Harald Schmidt verteidigt Wahlen und Wähler – der Mainstream springt sofort darauf an
Von Tom J. Wellbrock
Harald Schmidt ist schmerzfrei. Der Mann hat so viel erlebt, dass ihn Shitstorms oder andere Formen der Angriffe nicht mehr aus der Ruhe bringen können. Das ist so und es ist wenig bemerkenswert, wenn man das Schaffen dieses Mannes ein wenig verfolgt hat. Was jedoch in jedem Fall bemerkenswert ist, ist die Tatsache, dass ein ziemlich simpler Satz ausreicht, um die Medienmeute gegen ihn aufzubringen. Auf die Frage des Moderators einer Veranstaltung des Deutschlandfunks, wie man denn mit Parteien wie der AfD oder dem BSW umgehen solle, antwortete Schmidt:
"Das sind Ergebnisse von freien Wahlen, von freien, gleichen und geheimen Wahlen. Wenn ich das nicht will: Wahlen abschaffen oder Ergebnis vorher festlegen. Für beides gibt es Modelle, aber diese Aufgeregtheit … das verstehe ich nicht."
Im Grunde ist damit alles gesagt: In Deutschland gibt es freie und geheime Wahlen, AfD und BSW sind gewählte Parteien, Ende der Geschichte. Aber im Land der Wokeness und Kriegstreiberei funktioniert das so nicht. Also gab es reichlich Gegenwind für Schmidt. Ein argumentativ besonderes Leichtgewicht warf mit so vielen Wattebäuschen wie möglich auf Harald Schmidt: Moritz Post von der Frankfurter Rundschau.
Geh in Rente, Alter!
Gleich zu Beginn seines wirren Textes macht Post deutlich, dass er Schmidt gern in Rente sehen würde. Und wirft ihm dann vor:
"Stattdessen hat es sich der Rentner zur Gewohnheit gemacht, durch kontroverse Auftritte mit Rechtspopulisten oder sexistischen Äußerungen gegenüber renommierten Politikwissenschaftlerinnen aufzufallen."
Das ist keine Kunst, das kann weg. Um welche sexistischen Äußerungen es sich handelt, erfährt der unbedarfte Leser nicht, die kontroversen Auftritte aber sind ein paar Fotos mit Hans Georg Maaßen und Matthias Matussek. Die übliche Kontaktschuld also, kann in die Tonne. Wer die beiden übrigens nicht kennt, möge recherchieren, nur so viel: Der Autor dieses Textes saß neben Matussek mal ein paar Stunden im Flugzeug und hat es überlebt.
Man liest weiter und hofft auf ein Argument, das sollte schließlich der Sinn eines solchen Artikels sein. Also irgendwas mit Wahlen und Demokratie sollte schon vorkommen beim Post-Mann. Aber da ist nichts, mit gutem Willen versucht man – letztlich aber erfolglos – diesen Erguss als Argumentationsversuch zu verstehen:
"Zwar verkauft Schmidt seine Einstellung in einem Duktus, der sich aus einer angeblich von Genialität und Altersweisheit geschwängerten Attitüde speist. Bei genauerer Betrachtung ist es aber ein Leichtes, diese Fassade als das zu erkennen, was sie ist: Die Einstellung eines 12-jährigen Lausbuben, der seine Hausaufgaben nicht macht, den Lehrerinnen und Lehrern in der Schule nicht zuhört, deshalb in keiner Weise fundiert über die relevanten Dinge des Lebens informiert ist, auf dem Pausenhof aber der Anführer sein möchte, was er aber nur durch sein (vor-)lautes Organ zu realisieren in der Lage ist."
Nun ja, Zuschreibungen und Beleidigungen, kann man machen. Etwas Substanzielles sollte aber wenigstens mitmischen. Vielleicht irgendwas mit Wahlen und Demokratie, oder so. Okay, vielleicht weiter unten im Text.
Nie wieder! Oder so ähnlich
Langsam kommt Post in Fahrt und geht auf das oben genannte Schmidt-Zitat ein. Zunächst unterstellt er dem Entertainer, dieser halte die Wähler für zu doof, um richtig zu wählen. Das dürfte man aber vernachlässigen, ist wohl nur in Moritz’ Kopf. Dann aber fährt er zur Hochform auf. Schmidt habe eine überhebliche und chauvinistische Position, er verkürze und stelle alles intellektuell unterkomplex dar, Post sei nicht klar, ob der Mann sich überhaupt selbst mal zuhöre, geschweige denn verstehe, was er sagt.
Nein, das ist natürlich noch immer keine Argumentation, sondern weiterhin plumpes Geschimpfe, kombiniert mit dem Versuch, das alles irgendwie intellektuell und tiefgründig 'rüberkommen zu lassen. Aber jetzt kommt das Argument, zumindest wollen wir die folgenden Worte einmal so interpretieren:
"Denn um zu begreifen, was die Wahl einer rechtsextremen Partei für Folgen haben kann, muss man mittlerweile nicht mehr zurück in die letzten Jahre der Weimarer Republik schauen. Die AfD hat in den vergangenen Jahren durch politische Initiativen und Anfragen sehr deutlich gemacht, was die Partei vorhat: Netzwerke zur Demokratieförderung abschaffen und eine illiberale Gesellschaft etablieren."
Was lesen wir heraus? Wenn wir Bezug nehmen auf das Schmidt-Zitat, müssen wir uns an die Stichworte Wahlen und Demokratie klammern, denn darum ging es dem Satiriker ja. Und wir entdecken endlich, was Post uns sagen will: Wahlen gehören abgeschafft, oder zumindest so hingebogen, dass sich bestimmte Parteien nicht mehr einfach so wählen lassen dürfen. Wir müssen also im Grunde die Demokratieförderung abschaffen und eine illiberale Gesellschaft aufbauen, um genau dies zu verhindern. Vielleicht irrt der Autor dieses Textes, aber es fällt ihm schwer, Post anders zu verstehen.
Die Krönung!
Am Ende des Artikels präsentiert uns Post die Krönung des Absurden, den Gipfel der Dummheit, den Höhepunkt des Wahnwitzes, wenn er schreibt:
"Die Demokratie, wie wir sie in Deutschland haben, hat auch die zentrale Aufgabe, Minderheiten zu schützen und die Pluralität der Gesellschaft zu wahren. Mit der AfD in der Regierung, würde die Demokratie diese Aufgabe nicht mehr erfüllen und würde dysfunktional. Auch wenn die Bürger:innen weiterhin ihr Kreuz setzen dürfen. Dabei brauchen wir solch eine plurale Demokratie mehr denn je. Doch das will Schmidt einfach nicht wahrhaben. Was heute stattdessen wirklich niemand mehr braucht, ist Harald Schmidt."
Moment mal! Minderheiten schützen? Gegen Mehrheiten? Muss wohl so sein, denn der Post-Mann hat ja recht: Zumindest in den ostdeutschen Bundesländern sind die etablierten Parteien wie Grüne, SPD oder FDP heute nur noch mickrige Minderheiten. Will Post die schützen? Und wenn ja, wie genau? Durch erzwungene Kreuze auf Wahlzetteln? Dann wäre er nahe dran an dem, was Schmidt meinte, als er sagte, es gebe "für beides Modelle".
Nein, Post muss etwas anderes meinen, er will ja schließlich die Pluralität retten. Gehört zu der aber nicht auch ein breites politisches Angebot, also Parteien, die unterschiedliche Positionen vertreten? Sonst ist es doch nicht mehr pluralistisch, oder?
Post will die Wahlen in ihrer jetzigen Form abschaffen, man kann einfach zu keinem anderen Schluss kommen. Die Menschen sollen also weiterhin ihr Kreuz setzen dürfen, nur eben nicht an der falschen Stelle. Derzeit zeichnet sich aber überdeutlich ab, dass viele der Wähler der Postschen Forderung einfach nicht nachkommen wollen. Und was weiter oben bereits geschrieben wurde, sei hier wiederholt, allerdings nicht als Unterstellung Harald Schmidt gegenüber, denn wenn hier jemand die
Wähler als zu doof, um richtig zu wählen
einordnet, dann ist das Moritz Post, und niemand sonst.
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.
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