Verelendung Russlands als Ziel: Das zwölfte EU-Sanktionspaket und die Niedertracht der anderen elf
Von Gert Ewen Ungar
Der militärische Teil des Stellvertreterkrieges zwischen der NATO und Russland in der Ukraine scheint sich seinem Ende zu nähern. Die Ukraine und mit ihr die NATO sind die Verlierer. Die Ukraine ist erschöpft, eine ganze Generation ukrainischer Männer wurde ausgelöscht, das Potenzial für eine neue Offensive im kommenden Jahr ist kaum gegeben.
Selbst im deutschen Mainstream ist diese Erkenntnis inzwischen angekommen. Der aller russlandfreundlicher Umtriebe völlig unverdächtige transatlantische Militärberater Franz-Stefan Gady, Senior Fellow am Institute for International Studies in London und Adjunct Senior Fellow am Center for New American Security in Washington, spricht in einem Interview mit der Tagesschau offen über die ukrainische Niederlage. Das ist ein Novum. Bisher war die Tagesschau dafür bekannt, dass sie über die Situation in der Ukraine desinformiert. Folgte man ihrer Berichterstattung dann gewann man den Eindruck, die Russen würden mit Spaten kämpfen und die Ukraine mache beständig Geländegewinne.
Auch eine andere Front des Krieges bröckelt. Wie der militärische Teil geht auch der Wirtschaftskrieg der EU verloren. Bereits Mitte September meldete die Nachrichtenagentur Bloomberg, die EU wolle ein zwölftes Sanktionspaket verabschieden. Erst im Juni wurde das elfte verhängt. Seit Oktober verhandelt die EU mit den Mitgliedsstaaten über den Umfang des neuen Paketes, kommt dabei aber kaum voran. Der Termin, an dem die EU ihr neues Sanktionspaket präsentieren wollte, wurde immer wieder verschoben. Anfang November sollte es soweit sein, dann Mitte November.
Inzwischen ist fraglich, ob es in diesem Jahr überhaupt noch kommt. Das Paket kam bisher aufgrund des Widerstandes mehrerer EU-Länder nicht zustande. Ungarn und Frankreich lehnen Sanktionen gegen russisches Uran ab. Ungarn baut ein Kernkraftwerk in Kooperation mit Russland, Frankreich ist auf russisches Uran angewiesen. Belgien sperrt sich gegen Sanktionen auf russische Diamanten, denn in Antwerpen ist das weltweit größte Handelszentrum für diese Edelsteine. Viel bleibt ohnehin nicht mehr zu sanktionieren, denn es wurden bisher über 15.000 Einzelsanktionen verhängt.
Es wäre daher eher Zeit für einen Rückblick auf das bisher durch die Sanktionen Bewirkte und ihren ursprünglichen Zweck. Zu überlegen wäre auch, wie sich der Schaden in den Beziehungen zu Russland begrenzen ließe. Dazu müsste man bis zum 25. Februar 2022 zurückgehen.
Am 24. Februar marschierte Russland in die Ukraine ein. Bereits am 25. Februar verhängte die EU ein erstes Sanktionspaket. Die deutsche Außenministerin trat vor die Presse und verkündete "Das wird Russland ruinieren." Die zeitliche Nähe macht deutlich: Das Sanktionspaket lag bereits ausgearbeitet und von den EU-Ländern im Großen und Ganzen bereits abgesegnet in der Schublade.
Einziger Streitpunkt war demnach, wie umfangreich Russland vom internationalen Zahlungssystem SWIFT abgeschnitten werden sollte, schließlich musste man seine Gas- und Ölrechnung noch irgendwie bezahlen. Mit dem Ausschluss der Gazprombank von den Sanktionen ließ man einen schmalen Kanal offen.
Die Geschwindigkeit, mit der das erste Sanktionspaket präsentiert wurde, stützt die These, dass der Ukraine-Krieg Ziel westlicher Eskalationspolitik war. Der Konflikt entfaltete sich ab 2008 mit der Einladung zum NATO-Beitritt an die Ukraine immer weiter. Noch im Dezember 2021 bat Russland schriftlich bei der NATO und in Washington um Sicherheitsgarantien, erhielt jedoch nur ausweichende Antworten. Der Krieg hätte damals noch abgewandt werden können, wenn man gewollt hätte. Man wollte nicht.
Rückblickend lässt sich feststellen: Ziel war, Russland in diesen Krieg zu treiben, um das Land dann mittels Sanktionen umfassend und nachhaltig zu schädigen. Die Absicht war und ist, einen Regime-Change im Kreml herbeizuführen, und die Hoffnung, Russland nach einem erzwungenen Machtwechsel künftig klein halten und ihm westliche Bedingungen in allen politischen und wirtschaftlichen Bereichen diktieren zu können.
Man wollte mit dem ersten Sanktionspaket erreichen, dass die russische Wirtschaft zweistellig einbricht. Das war erklärtes Ziel. Im Juli 2022 behauptete Wirtschaftsminister Habeck, die Sanktionen seien "ein großer Erfolg", die russische Wirtschaft breche ein. Noch im August 2022 sprach er von einem Rückgang um bis zu 15 Prozent.
Die deutsche Außenministerin versichert den Deutschen dagegen, die Sanktionen seien so konstruiert, dass sie die russische Zivilbevölkerung nicht treffen würden. Auf der Webseite des deutschen Außenministeriums heißt es dazu:
"Gleichzeitig wird bei den Sanktionen darauf geachtet, dass die russische Zivilbevölkerung nicht ins direkte Visier genommen wird."
Diese Äußerung ist eine bewusste Täuschung der deutschen Öffentlichkeit. Der erhoffte Einbruch der russischen Wirtschaft im zweistelligen Bereich hätte allem voran die russische Zivilgesellschaft hart getroffen. Wachsende Armut, Arbeitslosigkeit, rapide sinkender Lebensstandard und sinkende Lebenserwartung wären die Folge gewesen. Man weiß das auch nicht nur theoretisch. Russland hat diese Entwicklung bereits einmal durchlaufen.
In der Folge des Zusammenbruchs der Sowjetunion brach die russische Wirtschaft unter Jelzin im Jahr 1992 um 14,5 Prozent im Folgejahr um 8,7 und 1994 um weitere 12,7 Prozent ein. Die Folge davon waren massive Zerfallserscheinungen des russischen Staates. Die Lebenserwartung sank, es bildeten sich landesweit mafiöse Strukturen, es herrschte Wohnungsnot und umfassender Mangel, in Tschetschenien brach ein Bürgerkrieg aus, gleichzeitig begann der Aufstieg der "Oligarchen" als reiche Kaste, die die Politik bestimmte, demokratisch aber nicht legitimiert war.
Mit dem Sanktionsregime versuchte die EU, diesen Niedergang erneut herbeizuführen und den Zerfall zu nutzen, um an politischem Einfluss und Macht in Russland zu gewinnen. Das ist nicht geglückt. Im Gegenteil, die russische Wirtschaft wächst. Gewachsen ist auch der Rückhalt Putins und der russischen Regierung, weil sie in der Lage waren, das, was die EU beabsichtigte, zu verhindern.
Das Sanktionsregime der EU und die ihr zugrunde liegende Idee hat vielen Russen die Absicht der Länder der EU deutlich vor Augen geführt, die Staatlichkeit und Souveränität Russlands zu zerstören. Deutschland nimmt dabei eine führende Rolle ein. Diese Erkenntnis hat auch den Rückhalt für die militärische Sonderoperation erhöht.
Für eine Wiederannäherung nach dem Ende des Ukraine-Konflikts zwischen Russland und den Ländern der EU wird daher nicht nur die künstliche Verlängerung des Krieges durch westliche Waffenlieferungen eine Rolle spielen, sondern auch der Wille der EU sowie der deutschen Politik, Russland zu verelenden und die Bevölkerung Russlands einem umfassenden, alle Lebensbereiche betreffenden Mangel auszusetzen. Dass ausgerechnet das Land, das mit der Leningrader Blockade eins der grausamsten Verbrechen des 2. Weltkriegs begangen hat, treibende Kraft hinter den Sanktionen ist und auch heute wieder die Bürger Russlands einem Mangelregime aussetzen möchte, bleibt dabei nicht unbemerkt.
Es ist die tiefe Bösartigkeit der Tat, die menschenverachtende Niedertracht des Sanktionsregimes, die dann diplomatisch zu überwinden sein wird. Ob das nach allem was war überhaupt gelingen kann, wird die Zukunft zeigen.
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