
Weihnachtsbaum mit Hakenkreuz: Interview über Neonazitum und Russophobie in Lettland

Von Felicitas Rabe
Rund 60 km südöstlich von Riga steht in einem öffentlichen Park ein Weihnachtsbaum mit Hakenkreuzen, berichtet die russischstämmige Lettin Tatjana im Interview mit RT DE am Montag und zeigt davon Bilder. Der Nazi-Baum stehe dort jedes Jahr in der Weihnachtszeit. Das Interessante sei zudem, dass es in der lettischen Stadt Lielvārde, wo die weihnachtlichen Hakenkreuze zu finden seien, seit 2021 einen NATO-Stützpunkt gebe. Obendrein stehe der Hakenkreuzbaum nur ein paar Meter entfernt vom Kulturhaus der Stadt. Aber offensichtlich scheinen das NATO-Personal und schon gar nicht die lettischen Behörden daran Anstoß zu nehmen.

RT DE wollte im Interview von Tatjana erfahren, wie sich die Lage in Lettland entwickelt. Hat sich die Russophobie in Lettland in den vergangenen Jahren intensiviert? Wie geht es russischstämmigen Letten? Um ihrem betagten schwer erkrankten Vater beizustehen, lebt Tatjana mittlerweile wieder den größten Teil des Jahres in Riga.
Interviews mit russischen Medien sind gefährlich
Über die Weihnachtstage ist Tatjana in Deutschland zu Besuch. Im Interview bittet sie als Erstes darum, auf keinen Fall ihren echten Namen zu nennen. Erst vor ein paar Tagen, am 17. Dezember, sei der russischstämmige Historiker Wiktor Guschtschin in der lettischen Stadt Jelgava verhaftet worden, nachdem er der russischen Presse ein Interview gegeben habe.

Der Geschichtswissenschaftler und Vorsitzende der Organisation "Russische Gemeinschaft Lettlands" sitze seitdem in Untersuchungshaft. Ihm werde vorgeworfen, er habe für russische Medien berichtet, die unter EU-Sanktionen stehen. Bei RT DE wolle Tatjana daher nicht mit ihrem Klarnamen erwähnt werden.
Ob und wenn ja in welcher Form sich die Russophobie in Lettland gesteigert habe, fragte RT DE. Es käme immer wieder zu neuen Schikanen, erklärte die russischstämmige Lettin sie. Zuletzt sei beispielsweise ein Gesetz geändert worden, wonach der Mehrwertsteuersatz Zeitungen in lettischer Sprache weiterhin fünf Prozent beträgt. Für russische Presseerzeugnisse gelte gemäß dem neuen Gesetz der volle Steuersatz von 21 Prozent.
Zunehmende Unterdrückung der russischen Sprache
Das sei nur eine alltägliche Kleinigkeit, Angst hätten die russischstämmigen Letten vor ganz anderen Dingen. Vor kurzem sei eine Gesetzesänderung angekündigt worden, wonach die russische Sprache in der Öffentlichkeit nicht mehr gesprochen werden dürfe. Dazu müsse man wissen, so die Interviewpartnerin, dass rund 50 Prozent der Letten russischsprachig seien. Es gebe zwar offiziell nur 7 Prozent Russen – aber es gebe eben auch einen hohen Prozentsatz von Weißrussen und anderen russischsprachigen Minderheiten im Land. Diese dürften dem geplanten Gesetz zufolge in Behörden, bei Ärzten und allen offiziellen Anlässen nicht mehr Russisch sprechen.
Kürzlich sei Tatjana mit ihrem kranken Vater zu einer Untersuchung im Krankenhaus in Riga gewesen. Ihr Vater sei sehr unruhig gewesen und habe nicht verstanden, was man von ihm wollte. Deshalb habe Tatjana versucht, in russischer Sprache beruhigend auf ihn einzuwirken. Versehentlich habe sie dann auch die Krankenschwester auf Russisch begrüßt. Daraufhin habe diese sie sofort angewiesen, in der Klinik Lettisch zu sprechen.
"Wir sind hier in Lettland. Die Sowjetzeiten sind lange vorbei. Sie müssen hier Lettisch sprechen," habe die Krankenschwester gefordert. Das sei doch eine Farce, kommentierte Tatjana die Situation im Interview. Die Klinikmitarbeiterin habe genau gewusst, dass ihr über 80-jähriger Vater kein Wort Lettisch verstehe. Während der Untersuchung Lettisch sprechen zu müssen, sei reine Schikane. Es sei absolut sinnbefreit, dass man in Kommunikationskontexten, wo alle Beteiligten Russisch sprechen und verstehen könnten, vermehrt gezwungen würde, sich in einer Sprache zu verständigen, die man gar nicht beherrsche.
Der Gesetzesentwurf für eine weitere Einschränkung der russischen Sprache sei im Jahr 2025 im lettischen Parlament (Saeima) eingebracht worden. Wesentlich daran beteiligt gewesen sei der Parlamentsabgeordnete Jānis Dombrava vom nationalen Bündnis Lettlands. Mit der Einschränkung der russischen Sprache wolle man an frühere Initiativen "zur Beseitigung der Folgen der Russifizierung" anknüpfen. Mit anderen Worten, damit wolle man die Folgen des ehemaligen Beitritts Lettlands zur Sowjetunion bekämpfen.
Verhaftungen für Abspielen russischer Lieder
Verglichen mit der russischen Sprache würde russische Musik oftmals noch härter verfolgt. Leute mit russischer Musik als Handyklingelton habe man verwarnt. Und am Tag des Sieges über den Faschismus, also am 9. Mai, seien Teilnehmer von Gedenkveranstaltungen verhaftet worden, die in der Öffentlichkeit russische Lieder übers Smartphone gehört hätten.
Für Russen und Letten sei es gleichermaßen gefährlich geworden, sich am 9. Mai an Gedenkfeiern zu beteiligen. Zu diesem Datum würden sich auch in Lettland Menschen versammeln, um traditionell den Tag der Befreiung vom Faschismus zu feiern. Die Teilnehmer würden sich an den Plätzen versammeln und Blumen niederlegen, wo früher die Ehrenmale zum Gedenken an den Sieg über den Faschismus gestanden hätten.
Mittlerweile seien diese Denkmäler alle abgerissen worden. Die lettischen Behörden hätten in diesem Jahr aber nicht nur, wie schon in den Jahren zuvor, zeitnah alle niedergelegten Blumen weggeschafft und entsorgt. In diesem Jahr habe man außerdem gleich mehrere Teilnehmer des verbotenen Gedenkens an den Sieg über den Faschismus verhaftet.

In der Lettland gebe es kaum noch russische Kulturveranstaltungen und keine russische Musik mehr - zumindest nicht im öffentlichen Raum. In geschlossenen Räumen dürften noch russische Veranstaltungen stattfinden, seien aber von jeglicher Kulturförderung ausgeschlossen. Im Spätsommer dieses Jahres habe ein Straßenmusiker mit Gitarre und Gesang ein russisches Lied aufgeführt. Er sei deshalb von einem lettischen Passanten zusammengeschlagen worden.
Tatjana bedauert auch, wie die neue junge Generation in Lettland belogen wird über die sowjetische Zeit. Den jungen Letten werde eine angebliche "Russifizierung" Lettlands zu Sowjetzeiten eingebläut, deren Folgen man bis heute bekämpfen müsse. Den jungen Menschen werde nicht vermittelt, wie zu Sowjetzeiten lettisch- und russischstämmige Letten in Frieden miteinander in einem zweisprachigen Land leben konnten.
Lettischer Journalist vergleicht Schulen für russische Kinder mit Schweinezucht
Am 5. Juni 2025 hat der russischstämmige Lette Alexei Roslikow im lettischen Parlament auf Russisch gesprochen und sinngemäß erklärt: "Ich bin für die Russen in Lettland, Ihr kriegt uns nicht klein." Infolgedessen habe der lettische Staatsschutz VDD Roslikow wegen Verdachts auf Anstiftung zu ethnischem und nationalem Hass verfolgt.
Dagegen sei öffentlich zur Schau gestellter Hass auf Russen für die Behörden offenbar kein Problem. So habe der Sportjournalist Armands Puče alle russischen Kinder als Schweine bezeichnet, indem er sinngemäß öffentlich feststellte: Ist es nicht offensichtlich, dass es bei dem ganzen Wirbel um den Fortbestand der russischen Schulen, um nichts anderes geht als Schweinefütterung? Tatjana gab das auch nochmal mit ihren eigenen Worten wieder: "Der Journalist verwendet die entmenschlichende Metapher von Schweinen für Kinder, um die Schließung russischsprachiger Schulen zu rechtfertigen." Puče habe noch hinzugefügt, dass man eine Sau vor der Schlachtung auch nicht nach einer Übergangsfrist frage.
Grafik einer Kunstausstellung: Russen sollen unter der Erde als Dünger dienen
Als weiteres Beispiel für offen zur Schau gestellten Russenhass nannte Tatjana eine Ausstellung zeitgenössischer Kunst in einer lettischen Bibliothek. Die Ausstellung zeige Kunstwerke der ukrainischen Künstlergruppe Tigois-Projekt und trage den Titel:"Wir werden gewinnen – wir werden es schaffen."
Tatjana zeigte RT DE ein Beispiel für die Kunstwerke dieser Ausstellung. Bei diesem Beispiel handelt es sich um die grafische Darstellung eines Menschen, der unter den Wurzeln einer Pflanze in der Erde liegt. Über der Grafik stehen die Worte: "Russische Besatzer – bester Dünger."

Während man russischstämmige Letten wegen angeblicher Anstiftung zu ethnischem Hass strafrechtlich verfolge, seien Nazi-Symbole in der Öffentlichkeit erlaubt und führten zu keinem Verdacht auf ethnischen und nationalen Hass. Dazu erläuterte Tatjana mit weiteren Bildern, wie man in Einkaufszentren in Riga Bierdeckel mit Hakenkreuzen, Ohrringe in Hakenkreuzform und ähnliches findet.

Als "Höhepunkt" würden Neonazis in Riga jährlich am 16. März den "Helden der SS" gedenken. Bei einer Prozession würden Teilnehmer und Besucher an diesem Tag mit Nazi- und SS-Symbolik unbehelligt durch die lettische Hauptstadt spazieren.
Unbehelligt blieben offenbar auch die Aufsteller des Hakenkreuz-Weihnachtsbaums in der Nähe des lettischen NATO-Stützpunktes Lielvārde. Russophobie, Verfolgung russischstämmiger Letten und Neonazis gehören in Lettland inzwischen zum Alltag – auch an Weihnachten.

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