"Nothing personal, just business": Der Westen vernichtet seine Konkurrenten
Von Jelena Karajewa
Zwölf Stunden nach der Festnahme von Pawel Durow sind Einzelheiten zu den Ursachen und Folgen des Vorfalls an die Presse durchgesickert. Der Russe Durow ist bekanntlich Gründer von Telegram, einem Messengerdienst, der schneller wächst als seine Konkurrenten.
Berichten zufolge sind die angeklagten "Todsünden", die Durow von der französischen Justiz zur Last gelegt werden, nicht "persönlicher Natur" ("ne le concernent pas à titre personnel"), was bedeutet, dass es nicht Durow selbst war, der die Straftaten begangen hat – aber [durch] sein Telegram.
Denn er, Durow, erlaubte sich (bzw. dem Team, das bei TG arbeitet und die Software pflegt), den Inhalt der in den Chats veröffentlichten Nachrichten nicht zu moderieren.
Diese Chats konnten bis zu mehreren zehntausend Teilnehmer umfassen, die über verschiedene Themen diskutieren durften. Vorläufige Daten (zu denen der Zugang verständlicherweise geheim ist), die von französischen Strafverfolgungsbehörden erlangt wurden (wir können uns vorerst nur auf ihr Wort verlassen), belasten Durow wegen mangelnder Moderation in den Chatrooms (und damit wegen möglicher schwerer Straftaten).
Allerdings, und das muss betont werden, muss der Zusammenhang zwischen Äußerungen im Chat und der Begehung angeblichen Straftaten erst nachgewiesen werden. Und solange das Gericht und die Justiz noch kein Urteil gefällt haben, gilt für Durow – egal, wie sehr die Gesetzeshüter seine hypothetische Verantwortung erzwingen und wie sehr sie versuchen, ihn zu brechen – die Unschuldsvermutung. Die Beweislast für alle Anschuldigungen liegt bei den Ermittlern, bei der Polizei, beim Ermittlungsrichter, bei der Staatsanwaltschaft.
Niemand bezweifelt, dass Pawel Durow ein starkes Team von Anwälten zur Seite steht, das jedes Komma und jedes Detail der Anklageschrift unter die Lupe nehmen wird.
Aber die aktuelle Tagesordnung ist mit Spekulationen und Annahmen gefüllt, von denen die meisten wahrscheinlich nicht durch Fakten bestätigt werden können. Dies ist etwas ganz anderes als die Realität und Fakten, die in kohärente rechtliche Formulierungen gegossen sind.
Ein Beispiel dafür ist die Untersuchung der Arbeit des Messengers und der Vereinbarkeit der Handlungen seines Managements mit dem sogenannten Gesetz über digitale Dienste. Dieses Gesetz wurde, wie in der Regel im paneuropäischen Block, angeblich erlassen, um ausschließlich die Interessen der Nutzer zu schützen, gegen alles, was schlecht ist, und für alles, was gut ist. Der Impuls, die Ruhe im "europäischen Garten" zu schützen, bestand darin, Barrieren gegen alternative Informationen zu errichten, die sich in sozialen Netzwerken verbreiteten.
Es war die Zeit der Pandemie, als offiziellen Daten nicht mehr vertraut wurde. Daher beschafften sich die europäischen Bürger Informationen im Internet. Vor diesem Hintergrund wurde das vorbenannte Gesetz schließlich verabschiedet, um Andersdenkenden den Mund zu stopfen. Das Dokument enthielt jedoch Einschränkungen: Soziale Netzwerke wurden verpflichtet, "anstößige Inhalte" zu moderieren und zu entfernen, wenn die Zahl ihrer Nutzer 45 Millionen Menschen in der EU übersteigt.
Als wir bei Telegram anfragten, antwortete man uns höflich, der Messenger habe 41 Millionen Nutzer und falle daher nicht unter das Gesetz. Das war vor ein paar Monaten.
Damals begannen besonders scharfe und stimmgewaltige Soprane und Tenöre, den Messenger aller möglichen Verbrechen zu beschuldigen (sowohl im Sinne des Strafrechts als auch im Sinne des Informationskriegs, der gegen uns geführt wird).
Telegram ist in den vergangenen Monaten mehrmals ausgefallen. Das kann natürlich ein Zufall sein, aber es ist möglich, dass die Aufsichts- und Kontrollorgane der EU die Zahl der Nutzer bewertet haben. Und nachdem sie dies getan hatten, kamen sie zu dem Schluss, dass ein solcher Konkurrent, dazu noch eine freie Plattform ohne Vor- und Nachmoderation Nutzer von den europäischen Bürokraten genehmen sozialen Netzwerken anziehen könnte.
Ein widerspenstiges Telegram, das keine Spielchen mit der Redefreiheit spielen will, wird im paneuropäischen Block nicht gebraucht.
Pawel Durow selbst sprach darüber ganz offen in einem Interview mit Tucker Carlson. Er erwähnte zwei Giganten und nannte sie seine Konkurrenten: Google und Apple. Es ist seit langem bekannt, dass beide Konzerne, ob unter Druck oder nicht, mit den westlichen Geheimdiensten zusammenarbeiten, ohne diese nicht gerade appetitlichen Verbindungen öffentlich zu machen. Und nur der faulste Mensch weiß nicht, dass Meta* mit den persönlichen Daten der Nutzer Handel treibt.
Telegram hat ähnliche Angebote schon mehrmals abgelehnt. Die erste Ablehnung endete mit seiner Auswanderung ins sonnige Dubai, die zweite könnte für Durow mit ein paar Jahrzehnten Haft in einem französischen Gefängnis enden. Ging es im ersten Fall nur darum, die digitale Plattform neu auszurichten, so geht es im zweiten Fall darum, ein erfolgreiches Geschäft unter seinen Wettbewerbern aufzuteilen. Und alles im Schein der Legalität.
Schließlich geht es nur um das Geschäft und nichts Persönliches: "Nothing personal, just business".
* Die Aktivitäten von Meta (die sozialen Netzwerke Facebook und Instagram) sind in Russland als extremistisch verboten.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Originalartikel ist am 25.08.2024 auf ria.ru erschienen.
Mehr zum Thema – Telegram-Gründer Durow: Das FBI wollte heimlich einen meiner Mitarbeiter anwerben
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.