Meinung

"Demokratische" Existenzvernichtung: EU und Bundesregierung jagen Dissidenten

Rückblick 2025: Im Schatten des Ukraine-Krieges rast die EU in Richtung Diktatur. Erstmals sanktionierte sie eigene Staatsbürger. Zwei deutsche Journalisten sitzen seither im Exil, ein weiterer hockt rechtlos in Berlin. Die Bundesregierung droht derweil allen Kritikern, Banken und die Leitmedien machen mit.
"Demokratische" Existenzvernichtung: EU und Bundesregierung jagen Dissidenten© mit KI erstellt

Von Alexandra Nollok

Stellen Sie sich vor, Sie landen auf einer Sanktionsliste der Europäischen Union. Plötzlich sind ihre Konten gesperrt. Wer ihnen hilft oder einen Vertrag mit ihnen eingeht, dem drohen erhebliche Strafen. Sie können keine Rechnungen begleichen. Vermieter, Energieversorger, Krankenkasse, Telefongesellschaft und Arbeitgeber kündigen ihnen fristlos. Sie verlieren all ihr Vermögen und Einkommen, landen auf der Straße, doch das Sozialamt rührt keinen Finger, kein Obdachlosenheim bringt sie unter. All das trifft sie unerwartet. Ohne Verfahren und Gerichtsurteil wurden sie ihrer Grundrechte beraubt. Dabei haben sie nicht mal eine Straftat begangen, sondern nur Ansichten geäußert, die den Vollstreckern nicht passen.

Sie meinen, im "freiheitlich-demokratischen" Deutschland sei das unmöglich? Fehlanzeige: In diesem Jahr griffen die EU und die Bundesregierung unter dem Label "Kampf gegen Russland" erstmals zu solchen Mitteln gegen eigene Bürger, "begründet" mit ungeprüften Vorwürfen, darunter auch leicht zu entlarvende Lügen. Sie schufen Präzedenzfälle gegen Journalisten, Publizisten, Autoren, darunter drei Menschen mit ausschließlich deutscher Staatsbürgerschaft. Und Martin Giese, Sprecher des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik, drohte ganz offen: "Alle, die auf diesem Feld unterwegs sind, müssen damit rechnen, dass es auch ihnen passieren kann."

Regierung droht Kritikern: Kann euch allen passieren

Mit seiner Drohung reagierte Giese auf eine Nachfrage des Journalisten Florian Warweg von den NachDenkSeiten zum Fall Jacques Baud. Der Schweizer Militäranalyst, ehemalige Oberst, NATO- und UN-Mitarbeiter war Mitte Dezember auf der EU-Sanktionsliste gelandet. Er sei "regelmäßig als Gast in prorussischen Fernseh- und Radioprogrammen" aufgetreten, habe als "Sprachrohr für prorussische Propaganda" fungiert und "Verschwörungstheorien verbreitet", begründet die EU ihre "Maßnahme" lapidar.

Als einzigen "Beleg" führt die EU an, Baud habe angeblich "die Ukraine bezichtigt, ihre eigene Invasion herbeigeführt zu haben, um der NATO beizutreten". Damit allerdings kann nur ein Zitat des ehemaligen Selenskij-Beraters Alexei Arestowitsch aus dem Jahr 2019 gemeint sein, das Baud einmal wiedergegeben hatte. Die EU legte Selbiges nicht nur faktenwidrig Baud selbst in den Mund – sie interpretierte es zudem auch inhaltlich falsch. Tatsächlich sagte Arestowitsch, wie von Baud korrekt zitiert: "Die Wahrscheinlichkeit, dass unser Preis für den NATO-Beitritt ein großer Krieg mit Russland ist, liegt bei 99,9 Prozent."

Der Schweizer Baud könnte sich zurücklehnen. Doch er lebt in Belgien, wo er nun ohne finanzielle Mittel festsitzt. Er darf nicht in seine "neutrale" Heimat, da er keine Grenzen innerhalb der EU übertreten darf. Wie allen anderen Betroffenen steht ihm theoretisch einzig der Weg zum Europäischen Gerichtshof offen. In der Praxis ist das komplizierter: Eine Klage kostet viel Geld, das Sanktionierte nicht haben. Dritte dürfen Betroffenen nicht helfen und Anwälte mit ihnen theoretisch keinen Vertrag eingehen.

EU verbannt deutsche Bürger ins Exil ...

Baud ist einer von inzwischen 59 Einzelpersonen, die von der EU im Rahmen von inzwischen 19 Russland-Sanktionspaketen "kalt gestellt" wurden. Einzelpersonen zu sanktionieren, gehört längst zum normalen Prozedere der EU. Neu ist allerdings die Ausweitung auf EU-Staatsbürger und solche, die wie Baud in einem Land der Europäischen Union leben. Ihre Konsequenzen sind weitaus existenzbedrohender als für außerhalb lebende Angehörige von Drittstaaten.

So setzte die EU im Mai 2025 Alina Lipp und Thomas Röper auf die Sanktionsliste wegen angeblicher "Verbreitung russischer Propaganda". Davon abgesehen, dass der Westen, einschließlich der EU, selbst Propaganda betreibt und deren Verbreitung, selbst im vermeintlichen Sinne anderer Staaten wie Russland, in keinem deutschen Gesetz als Straftat gelistet ist: Lipp und Röper haben ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie leben zwar in Russland, dürfen aber nicht einmal Angehörige in ihrer Heimat besuchen. Sie sind damit praktisch verbannt.

… und verbreitet Lügen über einen Journalisten

Doch die schlimmsten Konsequenzen trägt derzeit der Journalist Hüseyin Doĝru, der auf derselben Liste landete. Er sitzt seit Mai 2025 mit Frau und drei Kindern, darunter neugeborene Zwillinge, in Berlin fest: ohne Zugang zu Einkommen, Arbeit, Geld, sozialen und medizinischen Leistungen. Die EU wirft ihm "Desinformation" zu Russlands Gunsten vor.

Tatsächlich beschäftigte er sich nie ausführlich mit dem Ukraine-Krieg. So führte die EU dann auch vor allem seine Berichterstattung über Palästina-Proteste an einer deutschen Universität ins Feld – ein Muster, nach dem diese nicht gewählte Institution jeden öffentlich auftretenden Kritiker existenziell vernichten könnte. Später präsentierte die EU jedoch auf Drängen seines Anwalts ein "Beweismaterialpaket" ganz anderer Art: kritische Tweets auf Doĝrus privatem X-Account zur deutschen Aufrüstung, zur NATO und einen zu Protesten gegen Israels Völkermord im Gazastreifen.

Überdies konstruierte die EU aus seiner früheren Arbeit für einen seit dem Jahr 2022 abgewickelten Ableger der russischen Nachrichtenagentur Ruptly namens Redfish eine Verbindung seines später gegründeten eigenen Medienunternehmens Red.Media, ebenfalls längst aufgelöst, zu "russischen Akteuren". Doĝru bestreitet das, Belege lieferte die EU auch auf Anfrage seines Anwalts nicht. Und letztlich betreibt sie selbst das, was sie ihm vorwirft: Sie verbreitet "systematisch Falschinformationen" über den Journalisten.

So behauptet die EU in ihrer Durchführungsverordnung zum 17. Sanktionspaket bis heute, der Sanktionierte sei türkischer Staatsbürger – obwohl Doĝru das umgehend selbst als Lüge enttarnt hatte: Seine Eltern sind demnach zwar Kurden, aber er selbst wurde in Deutschland geboren und ist ausschließlich deutscher Staatsbürger.

Sippenhaft für die ganze Familie

Über die Konsequenzen berichtete Doĝru inzwischen in mehreren Interviews, zuletzt im Podcast "Neutrality Studies". Demnach setzten deutsche Institutionen die EU-Schikanen besonders eifrig um. Sie nahmen zunächst sogar seine ganze Familie in Sippenhaft. So kündigte die Krankenkasse anfangs auch seiner damals hochschwangeren Ehefrau und ihre Bank sperrte ihr Konto. Doĝru habe aktiv dagegen vorgehen müssen. Ohne (illegale) Hilfe von außen wäre die ganze Familie wohl auf der Straße gelandet.

Letztlich "erlaubte" die Deutsche Bundesbank seiner Ehepartnerin dann wohl, die Miete ihrer Wohnung weiter zu bezahlen, sodass die Familie bisher nicht auf der Straße gelandet ist. Unterbringen und versorgen dürfte sie ihren Mann eigentlich nicht. Theoretisch könne Doĝru eine Art "humanitäre Hilfe" beantragen, wie er erklärte. Die Bundesbank könne ihm monatlichen Zugang zu 506 Euro aus seinem Vermögen gewähren – das ist der Bürgergeld-Satz für Erwachsene in einer Paarbeziehung. Abgesehen davon, dass dies der Gutwilligkeit der Bank obliege und er auch damit kein Obdach finanzieren dürfte: Wenn kein Vermögen auf den eingefrorenen Konten ist, bleibt dies eine hohle Phrase.

Medienkampagne gegen Dissidenten

Die Drohung des Regierungssprechers Giese richtet sich explizit gegen deutsche Journalisten. Man kann sie so übersetzen: Wenn ihr nicht berichtet, wie wir es wollen, seid ihr die Nächsten, die wir sanktionieren. Doch der Aufschrei in deutschen Leitmedien blieb aus. Im Gegenteil: Sie begleiteten die Fälle Lipp, Röper und Doĝru lediglich mit Hetzkampagnen vorab.

Die Medienkampagne gegen Doĝru startete bereits im Spätsommer 2024 – einzig auf Basis einer unbelegten Behauptung des damaligen US-Außenministers Antony Blinken. Laut ARD-Tagesschau bezeichnete Blinken Doĝrus Plattform Red.Media als Teil eines angeblichen Netzwerks "russischer Einflussnahme" durch den seit 2022 in der EU verbotenen Sender RT. Sie sei Nachfolgerin der ebenfalls verbotenen angeblichen "RT-Plattform" Redfish. Doch weder war Redfish eine "RT-Plattform", noch war Red.Media deren Nachfolger.

Weitere deutsche Medien, darunter der Tagesspiegel, verbreiteten die Kampagne weiter, wobei die Schreiber schon einmal den Konjunktiv vergaßen und aus Mutmaßungen vermeintliche Tatsachen bastelten – im besten Propagandastil.

Israel-Lobbyist kreiert Verschwörungsthesen in der taz

Schließlich kam die taz mit einer "Recherche" um die Ecke: Ihr Titel lautete: "Hybrider Krieg in Berlin". Statt Belege zu liefern, reihte auch sie darin Mutmaßung an Mutmaßung und schwurbelte auf dieser "Basis" Verbindungen herbei. Am Ende lief es vor allem auf Folgendes hinaus: Red.Media habe Interviews mit (bösen) palästinensischen Organisationen geführt, was von einer "antiisraelischen" Haltung zeuge (gegen die deutsche Staatsräson). Damit spiele die Plattform schließlich "Russland in die Hände", weil sie so die EU und Deutschland destabilisiere.

Damit hat der Autor des "Artikels", Nicholas Potter, zwar kreative Verschwörungstheorien gestrickt, ohne auch nur einen einzigen handfesten Beleg zu liefern. Mit Journalismus hat das Ganze aber nichts zu tun. Erhellend ist dabei ein Blick auf den taz-Autoren selbst: Potter gehört nämlich selbst zu einem deutschen Lobbynetzwerk Israels. Im November wurde er vom Thinktank "Elnet" für seine pseudojournalistische Lobbyarbeit sogar mit einem Preis geehrt.

Elnet ist faktisch das europäische AIPAC, der einflussreichsten israelischen Denkfabrik in den USA, die dort Politiker mit Millionen schmiert und exzessiven Einfluss auf Politik und Medien nimmt. Elnet finanziert auch in Deutschland zum Beispiel Propaganda-Reisen für Politiker und maßregelt schon mal kritische Journalisten. Auch Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) hielt eine flammende Rede bei der Elnet-Preisverleihung.

Leitmedien verschweigen die Folgen

Nachdem die Kampagne vorübergezogen und wenig später die EU-Sanktionen verhängt waren, wurde es merkwürdig still im virtuellen Blätterwald der professionellen Hetzer. Nur einige Nischenmedien beleuchteten ernsthaft den Wahrheitsgehalt der EU-Anschuldigungen, die realen Auswirkungen für die Betroffenen und auf kritische Berichterstatter und die Pressefreiheit im Allgemeinen. Die im Dezember folgende EU-Sanktion gegen den Schweizer Jacques Baud tauchte so gut wie gar nicht in deutschen Medien auf. Auch das deutsche Propagandaschlachtschiff der ARD, die Tagesschau, schweigt sich darüber aus.

Es scheint, als seien die dramatischen Angriffe der EU und der Bundesregierung auf die Pressefreiheit den meisten Journalisten schlicht egal, ja, als hätten sie nicht das geringste Problem damit, als Propagandisten der Herrschenden zu fungieren. Das ist schließlich die Konsequenz daraus.

Politisch motiviertes Debanking

Dabei kam das keineswegs aus heiterem Himmel. Schon in den letzten Jahren häuften sich autoritäre Maßnahmen gegen Dissidenten, die Recht und Gesetz untergruben. So sind immer mehr Organisationen, kleine Unternehmen und Privatpersonen vom sogenannten Debanking betroffen: Obwohl in Deutschland eine Kontopflicht besteht und Banken jedem den Zugang mindestens zu einem Basiskonto gewähren müssen, kündigen sie immer öfter unliebsamen Kunden aus offensichtlich politischen Gründen.

Ganz vorn mit dabei ist die GLS-Bank, die beispielsweise damit wirbt, keine Kredite für Rüstungsgüter zu vergeben und sich nicht an preistreiberischen Spekulationsgeschäften zu beteiligen. Das ging schon vor Jahren los. So verlor zum Beispiel das Online-Portal KenFM bereits 2020 sein Konto und damit viele Spender. Zuletzt betraf dies unter anderem die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und die Organisation "Rote Hilfe", die etwa Opfer von Polizeigewalt juristisch unterstützt.

Doch sogar Sparkassen beteiligen sich immer öfter an derartigen politisch motivierten Maßnahmen. Im März 2024 kündigte etwa die Berliner Sparkasse dem jüdisch-antizionistischen Verein "Jüdische Stimme".

Kürzlich sah sich die GLS-Bank zu einer erhellenden Stellungnahme genötigt. Sie räumte darin offen ein, im vorauseilenden Gehorsam zu handeln – weil der Druck auf Banken durch die Aufsichtsbehörde BaFin zunehme. Vordergründig geht es dabei um "die Vorbeugung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung" – hintergründig höchstwahrscheinlich um weitaus mehr: das Kaltstellen politisch Unliebsamer, die in aller Regel zuvor durch Medienkampagnen und politische Debatten gebrandmarkt werden.

Dissidenten "demokratisch" ausgeschaltet 

So führt die EU auf höherer Ebene nur fort, was längst in Deutschland begonnen hat: die Jagd auf Dissidenten und die Zerstörung ihrer Existenzen – ganz ohne Polizeiermittlungen, Justizverfahren und Verurteilungen, vorbei an allen Rechtsnormen, gelabelt als "Russland-Propagandisten, Desinformanten, Volkszersetzer" oder gar "Agenten 'hybrider Kriegsführung'". So lassen sich unliebsame Kritiker ganz still und leise ausschalten, ohne körperliche Gewaltanwendung, gut verpackt unter dem Deckmantel der angeblichen "Demokratie", die sich vor ihren "Feinden" schützen müsse. Orwell lässt grüßen.

Mehr zum ThemaSanktionen gegen Deutsche: Die Wiedererfindung der Reichsacht

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.