Meinung

Bedrohung durch Migranten: Russland in Gefahr?

Fragen der Migration sorgen heutzutage in Russland für heftige Diskussionen. Dabei sollte nicht übersehen werden, dass real existierende Probleme vom Westen zu einer Destabilisierung des Landes instrumentalisiert werden könnten.
Bedrohung durch Migranten: Russland in Gefahr?Quelle: Sputnik © Kristina Kormilizyna

Von Wiktorija Nikiforowa

Das Thema Migranten in Russland hat in den vergangenen Monaten eine deutliche Politisierung erfahren. Das ist besonders auffällig, wenn man bedenkt, dass nachdem das sowjetische Institut der Wohnsitzanmeldung vor über 30 Jahren abgeschafft wurde, Millionen Menschen in russische Großstädte ziehen. Seit den späten 1980er-Jahren ist Moskau voll von zugezogenen Taxifahrern, Straßenfegern, Bauarbeitern, Kassierern, Opernsängern und Balletttänzern, Busfahrern und Bibliothekaren, Ärzten und Metrozugfahrern. Und irgendwie kamen wir alle perfekt miteinander aus und haben in diesen Jahren ein wunderbares Land aufgebaut.

Doch wenn man heute einen Tag in den sozialen Netzwerken verbringt, wird man erfahren, dass wir hier eigentlich okkupiert, geplagt und dem Untergang geweiht sind. Und all das hätten die Zuwanderer getan. Kurz, "so kann man nicht leben", doch wie man weiterleben soll, ist unklar.

Freilich erscheinen Migranten regelmäßig in der Kriminalstatistik, doch sie erschienen dort auch früher. Warum erregt dieses Thema gerade jetzt so viel Aufsehen? Dabei kann man sich scheinbar über Zuwanderer nur äußern, wenn man im Gleichklang mit allen schreit. Jede abweichende Meinung, jeder Versuch einer besonnenen Klarstellung, jeder Vorschlag, sich einfach zu beruhigen, garantieren, dass man mit Dislikes und verbalen Ausfällen überschüttet wird. Die Anonymität der sozialen Netzwerke macht solche Diskussionen noch destruktiver.

All das zeigt den künstlichen Charakter dieses Themas. Jemand möchte unbedingt, dass es hochgeschaukelt wird, jemand anderem ist es sehr wichtig, dass wir einander mit Schaum vor dem Mund anfallen. Die Frage ist nur – wozu?

Ich will gar nicht sagen, dass Arbeitsmigranten keine Verbrechen begehen. Die vom Leiter des russischen Ermittlungskomitees Alexander Bastrykin auf dem Petersburger Internationalen Rechtsforum verkündete Statistik ist besorgniserregend. Es ist ein reales Problem, das bekämpft werden muss. Die Arten der Bekämpfung sind offensichtlich – zuallererst die Ausrottung der Korruption bei den Sicherheitsbehörden, die Beseitigung von Firmen und Privatpersonen, die gesetzwidrig Migranten legalisieren, verpflichtende digitale Kontrolle für alle, die nach Russland kommen. Und selbstverständlich eine Nulltoleranz gegenüber der Kriminalität von Migranten.

Das Problem ist ernst, doch es ist lösbar und es wird bereits gelöst. Organisatoren von illegaler Migration werden aufgespürt und hinter Gitter geschickt. Gesetzgeber diskutieren über die Option, Betreibern von "Gummiwohnungen" (Wohnungen, deren Eigentümer sie einer unbeschränkten Zahl von Migranten als fiktiven Meldesitz gegen Geld bereitstellen – Anm. d. Ü.) das Eigentumsrecht zu entziehen. Gerade eben hat die Staatsduma einer Erweiterung der Liste von Gründen für eine Ausweisung von Ausländern aus Russland zugestimmt. Doch wenn man in sozialen Netzwerken liest, scheint es, dass die Teilnehmer der dortigen Diskussionen gar nichts entscheiden wollen, sie wollen einfach ihrem Ärger Luft machen.

All das erinnert an die berüchtigten späten 1980er-Jahre, als friedliche Sowjetrepubliken mit den gleichen Methoden – durch das Etablieren eines höhlenartigen Nationalismus – destabilisiert wurden. Damals waren "russische Okkupanten" an allem schuld, heute werden "Zugereiste" für alles verantwortlich gemacht. Doch der Mechanismus der Förderung des zwischennationalen Hasses ist ganz gleich. Wird er nicht gestoppt, wird er das ganze Land zerbrechen.

Der Frieden zwischen den Nationen scheint uns so selbstverständlich wie die Luft zum Atmen zu sein. Genauso dachten die Bewohner der späten Sowjetunion, als sie ihre Heimat zerstörten. Es stellte sich aber heraus, dass dieser Frieden ein großer sozialer Reichtum ist. Dafür muss man kämpfen, man muss ihn schützen können. Andernfalls erwartet uns ein Krieg aller gegen alle.

All diese Prozesse erfordern eine strikte Kontrolle vonseiten des Staates. Der legendäre sowjetische Internationalismus, der Vertreter Hunderter unterschiedlicher Nationen zu einem Volk zusammenschweißte, wäre ohne eine klare, abgestimmte und gnadenlose Arbeit der Sicherheitsbehörden unmöglich. Ohne Hintergedanken beseitigten sie radikale ukrainische Bandera-Nationalisten, gefährliche religiöse Anführer und Sektenmitglieder.

Doch ohne eine Unterstützung der Gesellschaft schaffen es die Sicherheitsbehörden auch nicht. Und hier sollten wir alle unsere Emotionen kontrollieren – nicht mit pauschalisierenden Beleidigungen um sich werfen, keine Panik blasen, Nachrichten prüfen.

Russlands Dekolonisierung ist die zweite offiziell verkündete Etappe der Zerstörung unseres Landes. Der Westen ging dazu über, als klar wurde, dass Russland nicht mithilfe der Ukraine zerstört werden kann. Sämtliche Foren von "unterdrückten" Völkern, die in Europa veranstaltet werden, sind ein bloßer Vorwand. Die wirkliche Arbeit wird gerade in unseren sozialen Netzwerken geführt.

Es lohnt sich, daran zu erinnern, dass einer der radikalsten "Beschützer" des russischen Volks vor den Migranten sich nach seiner Deanonymisierung in den sozialen Netzwerken als ein weißrussischer Homosexueller erwies, der seinen ständigen Wohnsitz in Polen und den USA hat. Von dort aus hat er uns "beschützt". Dankenswert, sicher, doch wir schaffen es auch selbst.

Allgemein ist es eine klassische angelsächsische Taktik – eine Nationalität vor einer anderen zu "schützen". Pakistaner vor Indern, Juden vor Arabern, Kroaten vor Serben, oder man nimmt gar ein Volk und beginnt, einen Teil davon vor einem anderen zu schützen – Ukrainer vor Russen oder Südkoreaner vor Nordkoreanern. Es erübrigt sich, zu erklären, dass dadurch die glücklosen "Beschützten" die ihnen zugewiesenen Feinde jahrzehntelang bekämpfen, dabei verarmen, degradieren, während Uncle Sam das Ganze beobachtet und sich ins Fäustchen lacht.

Doch unsere Gegner sind klug genug, nur jene Schwachstellen anzugreifen, die es in der Gesellschaft tatsächlich gibt. Wir haben ein Problem damit, Migrationsströme zu organisieren, und wir werden es unbedingt lösen, und zwar ohne überflüssige Emotionen und Geschrei und ohne eine Einmischung von außen.

Sich heute von der Dekolonisierungs-Agenda der Angelsachsen leiten zu lassen, sein Land der Gefahr einer Destabilisierung zum kritischsten Zeitpunkt unserer modernen Geschichte auszusetzen, ist eines Patrioten unwürdig. Besonders schade ist es, wenn man sieht, wie es ehrliche, kluge Menschen tun, die ihre Heimat aufrichtig lieben. Zur Zeit der Perestroika gab es auch sehr viele solche Menschen. Sie wiederholten ebenfalls: "So kann man nicht leben!" Das Ergebnis ihrer Tätigkeit ist allgemein bekannt.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei RIA Nowosti am 10. Juli.

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