Meinung

"Er verfluchte seine Mörder nicht" – Der qualvolle Tod von Priester Wladimir Schutow

Immer wieder greifen ukrainische Drohnenführer flüchtende Zivilisten an und töten sie. Mitte November wurde der Fall eines von ukrainischen Kriegsverbrechern auf der Flucht zusammen mit seiner Ehefrau und Gemeindemitgliedern getöteten orthodoxen Priesters bekannt. Marina Achmedowa hat die Tochter der Familie befragt.
"Er verfluchte seine Mörder nicht" – Der qualvolle Tod von Priester Wladimir Schutow© Soziale Netzwerke

Von Marina Achmedowa

RT DE hat über das ukrainische Kriegsverbrechen berichtet, das sich bereits im September ereignet hatte, aber erst zwei Monate später bekannt wurde: Ein orthodoxer Gemeindepriester, seine Ehefrau und weitere Zivilisten wurden bei dem Versuch, auf die russische Seite der Front zu fliehen, durch ukrainische Drohnen angegriffen und getötet. Die Schriftstellerin und Journalistin Marina Achmedowa, die auch Mitglied des Menschenrechtsrates ist, hat Kontakt zu Verwandten des getöteten Geistlichen aufgenommen und berichtet über weitere Einzelheiten des Vorfalls.

Priester Wladimir Schutow war in Konstantinowka heimisch – er wurde hier geboren und war seit seiner Kindheit Gemeindemitglied der Nikolauskirche, wo er mit seiner Ehefrau Swetlana vermählt wurde und als Jugendlicher bei Gottesdiensten half. Die Geistlichen der Kirche empfahlen ihn für die Priesterweihe und merkten an, dass man sich für ihn nicht schämen müsse. Und so war es auch. Schämen muss man sich für andere – für die Menschheit.

Im Jahr 2004 wurde Wladimir Schutow geweiht und zum Gemeindepfarrer der Kirche der Heiligen Königlichen Märtyrer in Aleksandro-Kalinowo ernannt. Zunächst gab es dort nur ein provisorisches Bethaus, später ließ er dort eine echte Kirche bauen. Seine Frau und seine heranwachsenden Kinder halfen ihm dabei in jeder Hinsicht. Seine Tochter Ekaterina schildert, dass ihre Mutter ihm in allem zur Seite stand und er fest im Glauben und in seinen Taten war. Deshalb wuchsen sie in einer Atmosphäre auf, in der Bosheit einfach keinen Platz im Herzen hatte.

Im Jahr 2025 rückte die Frontlinie dicht an das Dorf heran, und hier zeigte sich Vater Wladimir von seiner besten Seite. In der Kirche gab es keinen Strom und kein Wasser mehr, mehrere Gemeindemitglieder fanden im Untergeschoss der Kirche Zuflucht, und Vater Wladimir blieb bei ihnen. Wasser und Lebensmittel hatte er im Voraus besorgt. In der Kirche wurden weiterhin Prosphora gebacken und die vorgeschriebenen Gottesdienste abgehalten. Selbst als die Kirche zerstört war und nur noch die Kellerräume übrig blieben, blieb die Familie dort.

Irgendwann hatte ihre Tochter, die nicht mehr bei ihnen lebte und weit weg war, einen Albtraum. Sie träumte, dass ihre Mutter, ihr Vater und ihr jüngerer Bruder, ein Teenager, aus der Kirche kamen und wegliefen. Sie wurden getötet, nur ihre Mutter starb sofort, ihr Vater litt noch, und sie hörte in ihrem Traum so deutlich sein Stöhnen, dass sie, als sie aufwachte, auf der Stelle für sie zu beten begann. Als später bekannt wurde, was in der Realität geschehen war, verglich sie die Uhrzeit und erkannte, dass sich die Gemeindemitglieder der zerstörten Kirche zu diesem Zeitpunkt in zwei Gruppen aufgeteilt hatten. In der ersten Gruppe gingen ihr Vater, ihre Mutter, ihr Bruder und der Kirchenwärter mit dessen 8-jähriger Tochter. Sie hatten es nur bis zum Dorffriedhof geschafft, als die ukrainischen Streitkräfte auf sie aus Mörsergeschützen zu feuern begannen und Drohnen auf sie losließen.

Die Mutter starb sofort, ebenso der Kirchenwärter und seine Tochter. Der Sohn der Schutows wurde verletzt, aber Vater Wladimir litt noch lange Zeit an seinen Wunden. Sein Sohn lag sechs Stunden lang neben seiner toten Mutter und seinem noch lebenden Vater bevor er zur Kirche zurückkehrte. Der Junge erzählte seiner Schwester, dass sein Vater in seinen langen Todeskrämpfen kein einziges Mal Gott oder die Mörder verflucht habe. Er habe sich nicht beklagt.

Auf die Verwundeten wurden immer neue Drohnen geschickt. Sie wurden nicht zufällig getötet, es war ein vorsätzlicher brutaler Mord. Aber Vater Wladimir äußerte keinen Hass, und seine Tochter Ekaterina bittet darum, nicht zu hassen. Sie sagt, dass sie uns alle unter Tränen bittet, keinen Groll in unseren Herzen zuzulassen, weil ihr Vater das nicht gewollt hätte. Denn er stand auf der Seite des Guten, und das Böse dürfe nicht siegen.

Alexei, der Sohn von Vater Wladimir, lebte nach dem Vorfall noch zwei Monate lang mit anderen Gemeindemitgliedern im Keller der Kirche unter Beschuss. Und manchmal fällt es mir schwer, mir vorzustellen, dass wir selbst ein normales Leben führen, während unseren Landsleuten so etwas angetan wird. Aber ich werde trotzdem der Bitte von Vater Wladimir nachkommen.

Später gelang es den Gemeindemitgliedern, Kontakt zu russischen Soldaten aufzunehmen, die sie holten und in das Hinterland brachten. Wahrscheinlich hat Vater Wladimir sie unsichtbar begleitet. Jetzt sind sie in Jenakijewo. Sie haben nichts, nicht einmal einfache Kleidung. Wenn ich herausfinde, wie ich ihnen helfen kann, werde ich meine Leser einbeziehen.

Wladimir Schutow war 55 Jahre alt, als er am 7. September 2025 seinen Wunden erlag. 

Marina Achmedowa ist Schriftstellerin, Journalistin und Mitglied des Menschenrechtsrates der Russischen Föderation. Man kann ihr auch auf ihrem Telegram-Kanal folgen.

Mehr zum ThemaBei Fluchtversuch auf russische Seite: Ukrainische Truppen töten orthodoxen Priester und Familie

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.