Meinung

Dr. Gniffkes Macht um Acht – Mieses Maaßen-Nachspiel

ARD-aktuell-Chef Kai Gniffke will dem ehemaligen Präsidenten des Verfassungsschutzes ans Bein pinkeln, aber so richtig traut er sich wohl doch nicht. Aus gutem Grund: Ein bisschen Recherche zeigt, dass sich Maaßen lediglich im Tag geirrt hatte.
Dr. Gniffkes Macht um Acht – Mieses Maaßen-Nachspiel

von Friedhelm Klinkhammer, Volker Bräutigam

Ach, wie gerne wohl hätte ARD-aktuell-Chefredakteur Dr. Kai Gniffke dem Seehofer-Schützling Hans-Georg Maaßen noch richtig eins auf die Nuss gegeben. Weil der, so sieht es Qualitätsjournalist Gniffke, über die TV-Nachrichten aus Hamburg in einer Weise gesprochen habe, die dazu angetan sei, "die Tagesschau in Misskredit zu bringen". Und das sogar vor dem Innenausschuss des Bundestages! Das geht gar nicht. Also holt Dr. Gniffke aus – und schifft, wie so oft, daneben. Mit einem unappetitlich-unaufrichtigen Beschwerdebrieflein an Maaßen, Kopie an den Bundestags-Innenausschuss. Aus seiner Seite tagesschau.de hält er die Chose sorgfältig raus.

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Wir zitieren dieses Schreiben auszugsweise im Wortlaut nach einem Faksimile, das auf der eher halbseidenen Boulevard-Seite www.buzzfeed.com/deveröffentlicht wurde. Es ist adressiert an "Herrn Präsident Dr. Hans-Georg Maaßen, Bundesverfassungsschutz", ausgefertigt auf dienstlichem Briefbogen "Dr. Kai Gniffke, Erster Chefredakteur, ARD" und datiert vom 20. September 2018:

Sehr geehrter Herr Dr. Maaßen, in den vergangenen Tagen wurde das Protokoll der Sitzung des Innenausschusses des Bundestages vom 12. September öffentlich, in der Sie ausführlich zu den Ereignissen in Chemnitz Stellung genommen haben. Dabei haben Sie fünfmal über die Tagesschau gesprochen. Leider decken sich Ihre Aussagen nicht mit den nachprüfbaren Fakten und sind angetan, die Tagesschau in Misskredit zu bringen. Bitte erlauben Sie mir deshalb ein paar Klarstellungen. 1. In keiner einzigen Sendung hat die Tagesschau am 27. August die Begriffe 'Hetzjagd' oder 'Menschenjagd' verwendet. Jede andere Behauptung ist wahrheitswidrig. (...) Die von Ihnen genannte Ausgabe der Tagesschau um 20.00 Uhr steht seit dem 27. August unverändert im Netz und dient der Wahrheitsfindung (...)

Da Ihre Aussagen angetan sind, den untadeligen Ruf der Tagesschau zu beschädigen, erlaube ich mir, eine Kopie dieses Schreibens der Vorsitzenden des Innenausschusses sowie den Obleuten der Fraktionen zukommen zu lassen. Da ich davon ausgehe, dass Sie auch in Ihrer neuen Funktion an der einen oder anderen Sitzung des Innenausschusses teilnehmen werden, wäre ich Ihnen bei Gelegenheit für eine Richtigstellung in diesem Gremium dankbar. Mit freundlichen Grüßen (gez. Dr. Kai Gniffke)" Kopie: An die Vorsitzende des Innenausschusses, Frau Andrea Lindholz, MdB An die Obleute der Fraktionen: Herrn Armin Schuster Herrn Burkhard Lischka Herrn Dr. Gottfried Curio Frau Linda Teuteberg Frau Ulla Jelpke Frau Filiz Polat.

Man fasst es nicht. Der Tagesschau-Chefredakteur wirft dem vormaligen Verfassungsschützer Maaßen vor, den Bundestags-Innenausschuss belogen zu haben. Maaßen hatte unter anderem dargelegt, er habe sich genötigt gesehen, zu einem Video aus Chemnitz und zu der Bemerkung Stellung zu nehmen, dort habe es "Hetzjagden" auf Migranten gegeben. Maaßen wörtlich:

Mir ging es gar nicht hierum, in die Frage Hetzjagd einzusteigen, sondern mir ging es darum deutlich zu machen, dass wir verhindern müssen, dass (...) Internetvideos bis in die Hauptausgabe der Tagesschau kommen und die Leute in diesem Land verrückt machen.

Zwar hätte der Jurist Maaßen wissen müssen, dass es ihm als einem Geheimdienstchef in gar keiner Weise erlaubt ist, zu "verhindern", dass irgendetwas in eine TV-Nachrichtensendung gelangt; das Grundgesetz schließt in Artikel 5 solche Versuche kategorisch aus. Doch nicht besagte verbale Entgleisung Maaßens weist Spitzenqualitätsjournalist Gniffke zurück, sondern ihn stört Maaßens Behauptung, die Tagesschau habe am 27. August von "Hetzjagden" gesprochen. Das sei geeignet, "den untadeligen Ruf der Tagesschau zu beschädigen". Die Tagesschau habe am 27. August in keiner einzigen ihrer Ausgaben das Wort "Hetzjagd" gebraucht.

Was folgert er daraus? Droht er mit einer Klage auf strafbewerte Unterlassungsverpflichtung? Nein. Verlangt er ultimativ einen Widerruf? Nein. Bringt er auf der von ihm selbst verantworteten Seite tagesschau.de eine Richtigstellung, informiert er die Öffentlichkeit? Nein. So hätte ein Chefredakteur mit Rückgrat und blütenweißer Weste reagiert, der sich seiner guten Sache sicher ist. Gniffke aber macht lieber einen auf Bittsteller:

... wäre ich Ihnen bei Gelegenheit für eine Richtigstellung in diesem Gremium dankbar,

schreibt er an Maaßen und gibt Briefkopien denunziatorisch gleich schon mal selber an den Innenausschuss weiter.  

Er hat allen Grund, nur kleine Brötchen zu backen. Es stimmt zwar, die Tagesschau hat tatsächlich am 27. August in keiner ihrer Ausgaben selbst das Wort "Hetzjagd" gebraucht. Sie hat nur den Regierungssprecher Seibert mit einer entsprechenden Aussage im O-Ton zitiert. Einen Tag später, am 28. August, hat sie dann selbst mit richtig voller Kanne ausgeschenkt:"...Hetzjagden auf Migranten, Hass und Ausschreitungen…" und "...nach den Ausschreitungen, der Hetzjagd auf Ausländer...".

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Maaßen hat sich lediglich um einen Tag im Datum vertan. Dass Gniffkes Qualitätsjournalisten eben doch auch selbst über "Hetzjagden" gesprochen hatten, verschwieg ihr Chef in seinem schäbigen Brieflein lieber und spielte die Unschuld vom Lande. Ob er Maaßen und die Bundestagsabgeordneten für zu blöd oder zu faul hielt, über seinen so aufdringlich zur "Wahrheitsfindung" offerierten Link zur Tagesschau vom 27. August hinaus sicherheitshalber selbst mal in der Mediathek die Tagesschau vom 28. August anzugucken?

Nun fragt sich bloß noch, wie sein fieses Schreiben so exklusiv und schnell auf die Seite www.buzzfeed.com/de/ gelangen konnte. Ach ja, deren vormalige Chefredakteurin Juliane Leopold ist kürzlich trotz ihrer wenig eindrucksvollen fachlichen Erfahrung zur Leiterin der Seite tagesschau.de avanciert. Es bleibt also doch nicht mehr viel zu fragen. Wohl aber bleibt ein kräftiges Rüchlein nach Intrige und Hinterfotzigkeit, das den ganzen Vorgang durchzieht.

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Das Autoren-Team:

Friedhelm Klinkhammer, Jahrgang1944, Jurist. 1975 bis 2008 Mitarbeiter des NDR, zeitweise Vorsitzender des NDR-Gesamtpersonalrats und des ver.di-Betriebsverbandes sowie Referent einer Funkhausdirektorin.

Volker Bräutigam, Jahrgang 1941, Redakteur. 1975 bis 1996 im NDR, zunächst in der Tagesschau, von 1985 an in der Kulturredaktion für N3. Danach Lehr- und Forschungsauftrag an der Fu-Jen-Uni in Taipeh. 

Anmerkung der Autoren:

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