Auch im "Frieden" soll Krieg herrschen: Deutschlands morbide Ideen für einen Friedensschluss
Von Gert Ewen Ungar
Die Geschichte Europas ist reich an Kriegen. Damit einher geht ein Reichtum an Friedensschlüssen in der Vergangenheit, denn irgendwann einmal ist jeder Krieg vorbei. Unter diesen Friedensschlüssen gab es gute und weniger gute. Ein Indikator für die Qualität des Friedensschlusses ist, wie lange der darauffolgende Frieden hält. Der Friedensschluss nach 1945 hielt relativ lange – und das sogar, obwohl es für Deutschland gar keinen Friedensvertrag gab.
Der dem 2. Weltkrieg vorausgegangene Friedensschluss hatte nicht sehr lange gehalten. Der 1919 in Versailles ausgehandelte und schließlich unterschriebene Friedensvertrag zur Beendigung des Ersten Weltkriegs führte geradewegs in den Zweiten Weltkrieg. Der Vertrag von Versailles trug in sich die Grundlage für die Entstehung neuer Konflikte
Der Versailler Vertrag war getragen vom Gedanken, die Feindschaft auch noch im neu gewonnenen Frieden zu zementieren, den Gegner – in diesem Fall vorrangig Deutschland als Verlierer – maximal zu erniedrigen und ihm Reparationen aufzuerlegen, unter deren Last er zusammenbrechen musste. Der Versailler Vertrag war das Ergebnis maximalen Populismus in Verbindung mit der Preisgabe jeglicher Vernunft.
Frankreich und vor allem auch England wollten zu Hause gegenüber den eigenen Wählern mit einem möglichst harten Friedensschluss gegenüber Deutschland punkten, der die Rachegelüste an der Heimatfront stillen sollte. Die USA knickten ein, denn der US-Präsident hatte eigentlich den Plan eines umfassenden Wiederaufbaus Europas, der zu Wohlstand und Prosperität für alle Länder führen sollte. Dieser Plan ließ sich jedoch nicht umsetzen. Er scheiterte an Kleingeistigkeit, Niedertracht und Missgunst, vor allem aber am Populismus in Europa.
Deutschland wurde damit nahezu alles genommen, was es zur Wiederherstellung seiner Wirtschaftsleistung brauchte. Gleichzeitig war jedoch auch klar, dass fast alles, was in Deutschland produziert wurde, vorrangig für den Export bestimmt war, denn nur so konnten die riesigen Reparationsforderungen bedient werden.
Aber die Siegermächte taten sich mit dem Vertrag von Versailles auch selbst keinen Gefallen. Der Schuldenstand war kriegsbedingt in ganz Europa hoch. Mit der wirtschaftlichen Bestrafung der Kriegsgegner fielen die als Handelspartner auch noch aus. Die Idee, mit den Reparationszahlungen aus Deutschland die eigenen Schuldenstände zu senken, musste daher scheitern. Auch die Wirtschaft der europäischen Alliierten lag kraftlos am Boden. Die sogenannten "Goldenen Zwanziger" waren nur durch Auslandsschulden finanziert. So kam es zur Blasenbildung an den Finanzmärkten – und wie das so ist mit Blasen: sie platzen irgendwann. Die in den USA ausgelöste Finanzkrise von 1929 wurde somit ein in der Geschichte bis dato beispielloser Crash auch für Europa.
Nach den Unterschriften unter das Versailler Dokument dauerte es lediglich wenige Jahre, dann kam auch dank der Wirtschaftskrisen im Deutschen Reich Hitler an die Macht mit seinen Reden vom Versailler Vertrag als Schandvertrag, aus dessen Fesseln man sich als Nation lösen müsse.
Vor diesem Hintergrund sollte man sich heute die Forderungen anschauen, welche die Ukraine, bedenkenlos unterstützt von ihren westlichen Partnern, dabei auch Deutschland, als Vorbedingung für die Aufnahme von Friedensverhandlungen mit Russland stellt.
Sie kommen – ungeachtet der militärischen Lage – einer bedingungslosen Kapitulation Russlands gleich. Die Ukraine verlangt immer weitere Sanktionen. Russland solle dauerhaft von Einnahmen aus dem Rohstoffgeschäft abgeschnitten werden. Es solle sein Geschäftsmodell verlieren und gleichzeitig zu umfangreichen Reparationszahlungen verpflichtet werden. Auch die deutsche Außenministerin bekennt sich zum Ziel "Russland ruinieren" zu wollen. Abgestimmt mit der Ukraine fordert auch sie die Einrichtung eines internationalen Tribunals, das die angeblichen Kriegsverbrechen Russlands – und zwar ausschließlich Russlands – untersuchen und bestrafen solle. Selbst über die bereits bekannt gewordenen Kriegsverbrechen der Ukraine soll der Mantel des Schweigens gebreitet werden. Man möchte Russland um jeden Preis demütigen und wirtschaftlich dem Erdboden gleich machen. Russland solle nie wieder aufstehen können.
Der Ungeist von Versailles ist also auferstanden. Die bisherigen Überlegungen für einen Friedensschluss sind ungeeignet, einen dauerhaften Frieden in Europa herzustellen. Weder die Ukraine noch die EU oder Deutschland leisten bisher einen ernstzunehmenden Beitrag für eine Zeit nach dem Ukraine-Konflikt. Und in keinem Land sollte man das besser verstehen als ausgerechnet in Deutschland. Offenkundig kann oder will man unter den heute in Deutschland maßgeblichen Politikern aus der eigenen Geschichte so gar nichts lernen. Der Erniedrigungs-Populismus, dem deutsche Politiker verfallen sind, ist dafür deutliches Zeichen. Man möchte Russland bestrafen, endlich mal eine Lektion erteilen und das Verlieren lehren.
Deutschland ist damit als Friedensvermittler ein Totalausfall. Was gebraucht wird, ist ein Plan für eine Aussöhnung, für ein neuerliches wirtschaftliches und kulturelles Zusammenwachsen und ein Plan für eine neue, wirkliche Sicherheitsarchitektur, die nicht nur den Westen angeblich vor Russland schützen muss, sondern auch Russland vor dem Westen. Wir brauchen eine gleichberechtigte Sicherheitsarchitektur für alle Länder in Europa.
Dazu braucht man aber vor allem erst einmal ein anderes Denken. Ein Denken, das nicht auf Rache und Erniedrigung sinnt. Ein Denken, das tatsächlich echten Frieden sucht und bereit ist, dafür auch den eigenen Hass und liebgewonnene Ressentiments zu überwinden. Dazu ist Deutschland heute offenbar nicht in der Lage und auch nicht Willens. Die verantwortlichen Politiker suhlen sich gern öffentlich in Russophobie und der eigenen moralische Hybris.
Russland kann und wird einem Friedensplan zu den maßlosen Bedingungen des Westens nicht zustimmen. Und Russland hat dies auch gar nicht nötig. In der EU hat man nach hundert Jahren eine der zentralen Lehren aus dem Scheitern des Versailler Vertrages offenbar vergessen. Eine davon lautet: In einer durch internationalen Handel hoch vernetzten Welt schadet man sich letztlich selbst mit jedem Versuch, einen Gegner so umfassend wie nur möglich wirtschaftlich zu schaden.
Russland hat das nun verstanden und ist im vergangenen Jahr zwangsläufig umfangreiche neue Handelspartnerschaften eingegangen, orientiert sich noch stärker nach Asien, Afrika und Lateinamerika. Überall dort verliert der Westen ohnehin schon an Einfluss. Und dies wird letztlich zur noch schnelleren Ablösung der westlichen Hegemonie beitragen.
Die Forderungen aber, die auch vonseiten Deutschlands gegenüber Russland geltend gemacht werden, würden zum noch weiter beschleunigten Niedergang Europas und zu einem Zustand dauerhafter Konflikte werden. Schon um den Westen vor sich selbst zu schützen, wird man die von der Ukraine unterbreiteten und von Deutschland derzeit noch so vehement unterstützten Vorschläge nicht weiter verfolgen dürfen. Sie sind gefährlicher Unsinn, denn sie wiederholen längst gemachte Fehler. Es wird keine Rache an Russland gebraucht, sondern eine ausbalancierte Sicherheitsarchitektur für ganz Europa, wie sie Wladimir Putin lange vor der Eskalation des militärischen Konflikts immer wieder eingefordert hatte. Das sollten alle Beteiligten möglichst schnell kapieren.
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