Meinung

Argument Wissenschaft: Lauterbach bei Corona und Habeck bei Heizungen nutzen sie als Keule

Es war im Grunde zu erwarten: Wer dem Habeckschen Heizwahn widerspricht, ist ein Klimaleugner, mindestens. Und Karl Lauterbach als einer der Großinquisitoren dieser Wissenschaftsreligion entscheidet, wer fortan zu den Ketzern gezählt werden muss.
Argument Wissenschaft: Lauterbach bei Corona und Habeck bei Heizungen nutzen sie als Keule© Joyofmuseums, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons

Von Dagmar Henn

Immer wieder gibt es Details, die das Gefühl verstärken, dass die westlichen Gesellschaften gerade dabei sind, alle Lektionen des 20. Jahrhunderts zurückzudrehen und abzustreifen – Lektionen, die unter großen Opfern gelernt wurden – wie jetzt in Kanada, das inzwischen tatsächlich (und von Wissenschaftlern befürwortet) assistierten Suizid als Mittel gegen Armut betrachtet.

Aber man muss gar nicht so sehr an die Euthanasieprogramme der Nazis erinnern, wie die Kanadier das tun, selbst eine kurze Aussage von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach genügt, die ganze Frage zu illustrieren.

Lassen wir einmal beiseite, dass er natürlich, mit dem Verweis auf die AfD, Söder mit der Nazikarte winkt, und offenkundig mit politischen Gegnern gar nicht anders umgehen kann, als sie zu Ignoranten und Fälschern zu erklären, kann er vor allem von seiner Lieblingskeule nicht die Finger lassen: DIE WISSENSCHAFT.

Dabei ist es nicht nur die Wissenschaft selbst, die darauf hinweist, dass sogar Sätze wie "2 + 2 = 4" oder "die Summe aller Winkel in einem Dreieck beträgt 180 Grad" keine absoluten Wahrheiten liefern: In einem zirkulären Zahlensystem mit drei Elementen ist "2 + 4 = 1" und in der nicht euklidischen Geometrie ist die Summe der Winkel höher oder niedriger als 180 Grad (abhängig davon, ob die Krümmung der Fläche konkav oder konvex ist). Selbst, was als absolut gesichert galt, wie einst die Vorstellung, dass die Sonne sich um die Erde drehe, kann widerlegt werden.

Nun ist die Frage, wann eine Heizung ausgetauscht werden muss, erst einmal eine technische, das heißt in unseren Breitengraden, in denen eine Heizung nötig ist, dann, wenn die alte nicht mehr repariert werden kann. Dazu kämen weitere wirtschaftliche Kriterien wie, dass das erforderliche Heizmaterial nicht mehr zur Verfügung steht (tatsächlich begann der Boom der Gasheizungen mit der "Ölkrise", und zwar mit exakt demselben Argument, man würde damit die Abhängigkeit, damals von den OPEC-Staaten, verringern) oder dass sich der Austausch in überschaubarer Zeit rechnet. Letzteres ist bereits relativ selten. Und dann kommen völlig künstliche Kriterien dazu wie ein Gebäudeenergiegesetz, das einen Austausch nach 30 Jahren vorschreibt, unabhängig vom tatsächlichen Zustand. Schon da befindet man sich allerdings im Bereich der Ideologie.

DIE WISSENSCHAFT hat aber wenig mit der Wissenschaft zu tun. Als Marxist betrachtet man das mit einem Grinsen. Schließlich machten sich alle bürgerlichen Ideologen immer lustig über den "wissenschaftlichen Sozialismus", auch wenn das eine wissenschaftliche Methode war und nie derart als Totschlagargument genutzt wurde wie DIE WISSENSCHAFT. Was vielleicht auch damit zu tun hat, dass die Dialektik lehrt, Widersprüche, Entwicklung und Dynamik wahrzunehmen, und ein statischer, apodiktischer Begriff der Dialektik fremd ist.

"Dass Öl- und Gasheizungen ausgetauscht werden müssen, ist keine Ideologie, sondern Wissenschaft." Das, was Lauterbach als DIE WISSENSCHAFT bezeichnet, ist in Wirklichkeit eine Sammlung von Glaubenssätzen, eine Art Katechismus, in dem unter anderem der "Klimawandel" verzeichnet ist. Weil das Klima wärmer wird, und die Ursache der menschliche Ausstoß von Kohlendioxid ist, muss um jeden Preis der Ausstoß an Kohlendioxid verringert werden. Kohlendioxid entsteht bei der Verbrennung von Kohlenwasserstoffen. Beim Heizen werden Kohlenwasserstoffe verbrannt, folglich muss mit einer Methode geheizt werden, die keine Kohlenwasserstoffe verbrennt, weshalb Wärmetauscher …

Wenn man die Anforderung von Wissenschaftlichkeit stellt, muss nicht nur jeder einzelne Punkt dieser Argumentationskette wissenschaftlich nachgewiesen sein, sondern auch die Verbindung zwischen ihnen. Der einzige vorläufig zweifelsfreie Satz ist allerdings der erste, vorläufig deshalb, weil sich das im Verlauf weniger Jahre ändern könnte, durch verringerte Sonnenaktivität beispielsweise, oder eine Achsverlagerung infolge eines Polsprungs mit entsprechenden Auswirkungen auf die Windsysteme oder … schon hier sind es nur die Daten über die Vergangenheit, die wirklich sicher sind – und über die Zukunft für einige Tage. Alles, was darüber hinausgeht, ist Extrapolation, und deren Erkenntniswert ist vollkommen abhängig von den Prämissen, unter denen sie entsteht.

So geht es die gesamte Kette entlang weiter, bis zum letzten Punkt, der Behauptung, dass Wärmetauscher die Universallösung des Problems seien und deshalb verpflichtend werden müssen. Auch in der Begründung dieses Schritts gibt es massive Lücken: Jeder dürfte mittlerweile mitbekommen haben, dass die Frage der Stromversorgung nicht geklärt ist und außerdem, auch wenn Wärmetauscher die perfekte Lösung wären, diese Technik vielerorts gar nicht angewandt werden kann.

Einer der Gründe, warum mancherorts der Widerstand gegen DIE WISSENSCHAFT größer ist als an anderen, dürfte die Qualität der naturwissenschaftlichen Schulbildung sein. Dort, wo zumindest Ansätze naturwissenschaftlichen Denkens gelehrt wurden, ist es nicht gar so einfach, DIE WISSENSCHAFT zu behaupten, ohne dafür entsprechende Belege zu liefern. Andernorts, wo Naturwissenschaften und Mathematik eher so unterrichtet werden, dass man froh ist, mit dem ganzen Kram nie wieder zu tun zu haben, ist es wesentlich leichter, mit diesem Begriff einzuschüchtern, weil die Zahl der Menschen, die Behauptetes dann selbst überprüfen wollen, wesentlich geringer ist.

Das alles berührt noch nicht die Lektionen des 20. Jahrhunderts. Im vergangenen Jahrhundert hat die Wissenschaft ihre Unschuld verloren, denn in dem Moment, als eine aus sich selbst heraus gerechtfertigte Wissenschaft ihren Einfluss in der Politik manifestierte, gebar sie das Grauen: Rassentheorie, Euthanasie und zuletzt die Atombombe.

Man hat sich danach ausführlich damit beschäftigt, wie das passieren konnte, dass beispielsweise nicht nur die Nazis es für angemessen hielten, Menschen mit genetischen Schäden "im Interesse der Volksgesundheit" zu ermorden, sondern ähnliche Überzeugungen in ganz Europa verbreitet waren – als aktueller Stand der Wissenschaft.

Man kam darauf, dass schon die Theorie Darwins zwar einerseits einen Erkenntnisschritt bedeutete, auch weil sie den Menschen wieder als Teil der Natur betrachtete, andererseits aber vom Blick des englischen Großgrundbesitzers geprägt war, für den die ganze Menschheit eine Schafherde war (auch wenn der deutsche Satz vom Überleben des Stärkeren ein Übersetzungsfehler ist, weil die englische Version vom Angepasstesten spricht). Sprich, es stellte sich heraus, dass selbst in Bereichen, die völlig neutral zu sein scheinen, Herkunft und Klassenvorurteile eine massive Rolle spielen können.

Es ist ausgesprochen lehrreich, sich ein wenig mit den medizinischen Experimenten zu beschäftigen, die in den Konzentrationslagern stattfanden – für die pharmazeutische Industrie ein paradiesischer Zustand: Menschenexperimente ohne Beschränkungen. Ja, es ging in vielen Fällen um pharmazeutische Experimente. Und in den folgenden Jahrzehnten bestanden keinerlei Hemmungen, die Resultate zu nutzen – selbst die Pille ist zum Teil das Ergebnis solcher Versuche.

Auch ein Mengele berief sich auf DIE WISSENSCHAFT. Was ist schließlich das Leben eines Einzelnen, wenn die Ergebnisse der Forschung Tausende retten könnten? Vor allem, wenn dieses Leben ohnehin zuvor als minderwertig klassifiziert wurde …

Wenn man vor diesem Hintergrund die Entwicklung in Kanada betrachtet, würde es nicht wundern, wenn dieser medizinisch assistierte Suizid, der die neue Methode zur Bekämpfung der Armut darstellt, gleichzeitig mit Substanzen erfolgt, die sicherstellen, dass danach sämtliche Organe verwertbar bleiben. Wenn eine bestimmte Schwelle einmal überschritten ist, findet sich für jede Unmenschlichkeit irgendeine Begründung.

Die Taten eines Josef Mengele erschütterten die Welt, als sie bekannt wurden. Und sie machten deutlich, dass eine Wissenschaft, der ein humanistisches Maß fehlt, mehr Gefahr als Nutzen bringt. Ähnlich verhielt es sich mit der Entwicklung der Atombombe, die ein ungeheurer Schock war, galt doch die Entdeckung der inneren Struktur des Atoms und des Zusammenhangs zwischen Materie und Energie davor als gewaltiger Schritt der Erkenntnis (was ein wenig damit zu tun hatte, dass der Begriff des Atoms schon seit der griechischen Antike existierte und dadurch diese Entdeckungen das Gefühl vermittelten, eine Schwelle durchbrochen zu haben, die die Menschheit Jahrtausende nicht überwinden konnte), der sich nun umsetzte in eine gewaltige Gefahr, deren Bedrohung erstmals der Untergang der gesamten Menschheit war.

Man kann diesen mehrfachen Schock nachvollziehen, wenn man "Die Physiker" von Dürrenmatt oder "Das Leben des Galileo Galilei" von Brecht liest. Zuvor galt die Wissenschaft als Heilsbringer, als Motor für die Weiterentwicklung der Menschheit – im Gegensatz zur obskuren Religion – als das klare Licht der Aufklärung. Brecht legte das Ergebnis dieses Verlusts der Unschuld Galileo in den Mund, als dieser darüber nachsann, ob es richtig war, den Kompromiss mit der Macht einzugehen und zu widerrufen.

"Hätte ich widerstanden, hätten die Naturwissenschaftler etwas wie den hippokratischen Eid der Ärzte entwickeln können, das Gelöbnis, ihr Wissen einzig zum Wohle der Menschheit anzuwenden!"

Wobei man angesichts der heutigen Ideologien hinzufügen müsste: der realen, gegenwärtig existierenden Menschheit samt ihrer einzelnen Teile, und nicht einer hypothetischen, zukünftigen. Würde man diesen Maßstab und nicht den Klimaglauben an die simple Frage der künftig in Deutschland zu verwendenden Heizungen anlegen, wäre das erste Kriterium für alle politischen Entscheidungen das, dass es möglichst alle angemessen warm haben in ihren Wohnungen, wenn es draußen kalt ist (was selbstverständlich impliziert, dass sie auch Wohnungen haben sollten, nur um wieder einmal an das Problem der Wohnungslosen zu erinnern). Jede andere Frage wäre dem nachgeordnet, und wenn es zu einer Kollision unterschiedlicher Ziele käme, wäre es das Kriterium des Wohls der im Lande lebenden Menschen, das an erster Stelle käme.

DIE WISSENSCHAFT ist der Begriff, der genutzt wird, um sämtliche Überlegungen zu diesem Wohl, auch den Anspruch auf dieses Wohl selbst, zum Schweigen zu bringen. Es ist eine Umkehrung des Prozesses, der damals – nach dem wissenschaftlichen Sündenfall – dazu führte, "etwas wie den hippokratischen Eid" zu fordern. Es ist kein Zufall, dass beispielsweise im Umgang mit den mRNA-"Impfstoffen" Beschränkungen bezüglich medizinischer Experimente umgangen wurden, die das Resultat der Nürnberger Prozesse waren.

Man könnte sogar darüber nachdenken, ob die gesamte Technologie der mRNA-Genmanipulation, die auf Veränderung des bereits geborenen Wesens abzielt, nicht letztlich durch ein menschliches Ideal motiviert wird, das mehr als leichte Züge des Übermenschen hat.

Der Gegensatz, den nicht nur Lauterbach gerne zitiert, zwischen Wissenschaft und Obskurantismus, wie das 19. Jahrhundert es gerne formulierte, ist eigentlich spätestens seit 1945 durch die Erfahrung einer obskuren Wissenschaft obsolet. Aber während DER GLAUBE seine ganze Existenz hindurch trotz aller inquisitorischen Bemühungen aus Herrschaftssicht immer unter dem Manko litt, irgendwie das menschliche Bild erhalten zu müssen und in regelmäßigen Abständen von Bewegungen der Mitmenschlichkeit überrollt zu werden, bietet DIE WISSENSCHAFT die Möglichkeit einer absoluten Doktrin, in der der Mensch keine Rolle mehr spielt.

Ja, diese Heizungspolitik ist ebenso eine Manifestation der Menschenfeindlichkeit wie der ungehemmte Drang der NATO zum dritten Weltkrieg. Und während es bei letzterem um "Werte" geht, bei denen die konkreten Menschen keine Rolle spielen (die konkreten lebenden Ukrainer zuerst, die nur als Schlachtvieh behandelt werden), ist es im Umgang der deutschen Regierung mit den Deutschen DIE WISSENSCHAFT, die es ermöglicht, die menschlichen Bedürfnisse zu ignorieren.

"Das Gelöbnis, ihr Wissen nur zum Wohle der Menschheit anzuwenden." Es ist an der Zeit, diesen Satz wieder in Erinnerung zu rufen.

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