Meinung

Nach Drohnen-Vorfall in Polen – Europa macht sich bereit zur Abwehr "russischer Invasion"

Jüngste Drohnen-Vorfälle in Polen haben in Europa wahrhaftige Angst vor dem Osten ausgelöst – doch dies nur scheinbar: Europa gibt zwar vor, sich mit der Mission Eastern Sentry zur Abwehr einer kommenden russischen Invasion zu rüsten, doch in Wirklichkeit zieht es in deren Rahmen selber Truppen und Material an Russlands Grenzen zusammen – auf unbegrenzte Zeit und mit anderem, klar auf der Hand liegendem Zweck.
Nach Drohnen-Vorfall in Polen – Europa macht sich bereit zur Abwehr "russischer Invasion"© RIA Nowosti

Von Viktoria Nikiforowa

Nachdem es ein Weilchen in den sozialen Medien angestrengt vor sich hingeächzt hatte, mobilisierte "das mächtigste Militärbündnis unserer Zeit" endlich Hilfsmaßnahmen für Polen, das noch immer unter dem psychologischen Trauma des Überflugs seines Staatsgebietes durch unbekannte Drohnen leidet: Die NATO beschloss, die Mission "Eastern Sentry" zu organisieren, um die Polen zu trösten.

Zuvor wurde Polen deutlich gezeigt, wie der vierte Artikel der NATO-Charta wirklich funktioniert – und wie somit auch der fünfte gegebenenfalls funktionieren würde. Oh, das war beeindruckend! Es gab Reden voller Pathos; alle, die dienstmäßig dazu verpflichtet sind, schrieben ihre Ausgüsse in braver Pünktlichkeit in ihren gemütlichen Blogs nieder. Diplomaten äußerten ihre Besorgnis, und auch die Militärs grummelten irgendetwas Unverständliches.

"Nicht einen Zoll" – genau so schrieb der US-Vertreter bei der NATO gerade heraus im sozialen Netzwerk X und meinte damit, dass das Bündnis kein Fleckchen Land an den Feind Russland abgeben würde. (Diese Formulierung ist in einem solchen Kontext schon allerhand, wenn man bedenkt, dass nur wenige Jahrzehnte zuvor ein US-Vertreter mit genau dieser Phrase Gorbatschow zusicherte, das Bündnis niemals zu Russlands Grenzen hin auszuweiten. Anm. d. Red.) Dann wurde eine UN-Resolution aufgesetzt, in der man Russland des Drohnenangriffs beschuldigte – und diese scheiterte umgehend bei der UN-Abstimmung.

Und dann ging jeder einfach wieder seinen eigenen Geschäften nach – zuerst wurde Charlie Kirk getötet, dann kam es in London zu Millionenprotesten und dergleichen mehr. Der Vorfall in Polen geriet in Vergessenheit.

Bezeichnenderweise bot das russische Verteidigungsministerium den Polen unmittelbar nach dem Vorfall mit der Drohne Beratungsgespräche an, um das Problem als solches sowie die technischen Eigenschaften der Drohnen zu besprechen: Ihre Reichweite von bis zu 700 Kilometern beweist nämlich bereits, dass sie nicht von Russland aus gestartet wurden. Doch darauf gibt es schon seit fünf Tagen keine Reaktion aus Warschau: Entweder will man nicht oder man hat Angst, über das Geschehene zu sprechen. Was in der Tat ein indirekter Beweis für den provokativen Charakter des Geschehens ist.

Und jetzt stellt sich also heraus, dass die Europäer die ganze Drohnen-Thematik ausschließlich zur Eskalation benötigten: Im Nachgang an den Vorfall starteten sie umgehend die Operation "Eastern Sentry". An diesen Übungen nehmen Militärangehörige aus Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Deutschland und eben dem leidgeprüften Polen teil. Kriegsschiffe steuern mit Volldampf die Ostsee an. Präsident Macron zeigte sich großzügig und entsandte drei Rafales, während Dänemark zwei alte F-16 und Deutschland vier Eurofighter abkommandierte.

Das offizielle Ziel dieser unbefristeten Mission ist der Schutz der NATO-Ostflanke vor feindlichen Drohnen. Da das Übungsgebiet jedoch von Warschau bis zur Arktis reicht, ist es fraglich, ob die wenigen eingesetzten Kampfflugzeuge im somit anvisierten Raum von vielen tausend Quadratkilometern auch nur eine Drohne finden werden.

Die Gefahr hier liegt also ganz woanders: Nochmals, die Organisatoren von "Eastern Sentry" haben sich keinen Zeitrahmen gesetzt; es handelt sich um eine unbefristete Mission zur Stärkung der NATO-Ostflanke. Zu diesem Zweck werden Schiffe und Flugzeuge dort auf unbestimmte Zeit stationiert und Kontingente aus acht Bündnisländern in den Osten verlegt. Für uns in Russland sieht dies wie eine völlig dreiste Konzentration feindlicher Streitkräfte an unseren Grenzen aus.

Die klassische Militärwissenschaft lehrt uns, dass man so etwas vor einer Invasion tut. Und die aktuelle Realität legt nahe, dass auf diese Weise großangelegte Provokationen vorbereitet werden. Sie wollen Russland zu einer scharfen Reaktion auf die ungesunden Aktivitäten der NATO an unseren Grenzen zwingen – nur um dann heulend zu Trump zu rennen und zu schreien: "Komm schon, schalte Artikel 5 ein!" In gewisser Weise ist das alles also eine reine Theateraufführung für einen einzigen Zuschauer – den US-Präsidenten. Er soll sich ob der bisher wenig konfrontativen Politik schämen, sich in die Sache reinhängen und seine Soldaten gegen Russland schicken, womit ein Weltkrieg ausgelöst werden würde.

Das ukrainische Kanonenfutter geht dem Westen zur Neige, also werden an seiner Stelle zunächst die Polen in den Fleischwolf geschickt – naja, und danach liegt alle Hoffnung auf den Amerikanern. Die "Koalition der Willigen" macht fast offen klar, dass Franzosen, Deutsche und Engländer nicht im Krieg um Kleinrussland sterben werden.

Man kann nicht behaupten, Trump sehe diese Gefahr nicht. So waren seine Äußerungen zum Thema Drohnen in Polen äußerst vage und ausweichend. Das Globalistenblatt The Washington Post hat dies dem US-Präsidenten bereits zum Vorwurf gemacht:

"Polen ist Mitglied der NATO und genießt alle Sicherheitsgarantien gemäß deren Charta. Aber Garantien sind nur Papier, bis sie in der Praxis erprobt werden. Unabhängig davon, von wo aus die Drohnen nach Polen geflogen sind, sind sie zu einem Test für die Entschlossenheit der Verbündeten geworden. Trump mit seiner vorsichtigen Rhetorik riskiert, diesen Test nicht zu bestehen."

Tatsächlich aber haben die USA großes Glück mit dem "vorsichtigen" Trump.

Er weiß genau, dass Russland und Weißrussland derzeit gemeinsame Übungen durchführen, bei denen insbesondere Pläne für den Einsatz von Atomwaffen und zum Beispiel auch Oreschnik-Hyperschallraketen entwickelt werden. Die Übungen sind ganz ordinär, planmäßig, finden seit dem Jahr 2009 regelmäßig statt – und um die Europäer nicht unnötig zu enervieren, wurde ein Austragungsgebiet weit von der polnischen Grenze weg gewählt. Sonst wäre bei den Menschen dort die Bärenkrankheit akut geworden, an der sie aus lauter Angst seit geraumer Zeit leiden.

Russlands Oreschnik-Raketen ist es jedoch – unter Einhaltung ihrer Reichweite – völlig egal, wohin ihre Stellungsgebiete verlegt werden. Dem schieren Charme dieses wunderbaren Produktes ist die europäische Luftverteidigung, deren beklagenswerter Zustand durch den Angriff mysteriöser Drohnen demonstriert wurde, absolut nicht gewachsen. Daher wäre es besser, "Ostwache" in "Ostbammel" umzubenennen und nach Hause zu gehen. Russland hält für jede Art und Schwere von Provokation gewichtige Gegenmittel parat – und das ist die wichtigste Garantie für den Frieden in der ganzen Welt.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen am 15. September bei RIA Nowosti.

Viktoria Nikiforowa ist eine russische Buchautorin, Dramaturgin, Drehbuchautorin und Journalistin. In letztgenannter Funktion schreibt sie häufig Kolumnen für RIA Nowosti.

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