Meinung

EU-Wahl: Genießt den Geschmack der Panik!

Manchmal sollte man sich nicht gleich in die Analyse stürzen, sondern nur simpel und dumm Spaß haben. Die Aufnahmen und Äußerungen von und zu gestern können nämlich Freude bereiten, und diese Freude ist nötig. So nötig wie die Luft zum Atmen.
EU-Wahl: Genießt den Geschmack der Panik!© Christoph Soeder/dpa

Von Dagmar Henn

Ja, das EU-Parlament ist so machtlos wie überflüssig. Und wenn man die Reaktion der AfD auf diese halbgare Geschichte rund um Voice of Europe betrachtet, könnten da noch einige böse Überraschungen kommen. Genauso, wie sich jede Hoffnung schnell zerschlagen dürfte, dass sich durch dieses Ergebnis auch nur ein Jota an der Politik in Brüssel ändern wird.

Und dennoch: Es sind finstere Zeiten, und da sollte man Gelegenheiten nicht ungenutzt vergehen lassen, einmal durchzuatmen und sich zu freuen. Denn nach all dem Leid, das die Ampel und insbesondere ihr grüner Teil dem Land auferlegt haben, darf man sich auch einmal ganz unschuldig der Schadenfreude hingeben, wenn sie nun wenigstens einen Denkzettel erhalten haben – auch wenn dessen Wirkung letztlich verpuffen wird –  getreu der Maxime der Außenministerin Baerbock: "Es ist mir egal, was meine Wähler denken."

Wenn man Tag für Tag beim Konsum der Nachrichten aus dem Heimatland nur das Gefühl hat, dem Wahnsinn ins Antlitz zu blicken – oder der blühenden Blödheit –, dann ist es eine wohltuende Erholung, einmal Äußerungen wie diese von Anton Hofreiter zu lesen:

"Erstens hatten wir keinen Rücken-, sondern Gegenwind in der Gesellschaft, weil die Menschen in Krisenzeiten, von Pandemie bis Krieg, eher konservativ wählen. Zweitens hat die Bundesregierung zu oft ein zerstrittenes Bild abgegeben. Und drittens haben wir selbst Fehler gemacht wie beim Gebäudeenergiegesetz."

Na, wer hat denn die Kriegshysterie besonders eingeheizt? Nicht, dass von Friedrich Merz irgendetwas Gutes zu erwarten wäre, aber selbst im Westen folgte das Votum der Wähler vor allem einem Vorhaben: nicht mehr Grün. Dass am Freitag noch schnell das Lieferkettengesetz ausgesetzt wurde, hat erkennbar auch nichts mehr genützt. Wobei, das mit dem Heizgesetz einen "Fehler" zu nennen, ist schon eine Verniedlichung. Nein, das war mit Blick auf die Wand noch einmal voll aufs Gaspedal gestiegen. Grün eben.

Besonders hübsch sind die Wehklagen der Wessis. Jede, auch wirklich jede davon ist getragen vom gleichen Unterton: Jetzt haben wir uns so lange bemüht, so zu tun, als wärt ihr auch Menschen, ihr da drüben, und so wird uns das gedankt.

Der Berlin-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung (SZ) beispielsweise, Daniel Brössler, twittert: "Es stimmt sicher, dass viele Ostdeutsche sich das vereinigte Deutschland anders vorgestellt haben. Heute ist zu sagen: Viele Westdeutsche auch. Wer hätte 1990 gedacht, dass im Osten einmal 40 Prozent für Parteien stimmen, die Fremdbestimmung durch Moskau ganz ok finden."

Das westdeutsche Stockholm-Syndrom findet sich besonders klar in einem der Kommentare zu diesem Tweet, stilgerecht gleich mit den Fähnchen der Ukraine, der EU und Israels dekoriert:

So was aber auch. Das Rätsel lässt sich aber einfach lösen: Die neoliberale Variante des Westens, die der DDR verpasst wurde, mit Ausplünderung nach allen Regeln der Kunst, ist nun einmal nicht halb so attraktiv wie das weit egalitärere Musterland der "sozialen Marktwirtschaft", das die alte BRD als Vitrine des Kapitalismus einmal war. Von der betreuten Pseudodemokratie der NGOs mal zu schweigen.

Julian Röpcke von der Bild hat gleich zweimal hingelangt, in die gleiche Richtung. Der Mann, der sich auf seinem Twitter-Account als "Waffenlieferungsultra" vorstellt, im Klagemodus – allerdings interessanterweise nur auf Englisch, fast als fürchtete er die Reaktionen seines deutschen Publikums:

Hier die Übersetzung, damit der Spaß nicht all jenen entgehen muss, die die aktuelle Herrschaftssprache nicht gelernt haben:

"Die ehemals von Russland besetzten Teile Deutschlands wollen wieder von Russland besetzt sein. 45,7 Prozent stimmten für prorussische, antieuropäische Parteien, die die NATO verlassen und sich einem von Russland geführten Sicherheitsapparat anschließen wollen.

41,5 Prozent stimmten für die Parteien der Regierungskoalition und die größte Oppositionspartei."

Und im Nachtrag:

"Als hätten sie den Eisernen Vorhang nie entfernt."

Nun könnte man natürlich sagen, wenn man fast 35 Jahre lang sämtliche Medien, Institutionen, Lehrpläne und dergleichen im Griff hat und die derart Beschallten dennoch nicht zu vorbehaltloser Liebe bereit sind, dann hat man wohl etwas falsch gemacht. Vielleicht hätte man doch auf Vereinigung setzen sollen und nicht auf Annexion?

Der Witz dabei ist nur, dass der Schreck, den Röpcke vermutlich einzujagen gedenkt – mit seiner neuesten Version von "die Russen kommen" –, bei vielen inzwischen nur dazu führen dürfte, dass sie den Wodka kaltstellen. Da ist der Wurm drin – in der momentanen Propaganda.

Auch der jetzige WDR-Direktor Jörg Schönenborn klingt ausgesprochen erbaulich. Zu Beginn findet sogar er erfolgreich einen Wurm:

"Wir sehen viele Indizien dafür, dass der Wunsch nach sozialem Schutz in der Bevölkerung deutlich gewachsen ist über die Krisen der letzten Jahre, eigentlich wäre das ein Thema für die SPD."

Nun, es könnte sein, dass die stetig wachsende Armut bei ebenso stetiger Regierungsbeteiligung der SPD da nicht gerade überzeugend ist.

"Es ist der Kanzler, aber es ist auch offenbar ein Programm und eine Politik, die nicht überzeugt."

Ja, das Ergebnis des BSW, das im Osten immerhin aus dem Stand zweistellig ist, löst keinen besonderen Kommentar aus. Diejenigen jedoch, die die AfD gewählt haben, haben jedenfalls irgendwie die Unterrichtsstunden, die ihnen die Bundesregierung so fürsorglich vorbeireitet hatte, geschwänzt.

"Und wenn man die Wähler fragt, ja haltet ihr die AfD denn für rechtsextrem, dann sagen überhaupt nur fünf Prozent 'Ja'. Da hat man fast den Eindruck, das ist ein bisschen trotzig."

Schönenborn kann das nicht verstehen. Aber das genau ist ja das Problem, nicht nur beim Wahlergebnis. Das ist es auch im Umgang mit anderen Ländern, wie Russland und China. Daraus, etwas nicht verstehen zu können, wird nämlich mitnichten die Konsequenz gezogen, sich dann um eben dieses Verstehen zu bemühen, sondern die Unverstandenen werden dann mit Vorwürfen überzogen. So hatten wir es auch schon bei Corona.

Das Schöne ist nur, dass man ihnen gerade bei ihrem Leiden zusehen kann, bei all der Verzweiflung, dass da die Panik zu sehen ist über den Unglauben, dass die ganze volle Breitseite – 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche und auf allen Kanälen – immer noch nicht zu vollständigem Gehorsam geführt hat.

Ja, morgen können wir darüber reden, dass auch dieses Ergebnis keinen wirklichen Schritt zum Frieden bedeutet, dass die AfD nicht einmal halb so klar wirklich gegen die NATO ist, wie das Röpcke gerade behauptet hat, und die Aussichten darauf, dass ausgerechnet die russische Armee uns ein zweites (oder drittes, wenn wir die napoleonische Besatzung mitrechnen wollen) Mal aus dem Elend erlöst, durchaus begrenzt sind. Und der Bundesinnenministerin Faeser fällt bestimmt spätestens übermorgen ein neues Verfolgungsgesetz ein.

Aber heute, heute sollte man sich nur zurücklehnen, durchatmen und genießen. Das muss auch einmal sein, sonst wird man verrückt wie die Anderen, nur anders.

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