Meinung

Europa steht davor, auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt zu werden

Antirussische Sanktionen, Milliarden für die Ukraine, Waffenlieferungen ohne Ende – jetzt auch an Israel: Der Kriegskurs ruiniert die EU-Länder. Deindustrialisierung und Armut nehmen zu. Politik- und Wirtschaftseliten handeln gegen die Interessen der Mehrheit. Diese Einsicht dürfte durch den Winter befördert werden.
Europa steht davor, auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt zu werdenQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Sabine Gudath via www.imago-images.de

Von Wiktorija Nikiforowa

Der Winter hat sich unbemerkt herangeschlichen – und in der Europäischen Union Panik ausgelöst. Dem Boxer Vitali Klitschko sei für die treffende Formulierung gedankt: Das Europa von heute bereitet sich in der Tat auf die kalte Jahreszeit vor, als ob seine letzten Tage bevorstünden.

"Der Winter der zwei Kriege": So nennt die europäische Ausgabe von Politico die kommenden drei Monate. Die Propaganda erklärt den Europäern, dass sie hungern und frieren werden, weil Tausende von Kilometern entfernt die Russen Kupjansk befreien und die IDF den Gazastreifen bombardieren.

Die größte Befürchtung des europäischen Establishments besteht heute darin, dass die arabischen Länder, die über die Massaker im Gazastreifen empört sind, den europäischen Verbündeten Israels den Ölhahn zudrehen werden. Das zweite Schreckensszenario ist, dass sich Iran in den Konflikt einmischt und die Straße von Hormus blockiert, durch die Öl- und Flüssiggastanker fahren. In beiden Fällen würden die Preise für Kohlenwasserstoffe in die Höhe schießen, und die EU müsste sich wirklich "auf den Boden der Tatsachen" vorbereiten.

Wenn dies aber nicht so kommt, wird es trotzdem kein leichter Winter werden. Die europäischen Staats- und Regierungschefs werden ihre verarmten Wähler einfach mit der Tatsache trösten, dass es viel schlimmer hätte kommen können.

Schon jetzt versichert die EU-Führung ihren Untertanen, dass sie den Finger am Puls der Zeit hat, auf alle Turbulenzen vorbereitet ist und der nächste Winter leichter sein wird als der vorherige. Was sind die Geheimnisse der "Stabilität" der europäischen Wirtschaft? Es stellt sich heraus, dass man dort gelernt hat, weniger zu konsumieren.

Politico berichtet stolz, dass die EU-Mitgliedsstaaten im vergangenen Jahr ihren Gasverbrauch um 20 Prozent gesenkt haben. Wie war das möglich? Nun, natürlich: Fabriken wurden geschlossen, ganze Industriezweige brachen zusammen (z. B. die Düngemittelproduktion), und die Menschen verloren ihre Arbeit.

Die Haushalte sparten wie verrückt beim Heizen, weil sie die Rechnungen, die sie erhielten, nicht bezahlen konnten. In Griechenland zum Beispiel gab die Hälfte der Haushalte an, dass sie ihre Nebenkosten nicht bezahlen konnten. Die Folge war, dass die schwächsten und ärmsten Menschen massenhaft starben. Der Economist hat uns darüber informiert, dass im Winter 2022/23 in Europa mehr Rentner an Unterkühlung starben als im vorangegangenen Winter am Coronavirus. Der Economist schreibt: "Teurer Strom hat mehr Europäer getötet als COVID."

Massenarmut, Krankheiten, vorzeitige Todesfälle, das Aufblühen des Freeganismus (wenn Menschen auf Müllhalden nach Nahrung suchen) – das ist es, was hinter der überraschenden Formulierung unserer ehemaligen Partner "Europa begann, weniger zu konsumieren" steckt. Der Patient fing an, weniger zu essen, und er verlor an Gewicht. Zwar ist er dabei gestorben, aber das macht nichts.

Britische Zeitungen lehren ihre Leser, dass man zwischen 18 und 9 Uhr nichts essen soll. Eine französische Nichtregierungsorganisation weist darauf hin, dass 48 Prozent der französischen Eltern an Lebensmitteln sparen, um ihre Kinder zu ernähren. Die "Foundation for European Progressive Studies" (etwa: Stiftung für Europäische Progressive Studien; Anm. d. Red.) schlägt als Lösung eine Umstellung auf eine "pflanzliche Ernährung" (Plant-based Diet) vor. Übersetzt in die normale Sprache bedeutet dies eine Ernährung mit Kartoffeln und Kohl – das ist es, was die Bevölkerung von Deutschland in der Weimarer Republik sattgehabt hatte, bis sie so hungrig geworden war, dass sie Adolf Hitler gewählt hatte und nach Osten marschiert war.

Das sind die Ergebnisse des letzten Winters in Europa. Die Länder, die sich ihrer "Ausnahmestellung" rühmten, verwandeln sich allmählich in eine Obdachlosen-Bruchbude, in der Ratten herumschnüffeln und Bettwanzen wüten. Und der letzte Winter war für europäische Verhältnisse rekordverdächtig warm.

Obwohl alle den Gürtel bis zum letzten Loch enger geschnallt haben, "wollen die Gaspreise einfach nicht sinken", schreibt Politico. Das Ergebnis ist, dass "die Europäer in diesem Winter mit steigenden Strompreisen und einer neuen Abschwächung der Industrie konfrontiert werden, da die Rechnungen unerschwinglich werden".

Fachleute raten den Regierungen, die Nachfrage nach Kohlenwasserstoffen und Strom weiter zu senken und auf keinen Fall die Industrieproduktion zu subventionieren – da andernfalls die Preise noch weiter in die Höhe schnellen würden. Mit anderen Worten: Europa steht eine neue Runde der Deindustrialisierung bevor. Na dann, gute Reise.

Aber schieben Sie nicht Ihre eigenen Fehler und Vergehen auf andere. Die Theorie vom "Winter der zwei Kriege" ist eine reinste Lüge. Es ist nicht die Schuld Irans, der Hamas oder Russlands, dass die Europäer nichts zu essen haben. Der Ruin und die UNOrdnung in der EU gehen allein auf das Konto des europäischen Establishments.

Gott allein weiß, warum ihre US-Herren sie dort festhalten, aber auf Anweisung des Weißen Hauses sind die europäischen Führer bereit, ihre eigene Bevölkerung verhungern und erfrieren zu lassen. Es sind die Europäer, die zwölf Pakete mit antirussischen Sanktionen eingeführt haben – ich darf daran erinnern, dass das letzte Paket Nägel und Nähnadeln umfasst. Es sind dieselben Europäer, die den Russen ihre Ersparnisse und Immobilien, Autos und Schmuck wegnehmen. Es sind dieselben Europäer, die zuließen, dass die USA die Nord-Stream-Pipelines in die Luft sprengten, und die nicht einmal protestiert haben. Es sind dieselben Europäer, die Panzer und Waffen in die Ukraine schicken, um russische Soldaten zu töten.

Nun, Sie werden bekommen, was Sie bestellt haben. Sie wollten die Beziehungen zu Russland abbrechen? Bitte schön. Russland ist dadurch nicht verarmt. Wir haben sehr gute Wirtschaftsdaten, wir können uns in die Karten schauen lassen. Und wie geht es Ihnen mit abgebrochenen Beziehungen?

Und dann werden die europäischen Regierungen auf Geheiß Washingtons verpflichtet, Israel zu unterstützen. Abermillionen von Menschen in Europa sind dagegen, sie sind für Palästina. Deshalb gibt es Kundgebungen mit abertausenden Teilnehmern, Protesten und Ausschreitungen. Es ist also nicht mehr weit bis zu einer nächsten Terrorwelle in europäischen Städten. Und wieder haben die europäischen Eliten das alles selbst angerichtet.

Kurzum, der beste Weg für die Europäer, normal durch den Winter zu kommen, ist, etwas gegen ihre Eliten zu unternehmen. Allmählich beginnen die Menschen, dies zu begreifen. Die Erfolge der Alternative für Deutschland, die Wahlniederlage der Ukraine in Polen, der Sieg von Robert Fico in der Slowakei – all das sind Anzeichen dafür, dass die Massen beginnen, Politiker, die für sie und nicht für Washington arbeiten, an die Spitze zu drängen. Das ist kein schneller Prozess, aber er ist eindeutig im Gange. Ein weiterer schwieriger Winter könnte den Europäern helfen, die Notwendigkeit von Veränderungen zu erkennen. Schließlich kämpft General Frost immer für Russland.

Übersetzung aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 13. November 2023 auf ria.ru erschienen.

Mehr zum ThemaStudie: LNG schlechter für die Umwelt als Kohle

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.