Meinung

Frankreichs UN-Botschafter erlaubt sich im Sicherheitsrat Unverschämtheit und Geschichtsfälschung

In der Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates am Dienstag zum ukrainischen Terror gegen Zivilisten haben die Vertreter Großbritanniens und Frankreichs Contenance und Gesicht verloren. Während der junge Brite Verlegenes ablieferte, zeigte sich der Franzose als Geschichtsrevisionist und Nazi-Relativierer.
Frankreichs UN-Botschafter erlaubt sich im Sicherheitsrat Unverschämtheit und GeschichtsfälschungQuelle: AFP © Charly TRIBALLEAU

Von Alexej Danckwardt

In der auf Betreiben Russlands anberaumten Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats zum terroristischen Beschuss einer Bäckerei und eines Restaurants mit 28 Toten in Lissitschansk durch die Ukraine ging es am Dienstag heiß her. Von den Vertretern der westlichen Mächte waren zunächst die üblichen Phrasen zu hören, doch als der Vertreter Russlands zum zweiten Mal das Wort ergriff, seine britischen und französischen Kollegen direkt ansprach und sie der Rechtfertigung des Terrorismus beschuldigte, traf er offenbar einen Nerv.

Der junge Diplomat, der in der Sitzung das Vereinigte Königreich vertrat und sich offenbar spontan für eine Gegenrede zur Erinnerung an die fatale Rolle von Boris Johnson bei der Verhinderung eines russisch-ukrainischen Friedensschlusses im April 2022 meldete ("I need to respond to this"), lieferte ‒ rot angelaufen ‒ eher Verlegenes: 

"Lassen Sie mich eines dazu sagen. Ich denke, diese Geschichte sagt viel über Russlands Sicht auf die ukrainische Souveränität aus, dass es denkt, die Ukraine könne nicht eigene Entscheidungen über die Verteidigung des eigenen Landes treffen. Danke." 

Anschließend knallte der junge Gentleman hör- und sichtbar seinen Stift auf den Tisch. Das wäre dann auch schon das Höchste an Empörung, das ein wohlerzogener Brite aus gutem Haus zeigen darf. 

Nun, dass die Maidan-Ukraine ein Vasall des Westens ist und längst keine souveränen Entscheidungen mehr trifft, ist nicht nur die Sichtweise Russlands. Man kann es inzwischen als eine etablierte Tatsache betrachten. Und dass Boris Johnson im Frühjahr 2022 nach Kiew reiste, um Selenskij von der Unterzeichnung des bereits paraphierten Friedensabkommens abzuhalten, ist keine "Geschichte", sondern etwas, das mehrere ukrainische Politiker und Beamte, darunter solche, die an den Verhandlungen damals beteiligt waren, öffentlich kundgetan haben. Man kann dem britischen Diplomaten daher nur danken, dass er nochmals herausgestellt hat, was diese "Geschichte" mit Blick auf die Souveränität und Autonomie des Kiewer Regimes bedeutet. 

Richtig unverschämt wurde es, als der französische UN-Botschafter als Nächstes das Wort zur Replik ergriff. Man muss es ihm nachsehen: Für französische Diplomaten gelten nicht dieselben engen Rahmen der Contenance wie für Diener Seiner Majestät, des britischen Königs. Der langmähnige Franzose breitete zunächst langatmig aus, dass er persönlich als Vertreter Frankreichs in die Verhandlungsprozesse im Nachgang zu den Minsker Verträgen involviert war. Das diente als Basis dafür, den ukrainischen Beschuss von Donezk und Lugansk von 2014 bis Februar 2022 als "gar nicht so schlimm" zu bewerten. Wörtlich:  

"Die großen Massaker, die Bombardierungen, die wir heute sehen, sind in keiner Weise mit den sporadischen Vorfällen zu vergleichen, die in diesem vorhergehenden Zeitraum vorkamen."

Über neuntausend zwischen 2014 und 2022 bei den ukrainischen Bombardements getötete Zivilisten allein in der Volksrepublik Donezk, dazu noch mehrere Tausend in der Volksrepublik Lugansk (insgesamt etwa 14.000), alles Peanuts für die französische Diplomatie. 

Kaum zu glauben, aber das ist noch nicht der Gipfel der Unverschämtheit. Der russophobe Zynismus, die Opfer des Donbass für nicht der Rede wert zu halten, wird von der nachfolgenden Geschichtsklitterung sogar noch übertroffen:

"Und um auf den Vorwurf des Nazismus in Kiew zu antworten, möchte ich sagen, dass in diesem Sinne nur Molotow und die Unterstützer von 'Wagner' mit Nazis verbündet waren."

Bekanntlich haben die Franzosen Paris 1940 bis zum letzten Mann und bis zum letzten Tropfen Blut vor den vorrückenden deutschen Truppen verteidigt, die deutsche Belagerung der französischen Hauptstadt dauerte ja auch länger als die Leningrader Blockade (Spoiler: Es gab keine Belagerung der französischen Hauptstadt, daher auch der Witz, wonach es unmöglich sei zu sagen, wie viele Divisionen man für die erfolgreiche Verteidigung von Paris brauche, es habe schließlich noch nie jemand versucht). Zuvor sind sie im Herbst 1939 todesmutig ihren Bündnispflichten gegenüber Polen nachgekommen, indem sie Flugblätter über dem Ruhrgebiet abwarfen. Und das Vichy-Regime hat auch in keiner Weise mit den Nazis kooperiert, es gab weder Judentransporte nach Auschwitz noch die Division "Charlemagne". Daher darf sich ein Franzose sicherlich auch ein Urteil über die Vorkriegspolitik der Sowjetunion erlauben. 

Ich erlaube mir meinerseits daran zu erinnern, dass der "Pakt Molotow-Ribbentrop" kein Bündnisvertrag war und keine Allianz zwischen der Sowjetunion und Hitlers Deutschland begründete. Eine deutsch-sowjetische Allianz sah weder Churchill ‒ ein ausgewiesener Antikommunist ‒ noch sonst einer der Zeitgenossen. Und auch heute bewertet kein seriöser, nicht von Russophobie besessener Historiker den Nichtangriffspakt als Allianz.

Nachdem die Bildung der von der Sowjetunion bis in den August 1939 hinein angestrebten Antihitler-Koalition an der polnischen Weigerung gescheitert war, mit der Sowjetunion militärisch zu kooperieren, stand Moskau vor der Wahl, entweder den Durchmarsch Hitlers bis vor die Tore von Minsk zu dulden oder es schon 1939 ‒ weitgehend unvorbereitet, man vergleiche nur die Größe der Roten Armee im Sommer 1939 und im Juni 1941, es ist ein Unterschied von 1 zu 2,5 ‒ zum deutsch-sowjetischen Krieg kommen zu lassen. Ohne westliche Unterstützung (man erinnere sich auch an die Frage Stalins an einen britischen General, wie viele Divisionen Großbritannien denn im Kriegsfalle gegen Deutschland entsenden könnte, und ganz besonders an die Antwort, die selbst Churchill nach dessen Erinnerung in Schockstarre versetzte), ohne vorbereitete und erschlossene Standorte für die zu evakuierende Industrie, ohne produktionsreife Panzer und Flugzeuge...

Hitlers überraschendes Angebot im August 1939, einen Nichtangriffspakt abzuschließen, kommt vor diesem Hintergrund einem der Wunder gleich, mit denen die russische Geschichte immer wieder aufwartet. Er schenkte Stalin zwei zusätzliche Jahre für die Vorbereitung auf den unvermeidlichen Krieg, die Geheimprotokolle gaben die nötige Verteidigungstiefe, die Moskau zwei Jahre später das Schicksal von Paris ersparte. Beides war in dem realen Geschichtslauf letztlich kriegsentscheidend. Wissen monsieur das nicht? 

Eine Allianz hatte Hitler übrigens mit Italien und Japan, später kamen Rumänien, Ungarn, Bulgarien und Finnland als Verbündete dazu. Kann der hochdekorierte Diplomat das vergessen haben oder lügt er bewusst, wenn er sagt, dass ausdrücklich nur Molotow Hitlers Verbündeter gewesen sei? 

Was die "Wagner-Gruppe" angeht: Mir hat die zweifelhafte "Ästhetik" ihrer Symbole nie zugesagt. Ein Totenschädel ist allerdings nicht das Hakenkreuz und nicht die Wolfsangel, mit denen sich ukrainische Soldaten und Verbände aktuell allenthalben "schmücken". Und von "Wagners" martialischem Symbol abgesehen gibt es nichts, was auch nur ansatzweise die Einordnung seiner Männer als "Nazis" rechtfertigen würde.

Nein, wir vergessen auch die anderen Franzosen nicht: Die Kommunisten, die sich keine Sekunde den Nazis beugten, die Résistance, die Flugstaffel "Normandie-Njemen"... Doch in der UNO wird Frankreich zurzeit durch einen unverschämten Geschichtsfälscher und Nazismus-Relativierer vertreten, der das Andenken auch der französischen Antifaschisten besudelt. Welch eine Schande! 

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