Der Feind steht im Osten: BDI sagt China den Kampf an
von Hasan Posdnjakow
Chinas Aufstieg zur größten Wirtschaftsmacht ist längst eine unbestrittene Tatsache. Schon seit einigen Jahren hat die Volksrepublik die Vereinigten Staaten überholt. Deutsch-Europa steht längst im Schatten des Riesenreiches. Mit gigantischen Wirtschaftsinvestitionsplänen schmiedet Peking die Zukunft Eurasiens – auf der Basis von gegenseitigem Respekt und Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des anderen. Das ist auf die sozialistische Ausrichtung der Volksrepublik zurückzuführen.
US-Präsident Donald Trump hatte schon vor einigen Jahren bezüglich des östlichen Konkurrenten Alarm geschlagen. Jetzt holt auch der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) nach und fordert einen schärferen Kurs gegen Peking. In einem Grundsatzpapier wirft der Zentralverband der deutschen Großkonzerne der Volksrepublik unter anderem Preis-Dumping, Übernahmen europäischer Technologie-Firmen und staatliche Eingriffe in die Wirtschaft vor und beschwört einen neuen Systemwettbewerb "zwischen unserem Modell einer liberalen, offenen und sozialen Marktwirtschaft und Chinas staatlich geprägter Wirtschaft".
Das Papier stellt fest, dass die These, China werde sich aufgrund der seit Ende der 1970er-Jahre durchgeführten Reformen in Richtung westlichen Kapitalismus entwickeln, mittlerweile nicht mehr tragfähig sei.
China entwickelt sich strukturell kaum mehr in Richtung Marktwirtschaft und Liberalismus, sondern ist im Begriff, sein eigenes politisches, wirtschaftliches und gesellschaftliches Modell zu verwirklichen.
In China herrsche eine Mischform zwischen marktwirtschaftlichen Elementen und staatlicher Lenkung vor. Eigentlich dürfte das für niemanden eine Überraschung sein, da die chinesischen Kommunisten schon seit vielen Jahren erklären: "Wir weichen nicht vom Sozialismus ab." Die "Mischform" nennen sie "Sozialismus chinesischer Prägung". Warum sich der BDI über folgende Feststellungen aufregt, bleibt also rätselhaft:
"Die führende Rolle der Partei im Staat" ... "Eine staatliche Beeinflussung der Faktorenpreise (...) sowie indirekte oder direkte Subventionen für einzelne Unternehmen oder ganze Branchen" ... "Eine aktive staatliche Industrie- und Innovationspolitik zur Erlangung von Technologievorherrschaft" ... Der Staat als "zentraler Marktakteur, (...) der Unternehmens- und Branchenentscheidungen lenkt".
Diese Eigenschaften des chinesischen politischen und wirtschaftlichen Systems können nur diejenigen beanstanden, die die voreiligen Jubel der bürgerlichen Presse naiv geglaubt hatten, China sei inzwischen ganz kapitalistisch, ohne sich mit den Tatsachen auseinanderzusetzen.
Zwischen den Zeilen kann man aus dem Grundsatzpapier herauslesen, worum es den deutschen Großindustriellen tatsächlich geht:
Zwar bekennt sich die chinesische Politik auf internationalen Foren zu einer marktwirtschaftlichen Öffnung und macht Versprechungen hinsichtlich der Unterstützung freien Handels und der etablierten globalen Ordnung, doch die Praxis bleibt hinter den Erwartungen westlicher Firmen hinsichtlich überzeugender und allgemeinverbindlicher Öffnungsschritte zurück.
Als die Firmen aus der BRD in China tätig wurden, erwarteten sie wahrscheinlich, dass sie (wie es im Fall der DDR und später nahezu des gesamten ehemals sozialistischen Europa zutraf) sich völlig frei bewegen und früher oder später einen entscheidenden Einfluss auf die Regierung gewinnen könnten, um ihre Profite noch weiter zu steigern. Jetzt müssen sie aber eingestehen, dass die chinesische Regierung, die danach strebt, eine moderne sozialistische Gesellschaft aufzubauen, nicht nach der Pfeife westlicher Monopolisten tanzt, sondern dem chinesischen Volk dient.
China nutzt sein politisches und wirtschaftliches Gewicht, (...) um eigene Interessen im Ausland durchzusetzen."
Welches Land tut dies nicht? Muss diese absolut normale Tatsache wirklich in einem BDI-Grundsatzpapier so banal niedergeschrieben werden? Viel interessanter wäre es, zu schauen, wofür China seine Macht nutzt. Da würde sich nämlich herausstellen, dass China bei Beziehungen zu anderen Staaten stets auf die Prinzipien des internationalen Rechts achtet, etwa das Prinzip der Souveränität und Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer Staaten, im Gegensatz zu den westlichen Staaten, die unter dem Deckmantel der Menschenrechte eine imperialistische Strategie der Ausbeutung und Machterweiterung betreiben.
Bei aller klassenbedingter Opposition gegen das sozialistische China räumt der BDI jedoch ein:
Als dynamisch wachsender Markt bleibt China einer der wichtigsten wirtschaftlichen Partner. (...) An einer konfliktorientierten wirtschaftlichen, politischen und technologischen Einhegung Chinas oder einer Entkoppelung von China hat die deutsche Industrie kein Interesse.
Entblößt man den Kerngedanken hinter dieser luftigen Sprache, steht da geschrieben: "Wir hassen zwar die chinesischen Kommunisten und würden viel lieber unsere eigene Herrschaft in China etablieren, aber dazu sind wir nicht stark genug. Da wir in China große Profite einfahren, müssen wir uns irgendwie mit der aktuellen Lage zufrieden geben."
Der BDI stellt fest, dass China in zunehmendem Maße selbst hochwertige Güter herstellt und somit zum direkten Konkurrenten für viele deutsche Unternehmen wird.
Dabei ist die wachsende Konkurrenz nicht allein Ausdruck eines dynamischen Unternehmertums in China, sondern auch maßgeblich durch gezielte staatliche Förderung und Lenkung begründet.
Aus Angst vor der chinesischen Konkurrenz spricht sich der BDI für EU-weite Maßnahmen zum Schutz der europäischen (also vor allem deutschen) Großkonzerne aus. Dafür erhebt der BDI 54 Forderungen.
Unter anderem soll das EU-Kartellrecht gelockert und die Bildung noch größerer Monopole geduldet werden. Die Kooperation zwischen ziviler und militärischer Forschung soll gefördert werden. Um genügend Fachkräfte für die Industrie zu sichern, sollen neben weiteren Ausbildungsmaßnahmen "auch arbeitsmarktorientierte Zuwanderung" eingeleitet werden. Zudem tritt der BDI für eine größere Rolle des Staates bei der Förderung von Bildung und Forschung ein.
Der Industriellenverband fordert auch ein stärkere Eigenständigkeit Deutsch-Europas:
Gemessen am BIP ist die EU der global größte Binnenmarkt. Diese wirtschaftliche Stärke sollte die EU insbesondere gegenüber China und den USA stärker in politisches Selbstbewusstsein übertragen.
Entgegen den Protesten, Massenbewegungen und Wahlergebnissen in den anderen EU-Ländern fordert der BDI eine noch engere Bindung der EU-Staaten. Das tut er nicht aus irgendwelchen altruistischen Beweggründen, sondern weil die EU als Struktur systematisch die deutsche Großindustrie begünstigt und es ihr ermöglicht, zu günstigen Konditionen in das gesamte Wirtschaftsgebiet der EU zu exportieren und gleichzeitig für die Arbeiter in Deutschland möglichst geringe Löhne zu zahlen.
Das Grundsatzpapier der Großkonzerne beinhaltet Punkte, die viele andere EU-Staaten (vor allem die kleineren) endgültig in den Status abhängiger Kolonien herabsetzen würden, da selbst die Außenpolitik nun von Brüssels/Berlin aus bestimmt werden würde. Beispielhaft dafür etwa die Forderung: "EU-Positionen dürfen nicht durch konterkarierende Handlungen der Mitgliedsstaaten verwässert werden".
Im wirtschaftlichen Gebiet fordert der BDI die Verschärfung von wirtschaftlichen Restriktionen gegen chinesische Staatsfirmen sowie mutmaßlich vom chinesischen Staat subventionierten Firmen und die Verschärfung von Handelseinschränkungen gegen China wegen angeblich unerlaubten Handelspraktiken chinesischer Firmen. So soll es den EU-Staaten etwa erlaubt werden, EU-Unternehmen zu subventionieren, sollten sie auf einem Markt außerhalb der EU mit anderen subventionierten Unternehmen konkurrieren.
Letztlich spricht sich der BDI für eine "außen und außenpolitische Offensive" in Eurasien, Lateinamerika und Afrika aus, um die dortigen Regierungen vor den bösen Chinesen zu warnen, oder wie es das BDI ausdrückt: "Aufklärungsarbeit zu leisten". Die chinesischen Investitionen in diesen Ländern im Rahmen der Neuen Seidenstraße seien mit erheblichen Risiken verbunden und würden zur Überschuldung gegenüber Peking führen. Dagegen seien "nachhaltig und transparent gestaltete" Projekte (natürlich aus Deutsch-Europa) vorteilhaft:
Gleichzeitig muss das europäische Engagement in diesen Ländern verstärkt werden.
Vorsichtig warnt das BDI am Schluss des Papier davor, sich allzu sehr auf China als Absatzmarkt zu verlassen, und plädiert für "diversifizierte Handelsbeziehungen". Die EU müsse dies fördern, indem sie zusätzliche Handelsabkommen mit anderen Ländern schließt.
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