
"Die Russen kommen": Der Westen bleibt seinem Russland-Bild treu

Von Olga Andrejewa
Vor einigen Tagen hat das US-Außenministerium rund 1.300 Mitarbeiter entlassen. Darunter befanden sich auch leitende Analysten des Büros für Forschung und Information (INR), die sich auf Russland und die Ukraine spezialisiert hatten. Das Büro hat bereits erklärt, dass dies zu einem Verlust an Fachwissen führen könnte, was aber offenbar niemanden beunruhigt. Der Abbau von Russland-Experten ist bei weitem nicht der erste in der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump. Er hat bereits in seiner ersten Amtszeit Stellen gestrichen. Schon damals gab es nur wenige staatlich unterhaltene Russland-Experten, jetzt sind es noch weniger.
Im Grunde genommen begann alles unmittelbar nach dem Ende des Kalten Krieges.
In den USA zweifelte niemand daran, dass dieser Krieg mit einem vollständigen Sieg des Westens endete. Daraufhin wurden mehrere Slawistik-Lehrstühle geschlossen – und die Zahl der Studenten, die Russisch lernten, ging drastisch zurück. Die Ford Foundation beispielsweise stellte Anfang der 1990er Jahre jährlich zehn Millionen US-Dollar für Studentenaustauschprogramme zur Verfügung. Mitte der 2000er Jahre stellte sie jedoch ihre Zusammenarbeit mit Russland vollständig ein. Die MacArthur Foundation handelte ähnlich und reduzierte ihre Ausgaben für Russischunterricht um das Drei- bis Fünffache.

In den Augen des US-amerikanischen Establishments ist Russland zu einer zweitrangigen Regionalmacht geworden, mit der man sich nicht lange aufhalten muss. Wir werden nur noch als ein Tankstellen-Land betrachtet. Das allgemeine Interesse an dem ehemaligen ideologischen Gegner ist gesunken.
Nun interessierten sich die USA nicht mehr für eine genaue Untersuchung ihres transatlantischen Gegenübers, sondern für das, was damals als Export der Demokratie bezeichnet wurde. "Orangen" wurden, wie Ostap Bender (ein fiktiver Charakter aus den Romanen "Zwölf Stühle" und Das goldene Kalb") sagte, fassweise verschifft. Zuerst nach Russland und Osteuropa, dann in den Nahen Osten. Gerade der Nahe Osten und auch China galten nun als Schlüsselregionen der Welt, die für die USA von strategischem Interesse waren. Die Sprachen dieser Regionen wurden den Studenten für eine erfolgreichere Karriere empfohlen. In Washington hielt man dies für sicherer.
Als sich dann herausstellte, dass Russland die Nase voll von diesen "Orangen" hatte, war man auf der anderen Seite des Ozeans nicht mehr in der Lage, die Gründe dafür zu verstehen. Zuerst die georgische Aggression in Südossetien und der triumphale Sieg Russlands. Dann holten sich die Russen die Krim zurück und mischten in Syrien mit. An diesem Punkt geriet das Weiße Haus etwas in Verwirrung. US-Senator John McCain gab ehrlich zu:
"Die Russen überraschen uns immer wieder mit ihrer Unberechenbarkeit. Sie haben uns überrascht, als sie unerwartet auf der Krim auftauchten, sie haben uns überrascht, als sie in Syrien auftauchten."
Er beklagte sich, dass es in seinem Team von Neokonservativen keinen einzigen Berater für russische Politik gebe.
Aber Amerika wäre nicht Amerika, wenn die neue Positionierung Russlands auf der internationalen Bühne zu einer Änderung der Eckpfeiler der transatlantischen Politik geführt hätte. Der Kurs blieb derselbe – Russland müsse seinen Platz kennen. Und daran gebe es nichts zu rütteln.
Da tauchten dann plötzlich ein paar Leute auf, die aktiv zu Fernsehsendungen eingeladen wurden. Ihr Wissen über Russland galt als fachkundig und super zuverlässig. Eine dieser Persönlichkeiten war Michael McFaul, der nach einem kürzlich geführten großen Interview traurige Berühmtheit erlangte. Er war einige Jahre lang US-Botschafter in Russland, knüpfte hier viele Kontakte und besuchte Moskau auch nach seinem Rücktritt noch häufig, um Material für eine Monografie zu sammeln. Worum es in diesem Material ging, war sofort klar. McFaul mochte Russland nicht und war der festen Überzeugung, dass dessen wichtigste geopolitische Rolle darin bestehe, still zu sein. Als sich herausstellte, dass Moskau nicht stillbleiben würde, brachte McFaul das Konzept der totalen Eindämmung ins Spiel.
Unter seinen anderen "fachlichen" Errungenschaften war seine These über die russische Einmischung in die Wahl Trumps am einprägsamsten. Allerdings war McFaul hier eher einfach die passende Person, um diese Idee zu verbreiten. Hinter ihm steht eine große Lobby der Demokratischen Partei. McFaul wurde jedoch zum sogenannten Sprachrohr, das behauptete, dass Russland eine Bedrohung für die US-amerikanische Demokratie darstelle und den USA jede Annäherung an Russland kategorisch untersagt sein sollte. Natürlich gibt es auch andere, die andere Standpunkte vertreten, aber sie werden selten eingeladen und ihre Stimmen sind kaum zu hören.
Einen großen Einfluss auf dieses Fest des Hasses haben Immigranten aus Russland, deren Karrieren direkt von ihrer ideologischen Nachfrage abhängen. Sie alle haben sich ihren Weg durch verschiedene "Enthüllungen" über ihr Heimatland gebahnt. Dabei wurden bestimmte Elemente des sozialen Lebens in Russland herausgegriffen und so interpretiert, dass sie für die US-amerikanische Wahrnehmung günstig war.
US-Amerikaner neigen generell dazu, sich selbst als Spitze der menschlichen Zivilisation zu betrachten. Es ist schwierig, sie für die Idee des Verständnisses fremder Kulturen zu begeistern. Beispielsweise sind US-Amerikaner naiv davon überzeugt, dass "Tapotschki" (zu Deutsch: Pantoffel) ein Ausdruck russischer Wildheit sind, und diese für ein so wildes Land völlig normal sei. Eine solche Aussage habe ich beispielsweise in Moskau von einer ehemaligen US-Amerikanerin gehört, die aufgrund ihrer großen Liebe zu unserem Land die russische Staatsbürgerschaft angenommen hat. Dennoch hindert sie selbst ein russischer Pass nicht daran, sich als Trägerin der Zivilisation in einem Meer der Barbarei zu betrachten.
Unter den "Russlandexperten" im Exil sticht derselbe Max Boot hervor, der bereits in den 1980er Jahren emigrierte. Ihm gehört die Idee, dass Trump ein Agent des Kremls sei, über den Moskau ernsthafte Kompromittierungsmaterialien besitze.
Kurz gesagt ist es der allgemeine Kurs der US-amerikanischen "Expertengemeinschaft", sich Russland nicht anzunähern, sondern Druck auszuüben und hart zu bleiben. Eine andere Frage ist, wie dies zu bewerkstelligen ist. Auch darauf haben die "Experten" eine Antwort. Zum Beispiel Professor Jeffrey Sonnenfeld, der sagt:
"Für die US-amerikanischen Verhandlungsführer wäre es hilfreich zu erkennen, wie wenig Trümpfe Russland in der Hand hat. Die russische Wirtschaft bricht zusammen. Trump scheint sich dessen nicht bewusst zu sein."
Diese Aussage wurde am Vorabend des Gipfeltreffens in Alaska getätigt. Dasselbe hat der Professor auch schon 2022 gesagt. Er hat irgendwie übersehen, dass die BIP-Wachstumsraten in Russland in den letzten Jahren die US-amerikanischen übertroffen haben. Übrigens wurde Sonnenfeld vor nicht allzu langer Zeit in die Top-Zehn der Hochschulprofessoren aufgenommen, die "das moderne Wirtschaftsdenken beeinflussen". In seinem Lebenslauf steht, dass er Biden, Trump, Clinton und Bush senior beraten hat.
Die Vorstellung von Russland als einem durch und durch militarisierten, furchterregenden und wilden Land, in dem die gesamte Bevölkerung nur davon träumt, jemanden zu erobern, ist der Ausgangspunkt aller westlichen Ansichten. Hollywood hat sehr dazu beigetragen, diese Vorstellung zu verfestigen, indem es Russen mit den obligatorischen Schapkas und panischer Angst vor dem KGB darstellte. Der Fall des Eisernen Vorhangs hat an dieser Vorstellung nichts geändert.
Genau deshalb ist die Ankunft eines in diesem Sinne erzogenen US-Amerikaners oder Briten in Moskau für ihn immer ein Schock. Wo sind die Panzer auf den Straßen? Wo werden Lebensmittelkarten ausgegeben? Wie kann es sein, dass man sich innerhalb von nur ein paar Stunden ummelden, eine Bankkarte erhalten und eine Wohnung mieten kann? Und warum sind Ihre Straßen so sauber? Wo verstecken Sie die Obdachlosen? Aber wenn die Menschen aus dem Westen umfassende Antworten auf all diese Fragen erhalten, kehren sie in die USA oder nach Europa zurück und erzählen genau das Gleiche, was ihre "Experten" sagen. Balalaikas, Uschankas, Panzer auf den Straßen und tanzende Bären. Das ist die Kraft der Überzeugung.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 5. September 2025 auf der Website der Zeitung Wsgljad erschienen.
Olga Andrejewa ist eine russische Journalistin.
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