorgeschlagene Grundrente sei "zwar ein wichtiger Schritt, um verdeckte Armut zu beseitigen". "Ein Großteil altersarmer Menschen wird aber nicht erreicht", mahnte er in dieser Woche. 

Schneider rät zu weiteren Maßnahmen: Weil viele Lohnabhängige nicht auf 35 Erwerbsjahre kämen, müsse eine Grundrente schon nach 25 Berufsjahren gelten. Um wirklich etwas gegen die grassierende Altersarmut zu tun, müsse der Staat zudem auch jene berücksichtigen, die selbst diese Beitragsjahre nicht erreichten. Deshalb, so Schneider weiter, sei ein Freibetrag auf die Sozialhilfe nötig, so ähnlich, wie es ihn bei Hartz IV derzeit ausschließlich auf Erwerbseinkommen gibt. 

Damit würden die ersten 100 Euro der Rente nicht auf die Sozialhilfe angerechnet, vom Rest blieben 20 Prozent frei. So würden auch Rentner ohne private oder betriebliche Vorsorge nicht mehr benachteiligt. Auf diese Art Altersbezüge gibt es nämlich einen Freibetrag von bis zu 212 Euro. 

Nur jeder vierte Sozialhilfe-Aufstocker profitiert 

Laut Statistischem Bundesamt steigt die Zahl der Grundsicherungsbezieher tendenziell an. Inzwischen liegt sie bei knapp 1,1 Millionen Menschen. Diese sind etwa zur Hälfte erwerbsunfähig und jünger als 65. Der Rest befindet sich im Altersruhestand. Allerdings gehen Experten davon aus, dass Hunderttausende bedürftige Rentner aus Scham nicht zum Sozialamt gehen und so teils weit unterhalb des Existenzminimums leben. 

Nun informierte aber die Rentenversicherung, dass maximal 130.000 Betroffene aus dieser Gruppe, also weniger als ein Viertel der mit Sozialhilfe aufstockenden Rentner, überhaupt von Heils Grundrente profitierten, weil sie eben nicht auf 35 Beschäftigungsjahre kommen. Insgesamt jedoch könnten rund vier Millionen Ältere die Aufstockung erhalten. 

Grundrente schützt in teuren Gegenden nicht vor Armut 

Kurzum: Viele Bezieher der "Respekt-Rente" wären aufgrund von Vermögen oder leistungslosen Einkünften, wie Mieten und Pachten etwa, gar nicht bedürftig. Und das Gros der heute wirklich Bedürftigen bliebe arm. Arbeitsminister Heil lehnt es allerdings ab, die finanzielle Situation der Anwärter zu prüfen. 

Abgesehen davon: Von knapp 900 Euro ist mancherorts kaum eine kleine Zweiraumwohnung zu finanzieren. So liegt etwa in München der Sozialhilfesatz für die Wohnkosten für eine alleinstehende Person aufgrund der hohen Mieten schon bei mehr als 700 Euro warm. Alle Betroffenen dort müssten auch mit Heils "Respekt-Rente" beim Sozialamt aufstocken. Ihre Situation hätte sich damit kein Stück geändert. Der Arbeitsminister verweist bei diesem Vorwurf auf das Wohngeld, das Betroffene beantragen könnten. 

Minister will Rentenpunkte aufstocken 

Doch wie soll das Rentenkonzept des SPD-Arbeitsministers genau funktionieren? Heil will niedrige Rentenansprüche auf 0,8 Entgeltpunkte pro Beschäftigungsjahr aufstocken. Damit könnten sie bis zu 14 solcher Rentenpunkte mehr als bisher erwerben. So kämen sie auf ein Plus von bis zu 448 Euro im Westen und knapp 430 Euro im Osten. Am Ende liegt die Rente somit bei derzeit knapp 900 Euro. 

Das Prinzip mit den Rentenpunkten funktioniert wie folgt: Im Osten Deutschlands lag deren Wert zuletzt bei 30,65 Euro, im Westen bei 31,99 Euro. Um pro Jahr einen kompletten Rentenpunkt zu sammeln, müssen Betreffende allerdings auf den bundesweit zugrunde gelegten durchschnittlichen Jahresbruttolohn kommen. Der lag 2018 bei rund 37.900 Euro, also etwa 3.160 Euro monatlich. Wer mehr Lohn erhält, bekommt mehr Rentenpunkte, mit weniger gibt es weniger, also eine kleinere Rente. 

Massive Lohn- und Rentenunterschiede in Ost und West bleiben 

Das Problem sind nicht nur die enormen Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt, verbunden mit Massen-Erwerbslosigkeit in den 20 Jahren nach dem Anschluss der DDR an die BRD. Millionen Ostdeutsche hielten sich damals mit prekären Jobs und Scheinselbständigkeit über Wasser, ohne in die Kassen einzahlen zu können. Andere haben jahrelange Episoden mit Erwerbslosigkeit hinter sich. So können dort viele gar nicht auf 35 Erwerbsjahre kommen. 

Ein weiteres Desaster ist die regional unterschiedliche Lohnentwicklung. Noch immer hinkt der Osten weit hinterher. So lag laut einer Auswertung der Bundesagentur für Arbeit (BA) der Durchschnittslohn abhängig Vollzeit-Beschäftigter im sächsischen Landkreis Görlitz im Jahr 2017 bei gerade 26.200 Euro brutto pro Jahr, was gerade 0,7 Rentenpunkten Ost entspricht – macht 21,50 Euro pro Jahr und 753 Euro monatliche Rente nach 35 Jahren Arbeit. Selbst dafür müsste er einen Stundenlohn von rund 13 Euro erhalten. Viele Beschäftigte bekommen noch weniger. 

Im bayrischen Ingolstadt lag der mittlere Verdienst hingegen bei 55.600 Euro, was etwa 1,4 Rentenpunkte bringt. Damit würde sich der dortige Durchschnittsverdiener also jedes Jahr 45 Euro mehr Rente sichern. Nach 35 Erwerbsjahren käme er so auf eine Bruttorente von 1.575 Euro. Ein Ende dieser Unterschiede zwischen Ost und West ist fast 30 Jahre nach dem Mauerfall nicht abzusehen.

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