"Putins Spiele" und die Qualitätsmedien (V) – Heute: "WM brummt, Donbass brennt"

Fußballweltmeisterschaft – und das auch noch in Russland! Diese explosive Mischung, kurz "Putins Spiele" genannt, versetzt die deutschen Qualitätsmedien in strudelnde Erregung. – Ein kontinuierlicher genauerer Blick auf Berichterstattung und Kommentare.
"Putins Spiele" und die Qualitätsmedien (V) – Heute: "WM brummt, Donbass brennt"Quelle: www.globallookpress.com © Global Look Press

von Leo Ensel

Sie kennen den Unterschied zwischen einem Vorurteil und einem Ressentiment? Beim Vorurteil wird der anderen Seite ohne vorherige Abgleichung mit der Realität ein bestimmtes Attribut zugeschrieben. Nicht weiter tragisch. Passiert jeden Tag überall und macht jeder. Schließlich kann man nicht immer alles selber nachprüfen. Beim Ressentiment dagegen wird dem Anderen das Existenzrecht abgesprochen. Er kann tun, was er will – immer ist es verkehrt! Klassisches Beispiel: der Antisemitismus. Sind die Juden arm, sind sie Schmarotzer – sind sie reich, saugen sie die Gesellschaft aus! Was für die vom Ressentiment Betroffenen, wie nicht zuletzt die Nazis demonstrierten, im Ergebnis natürlich keinen Unterschied macht.

Was Russland angeht, so kann dieses Land es unseren Qualitätsmedien anscheinend ebenfalls nie recht machen! So warnte wenige Tage vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft die ARD in einem offenbar auf die Schnelle aus reichlich disparaten Versatzstücken zusammengenähten 50-Minuten-Beitrag eindringlich vor der besonders gefährlichen russischen Hooligan-Szene. Bislang ist diese während der WM jedoch nicht öffentlich in Erscheinung getreten, sodass Spiegel Online am Dienstag – man hat den Eindruck: fast enttäuscht – einräumen musste:

Die Fans feiern nicht nur auf Moskaus Straßen bis tief in die Nacht hinein. Ausgelassen und friedlich. Von den befürchteten russischen Hooligans fehlt jedenfalls jede Spur. Und auch die sonst so übereifrige Polizei hat sich in die fast schon ungewohnte Rolle des bloßen Ordnungshüters zurückgezogen. Die Beamten lassen die Fans gewähren. Ein Idyll von Weltmeisterschaft, könnte man sagen.

Der ominöse Unterton des letzten Satzes kündigt es an: Da kann selbstverständlich was nicht stimmen! Und der Ausweg ist schnell gefunden. Wenn es schon auf der WM in Russland nicht knallt, dann wenigstens im Donbass! Der, damit es sich gut anhört, mit rund 1000 Kilometern „nur einige Stunden Autofahrt südwestlich von Moskau“ entfernt ist.

Die nun folgende Argumentation ist besonders raffiniert, bedient sie sich doch der delikaten Technik, die Wahrheit zu lügen. Qualitätsjournalist Maxim Kireev zitiert aus dem Kommersant den Vize-Chef der OSZE-Beobachter, Alexander Hug, nach dessen Angaben die Lage im Osten der Ukraine gegenwärtig so angespannt sei wie noch nie in diesem Jahr.

Gleichzeitig wies Hug beiden Seiten die Verantwortung für die Eskalation der Gewalt zu. Sowohl die ukrainische Armee als auch die prorussischen Separatisten würden aufeinander feuern und schwere Waffen außerhalb der Sperrzonen einsetzen.

Wohlgemerkt: beide Seiten! Hat Spiegel Online auch korrekt zitiert. Da aber im Folgenden ausschließlich Präsident Putin mit seiner Bemerkung aus der Livesendung „Der direkte Draht“ zitiert wird, ein Versuch Kiews, während der WM die abtrünnigen Gebiete zurückzuholen, werde schwerwiegende Folgen für die ukrainische Staatlichkeit haben, bleibt subkutan hängen: Der Alleinschuldige an allem ist Russland!

Jetzt schnell noch mal die 10.000 Toten im Donbass erwähnt, dann ein süffisanter Abschlusssatz: „So viel zum friedlich-fröhlichen WM-Fest“, ein Titelfoto von einer lodernden Haubitze und oben drüber die flotte alliterate Engführung „Moskau brummt, Donbass brennt“ – fertig ist der Qualitätsbeitrag!

By the way: Die neue speziell für die WM geschulte Touristenpolizei. Russlands Innenminister Kolokolzew hat diese Idee von Israel geklaut und Kireevs Kollegin Christina Hebel hat sich einen Vertreter dieser russischen „Vorzeigepolizei“ genauer angeschaut:

Sie sehen aus wie normale Polizisten, tragen aber das Abzeichen ‚Tourist Police‘ auf der Uniform. Die Beamten werden extra kommunikativ geschult, auch zur Geschichte ihrer Stadt, sprechen neben Russisch auch Englisch, lächeln, wenn man sie anspricht – keine Selbstverständlichkeit unter russischen Sicherheitskräften.

Das klingt nun wirklich nicht schlecht, aber das dicke Ende folgt auf dem Fuße: „Als Dienstältester trägt Roman eine Kamera neben seiner Marke, die während seines Dienstes alles aufzeichnet, dazu Funkgerät und Schlagstock. Mehr an Ausrüstung ist er nicht befugt zu zeigen.“ Und auch zu Nawalny will er sich nicht näher äußern.

Ja, so ist das halt mit der russischen Polizei: Ist sie mürrisch, hat sie den Sowjethabitus noch nicht abgelegt. Präsentiert sie sich locker, ist das ein besonders raffinierter Trick des repressiven Putin-Regimes. Sorgt sie vor den Stadien für Ordnung, ist sie martialisch. Randalieren die Hooligans, hat sie versagt.

Aber Sie wissen ja mittlerweile, wie man so etwas nennt!

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