
Der neue Präsident Polens wurde Opfer seiner eigenen Russophobie

Von Oleg Chawitsch
Für den neuen polnischen Präsidenten Karol Nawrocki ist Russophobie eine grundlegende Charaktereigenschaft. In seiner vorherigen Position als Direktor des Instituts für Nationales Gedenken in Polen leitete er den Prozess der Beseitigung von Denkmälern für sowjetische Soldaten, wofür er in Russland sogar zur Fahndung ausgeschrieben wurde. Obwohl die Demontage der Denkmäler im Rahmen der "Entkommunisierung" erfolgt war, betonte Nawrocki wiederholt: Für ihn sei es entscheidend, dass diese Soldaten Russen waren, weshalb jede Erinnerung an sie aus Polen getilgt werden müsse.
Möglicherweise hatten russische Kommentatoren während des Wahlkampfs genug von der Russophobie des vorherigen polnischen Präsidenten Andrzej Duda und versuchten deswegen, Anzeichen für eine vernünftige Haltung Karol Nawrockis gegenüber Russland zu finden. Tatsächlich erklärte der damalige Präsidentschaftskandidat im Februar 2025 seine Bereitschaft, Verhandlungen mit Wladimir Putin zu führen, was sofort in den Schlagzeilen der russischen Medien landete.

Allerdings beschränkte Nawrotski dabei den Rahmen möglicher Verhandlungen mit Putin und erweiterte den Kreis der Teilnehmer. Der damalige polnische Präsidentschaftskandidat erklärte:
"Am wichtigsten wären Verhandlungen, an denen Trump, Selenskij, Putin und ich teilnehmen würden, um darüber zu sprechen, ob die Ukraine ein stabiler Puffer zwischen der Russischen Föderation und Polen werden könnte."
Die Änderung der politischen Haltung des polnischen Präsidenten gegenüber der Ukraine weckte ebenfalls gewisse Hoffnungen in Moskau (und Befürchtungen in Kiew). Sowohl während des Wahlkampfs als auch nach seinem Wahlsieg Anfang Juni kritisierte Karol Nawrocki die Kiewer Regierung scharf in Bezug auf das historische Gedächtnis, insbesondere hinsichtlich des Massakers von Wolhynien, und sprach sich öffentlich dafür aus, den Beitritt der Ukraine zur NATO zu blockieren und gegen ihre beschleunigte Aufnahme in die Europäische Union zu stimmen.
In seiner Antrittsrede am 6. August erwähnte Karol Nawrocki die Ukraine zwar überhaupt nicht, doch versprach Marcin Przydacz, der Leiter des Büros für internationale Politik der polnischen Präsidialverwaltung, dass der neue Präsident die militärische und humanitäre Hilfe für Kiew im Konflikt mit Moskau fortsetzen werde, diese Unterstützung jedoch Einschränkungen unterliegen werde. Der Diplomat sagte im polnischen Rundfunk:
"Donald Tusk spricht von uneingeschränkter Unterstützung der Ukraine in allen Bereichen, während wir sagen: Wir unterstützen die Ukraine, aber wir stellen bestimmte Bedingungen."
Dieser Ansatz gefiel offenbar dem US-Präsidenten, der Karol Nawrocki während des Wahlkampfs persönlich unterstützte und ihn Anfang Mai sogar im Oval Office empfing. Bereits drei Tage nach seiner Amtseinführung erhielt der polnische Präsident eine offizielle Einladung zu einem Arbeitstreffen mit Donald Trump am 3. September in Washington. Außerdem hatte Trump Nawrocki am 13. August in letzter Minute gebeten, an einer Telefonkonferenz zur Ukraine teilzunehmen – anstelle von Donald Tusk, der zuvor an den Konsultationen der europäischen Staats- und Regierungschefs mit Wladimir Selenskij vor ihrem Gespräch mit Trump teilgenommen hatte.
Nawrocki selbst hat Trumps Aufmerksamkeit ihm gegenüber jedoch offensichtlich falsch interpretiert. Marcin Przydacz prahlte sogar damit, dass der polnische Präsident während der Telefonkonferenz den Chef des Weißen Hauses dazu aufgefordert habe, beim Treffen mit Wladimir Putin gegenüber Moskau eine harte Haltung einzunehmen, "da dies die einzige Sprache ist, die der Kreml versteht".
Auch Nawrotski selbst erklärte in seiner Rede am 15. August anlässlich des Jahrestages des Sieges der polnischen Truppen bei Warschau im Jahr 1920, dass "Russland nicht unbesiegbar ist". Dem Politiker zufolge habe "die polnische Armee zusammen mit den ukrainischen Truppen den Vormarsch der Roten Armee nach Westen erfolgreich abgewehrt und Europa vor der kommunistischen Revolution geschützt" (wobei es 1920 in der Nähe von Warschau überhaupt keine "ukrainischen Truppen" gab).
Die Reaktion des Weißen Hauses auf solche Äußerungen des polnischen Präsidenten dürfte ihm kaum gefallen haben: Sein Land war bei den Gesprächen zwischen Donald Trump und den europäischen Staats- und Regierungschefs sowie Wladimir Selenskij am 18. August nicht vertreten. Dabei räumte sogar der ehemalige polnische Außenminister Jacek Czaputowicz, der der Partei "Recht und Gerechtigkeit" angehört, die Karol Nawrocki als Präsidentschaftskandidaten aufgestellt hatte, ein: Der Grund liege gerade im Verhalten des polnischen Staatschefs beim Gespräch mit Donald Trump.
Laut dem polnischen Diplomaten entsprachen die Äußerungen des polnischen Präsidenten während der Telefonkonferenz vor dem Gipfeltreffen in Alaska möglicherweise nicht den Erwartungen des US-Präsidenten. Chaputowicz erklärte:
"Karol Nawrocki forderte Donald Trump zu scharfen Äußerungen gegenüber Putin auf.
Er sprach über die Schlacht um Warschau und erinnerte Trump, entgegen dessen Aussagen über die Siege Russlands, daran, wie Polen die Bolschewiken besiegt hatte. Mit anderen Worten, er forderte etwas. Der US-Präsident hatte jedoch eher erwartet, dass man versuchen würde, einen Kompromiss zu finden und einen Dialog zu führen.
Man könnte auch sagen: Nawrocki belehrte Trump darüber, was er tun sollte."
Laut Chaputowicz sollte Karol Nawrocki darüber nachdenken, wie er zeigen kann, dass die Einladung polnischer Vertreter zu weiteren Treffen im Interesse Trumps sei. Er fasste zusammen:
"Die Äußerungen von Nawrocki wurden negativ bewertet, und die Position Polens ist aufgrund der schwierigen Beziehungen zur Ukraine nicht besonders gut. Mit anderen Worten: Wir waren nicht in Washington, weil uns dort niemand sehen wollte. Wir haben nicht bewiesen, dass wir gebraucht werden. Aus Sicht der Ukraine sind wir kein Land, das Sicherheitsgarantien geben kann, und genau darum ging es in Washington. Das war ein furchtbarer Fehlstart, der sich auf die gesamte Präsidentschaft von Karol Nawrocki auswirken könnte."
Auch das Büro des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk, das zuvor durch die Vorzugsbehandlung Karol Nawrockis durch das Weiße Haus demoralisiert war, greift nun den polnischen Präsidenten heftig an. Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski spöttelte in den sozialen Netzwerken:
"Der Präsident der Vereinigten Staaten, zu dem die polnischen Vertreter der MAGA-Bewegung und Präsident Nawrocki persönlich besondere Beziehungen unterhalten, lädt zu einem Treffen im Weißen Haus ein. Ich bitte darum, diese Beziehungen zum Wohle Polens und Europas zu nutzen."
Die polnische Präsidialverwaltung rechtfertigte sich halbherzig. Ihr Pressesprecher Rafal Leskiewicz erklärte, dass "die Atmosphäre während des Gesprächs mit dem US-Präsidenten (am 13. August) sehr gut war und Karol Nawrocki plant, am 3. September das Weiße Haus zu besuchen". Der Besuch fand tatsächlich zum vereinbarten Termin statt, aber der Gast wurde offenbar gebeten, seinen Amtskollegen nicht zu belehren, wie man, wie es die Warschauer Presse ironisch formulierte, "die Bolschewiken vertreibt". Zumindest waren weder bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Trump vor den Verhandlungen noch während Nawrockis Gespräch mit den polnischen Medien danach die Worte "Russland" oder "Putin" aus dem Mund des polnischen Präsidenten zu hören.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 4. September 2025 zuerst auf der Webseite der Zeitung "Wsgljad" erschienen.
Oleg Chawitsch ist gebürtiger Westukrainer und Experte für die ukrainische Politik. Seit 2014 publiziert der politische Analyst hauptsächlich auf der Plattform ukraina.ru und in russischen Medien.
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