Meinung

Sommermärchen 2024? Wie einem Fußballturnier die Leichtigkeit genommen wird

Kürzlich wurde in Deutschland über eine Umfrage des WDR diskutiert, in der die Frage gestellt wurde, ob es in der Nationalmannschaft mehr Weiße geben sollte. Die Umfrage zeigt: Die größte Sorge von Politik und Medien besteht darin, dass Deutschland eine entspannte Europameisterschaft erleben könnte.
Sommermärchen 2024? Wie einem Fußballturnier die Leichtigkeit genommen wirdQuelle: Legion-media.ru © https://www.legion-media.ru/item/en/1/535009693.158

Von Tom J. Wellbrock

Die Europameisterschaft (EM) 2024 in Deutschland soll möglichst die Wiederholung des Sommermärchens von 2006 werden. Damals umarmte Deutschland den Rest der Welt, so schien es. Selbst im Ausland war man angenehm überrascht von der deutschen Herzlichkeit und Friedlichkeit. Die Korruption, die hinter dem Sommermärchen stand, lächelte man weg, was von der Leyen in Brüssel kann, können die deutschen Funktionäre schon lange. Doch eine solche freudige Wiederholung wird es nicht geben.

So toll war 2006 auch wieder nicht

Der junge schwarze Journalist, der für die oben genannte Umfrage verantwortlich zeichnet, ist auch einer der Macher einer Doku, die zu dem Schluss kommt, dass 2006 doch nicht alles so schön war. Auch damals, so berichtet der Journalist, gab es Menschen, die sich – trotz Feierstimmung – ausgegrenzt fühlten. Menschen mit Migrationshintergrund. Es habe Szenen gegeben. Solche Szenen, in denen sich hier und da ein paar Leute unwohl fühlten. Da ist noch Luft nach oben.

Es gab also 2006 doch tatsächlich Szenen, die nicht zu 100 Prozent in Ordnung waren. Das muss besser werden, deshalb diskutieren wir das jetzt aus, bis sich alle dran halten. Als hätten wir mit der EM nicht ganz andere Probleme!

Sicher ist sicher

Der Deutschlandfunk hat sein Ohr ganz dicht am Volk, wenn er schreibt:

"Fast die Hälfte der Bevölkerung sorgt sich, dass es im Umfeld der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland zu Terroranschlägen kommen könnte. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov und des Sinus-Instituts. Demnach sind 12 Prozent der Befragten 'voll und ganz besorgt' sowie 35 Prozent 'eher besorgt". 20 Prozent der Befragten wollen aus Angst vor Anschlägen nicht zum Public Viewing."

Für Stimmung ist also schon mal gesorgt, der Deutsche hat das, was von ihm erwartet wird: Er hat Angst. Ob diese Umfrage die Realität widerspiegelt, ist eigentlich ziemlich egal, wichtig ist, dass möglichst viele Leute von dieser Angst Wind bekommen.

Vom Deutschlandfunk erfahren wir auch, von wem die Gefahren ausgehen:

"Was den russischen Angriffskrieg betrifft, sagte Buschmann, mit Sabotageakten sei weiterhin zu rechnen. Vom Konflikt in Nahost gehe noch eine etwas andere Gefahr aus. Seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober in Israel sei die Stimmung auch hierzulande aufgeheizter. 'Jüdische Einrichtungen sind seither – noch stärker als früher – Angriffen und Bedrohung ausgesetzt. Auch die Hamas soll Anschläge auf jüdische Einrichtungen in Deutschland geplant haben. Wir müssen deshalb eine besondere Wachsamkeit an den Tag legen', so Buschmann."

Putin also wieder, war ja klar. Hand in Hand mit der Hamas, ist ja logisch.

Sicherer ist sicherer

Vereinzelt geisterten in den letzten Wochen Meldungen durch die Medien, nach denen bereits Anschläge geplant waren und durch Verhaftungen verhindert werden konnten. Deutschlands Sicherheitsmäuschen Nancy Faeser (SPD) sprach auch folgerichtig von einer "riesigen Sicherheitsherausforderung" und kündigte verschärfte Kontrollen, Checkpoints und Einfahrverbote an bestimmten Orten an. Freundlicherweise sind Anwohner vom Verbot der Einfahrt nicht betroffen, werden aber für die Dauer der EM wohl nicht so entspannt wie sonst nach Hause kommen.

In Deutschland wird es demnächst nur so von Bundesbeamten und Polizisten wimmeln, aus allen 24 Teilnehmerstaaten werden sie herangekarrt, und außerdem gebe es einen "engen Austausch mit ausländischen Sicherheitsbehörden". An den Außengrenzen werden zudem vermehrt Personenkontrollen durchgeführt werden.

Habt gefälligst Spaß!

Trotz alledem soll es gute Laune geben, und zwar jede Menge davon. Ähnlich wie seinerzeit bei den Maidan-Protesten wird für ein umfangreiches Rahmenprogramm gesorgt, Fußball allein macht eben nicht glücklich, und schon gar nicht reich (genug). In Berlin erwartet die Besucher eine große Fanmeile, die für 130.000 Menschen Platz bietet. 24.000 Quadratmeter Kunstrasen wurden verlegt, ein überdimensionales Fußballtor aufgebaut, und dann sind da ja noch ein paar coole Events. Es sind Vorlesungen geplant (ob das Grundgesetz vorgelesen wird, ist nicht übermittelt), Konzerte, Tanzperformances, DJ-Sets, Ausstellungen und sogar ein Sommerkino (vermutlich mit knackigen Filmen über den D-Day und die Befreiung Hitler-Deutschlands durch die Amerikaner).

Alles für die gute Laune und die weltoffene Stimmung. Na gut, und für die UEFA, die mit Einnahmen in Höhe von 2,4 Milliarden Euro rechnet und den steuerfreien Gewinn auf 1,7 Milliarden Euro beziffert. Was schon eingenommen wurde, sind die Gelder für die 2,7 Millionen Tickets, die weggegangen sind wie geschnitten Brot. Auf welchem Niveau man die Brot-und-Spiele-Veranstaltung genießen will, bleibt jedem selbst überlassen. Wobei die Preise für die Tickets zwischen 30 und 1.000 Euro schwanken, was die jeweiligen Zielgruppen doch sehr begrenzt.

Die schönste Nebensache der Welt …

… wird vermutlich genau das sein: Nebensache. Rund um die Fußballspiele und die Volksfeste wird in großem Stil gearbeitet, kontrolliert, die Gefahrenlage sortiert und mit viel Augenmaß die stündliche Gesichtskontrolle durchgeführt. Vielleicht kann man nebenbei auch noch den einen oder anderen Terroristen festnehmen oder ein paar Russen verhaften.

Doch der gemeine Fußball-Fan kann sich entspannt zurücklehnen, und auch die Fernsehzuschauer haben nichts zu befürchten. Sämtliche mediale Aufmerksamkeit wird auf die Spiele und die Fanmeilen fokussiert sein. Die unangenehmen Schauspiele im Umfeld der EM werden medial ganz bestimmt unter Verschluss bleiben.

Und so wird die "Welt zu Gast bei Freunden" sein. Abgesehen natürlich von den Teilen der Welt, mit denen man nicht befreundet ist.

 Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Texter, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.

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