Meinung

Südkorea opfert sich für die Machtprojektion der USA im pazifischen Raum

Der südkoreanische Präsident Yoon Suk-yeol verärgert mit seiner servilen Haltung gegenüber den USA seine Nachbarn Nordkorea, China und Russland und bringt damit sein eigenes Land zugunsten von Washingtons hegemonialer Machtprojektion in Gefahr.
Südkorea opfert sich für die Machtprojektion der USA im pazifischen RaumQuelle: AFP © Win McNamee / Getty Images / AFP

Ein Kommentar von Timur Fomenko

Ende April weilte der südkoreanische Präsident Yoon Suk-yeol in Washington, D.C. zu einem offiziellen Staatsbesuch der USA. Medial abgerundet wurde dieser Besuch durch die Ankündigung, dass die USA nuklear bewaffnete U-Boote nach Südkorea schicken werden.

Yoon versucht, die Außenpolitik Südkoreas einerseits wieder stärker auf die USA auszurichten und damit gleichzeitig den viel gemäßigteren Ansatz seines Vorgängers Moon Jae-in zurückzufahren, der einen Frieden mit Nordkorea anstrebte und konstruktive Beziehungen zu China und Russland unterhielt.

Jetzt hat Yoon sein Land nicht nur auf Druck Washingtons an Japan verkauft, in dem offenkundigen Bestreben, die Kontroversen im historischen Streit über die Zwangsarbeit während der Kolonialherrschaft Japans über ganz Korea in den Jahren von 1910 bis 1945 beizulegen. Er verfolgt obendrein auch noch einen rücksichtslosen Antagonismus gegenüber Pjöngjang, Moskau und Peking. Gleichzeitig unterminieren die USA mit ihrer diskriminierenden Politik gegenüber der koreanischen Industrie (in Gestalt des "Inflation Reduction Act" – Gesetz zur Reduktion der Inflation) und Washingtons Wirtschaftskrieg gegen den Halbleitersektor die Grundlagen des jahrzehntelangen wirtschaftlichen Erfolgs von Südkorea. All diese Vorgänge riskieren, die gesamte koreanische Halbinsel in ein neues Schlachtfeld des Kalten Krieges zu verwandeln und Jahrzehnte des Fortschritts zunichte zu machen.

Der Amtsantritt des konservativen Yoon Suk-yeol hat verbunden mit der ultra-kriegerischen Regierung von Joe Biden dazu beigetragen, die fragilen Fortschritte von Donald Trump und Moon Jae-in für einen dauerhaften Frieden auf der koreanischen Halbinsel rückgängig zu machen, so erfolglos sie letztlich auch gewesen sein mögen. Während Trump und Moon versucht hatten, sich mit dem nordkoreanischen Staatschef Kim Jong-un zu verständigen, zu Gesprächen mit ihm zu treffen und schrittweise Spannungen abzubauen, zeigen ihre beiden jeweiligen Nachfolger im Amt kein Interesse mehr daran und versuchen, ein neues Wettrüsten auf der Halbinsel zu entfachen, indem massive Militärübungen abgehalten werden, auf die Pjöngjang regelmäßig mit einer Intensivierung von Tests ballistischer Raketen antwortet.

Es liegt im grundlegenden Interesse der neokonservativen US-Elite, solche Friedensbemühungen zu unterminieren, und dieses Ziel war einer der Gründe für das Scheitern von Trump als US-Präsident. Denn wenn den beiden Teilen von Koreas eine Versöhnung gelingen würde, wäre die Militärpräsenz der USA auf der Halbinsel zumindest teilweise delegitimiert. Das wiederum würde Washingtons Fähigkeit unterminieren, Südkorea ebenso wie weitere Regionen Asiens als Bollwerk zur erklärten "Eindämmung" Chinas benutzen zu können. Es ist für Washington strategisch ungünstig, in dieser Region irgendeine Form von Frieden zu fördern, aus genau denselben Gründen, weshalb die USA dies in der Ukraine verhindern. Wenn es den USA jedoch unterstützt von ihren antikommunistischen Verbündeten unter den Konservativen in Südkorea gelingt, die Halbinsel unter ständiger militärischer Anspannung zu halten und den Norden kontinuierlich zu einem langfristigen Wettrüsten zu provozieren, könnte Washington seine Ziele erreichen.

Global aber würden die Folgen dessen katastrophal sein, denn das könnte die koreanische Halbinsel auf ein Niveau nuklearer Spannungen bringen, das nicht einmal während des ersten Kalten Krieges erreicht wurde. Obwohl viel Rhetorik darüber verbreitet wurde, dass die USA "dem nordkoreanischen Regime ein Ende setzen" würden, sollte Nordkorea einen atomaren Angriff auf den Süden wagen, ist es gefährlich, so weitreichende Aussagen zu treffen oder gar die reale Gefahr zu ignorieren, dass in solch einem Szenario alle Koreaner, einschließlich jener im Süden, die größten Verlierer wären. Ungeachtet dessen ist Nordkorea kein Land, dem man mit Frechheit beikommen kann. Obwohl Pjöngjang regelmäßig drohende Rhetorik und martialische Übertreibungen an den Tag legt, zeigt die jüngste Geschichte, dass Nordkorea durchaus bereit ist, Südkorea mit Gewalt zu bestrafen, wie es beispielsweise das Versenken eines Kriegsschiffs oder der Beschuss einer Insel sein könnten.

Darüber hinaus hat Yoon jüngst auch die Entscheidung getroffen, auf Geheiß aus Washington zunehmend China zu verärgern, indem er provokative Kommentare zu Taiwan äußerte, worauf nach Protesten aus Peking dagegen anschließend auch noch der chinesische Botschafter demonstrativ einbestellt wurde. Auf wirtschaftlicher Ebene ist dies höchst leichtsinnig, weil China der größte Handelspartner des Landes ist. Südkoreas frühere Bemühungen, die Regierung in Peking zu verärgern – etwa durch die Stationierung des Raketenabwehrsystem THAAD im Jahr 2017 –, endeten mit Sanktionen gegen das Land. Die USA bieten aufgrund ihrer höchst protektionistischen Wirtschaftspolitik und ihrer aktuellen Bemühungen, dass südkoreanische Halbleiterunternehmen Produktionskapazitäten auf dem Territorium der USA schaffen, sowie mit ihrem Gesetz zur Reduktion der eigenen Inflation, das die Handelsbilanz Südkoreas spürbar beeinträchtigt, keine angemessenen oder gar gleichwertigen wirtschaftlichen Alternativen.

Selbst von den leidenschaftlichsten US-Befürwortern unter den Kommentatoren wurde infrage gestellt, welche Vorteile für Südkorea genau Yoon nun eigentlich mit seinem Besuch in den USA gewonnen hätte. Die Antwort darauf ist: Keine. Er hat seine gesamte Außenpolitik vorsätzlich auf Unterwürfigkeit gegenüber den USA ausgerichtet, bis hin zum Untergraben der Sicherheit, Stabilität und des Wohlstands der koreanischen Halbinsel. Es ist somit auch wenig überraschend, dass seine Zustimmungswerte im eigenen Land immer weiter abrutschen. Zunehmende Spannungen mit drei Staaten gleichzeitig – und das zu einer Zeit, in der weder Moskau noch Peking irgendein Interesse daran zeigen, Pjöngjang in die Schranken zu weisen – werden ein Chaos in der gesamten Region auslösen, da Kim Jong-un mit weiteren Raketentests und vielleicht sogar einem Atomtest reagieren könnte. Südkorea dürfte der größte Verlierer in dieser Situation sein, während man in Washington, D.C. die strategischen Vorteile daraus erntet. Wieder sehen wir, wie bereitwillige Lakaien von Washington ihre Länder zur Schlachtbank führen, indem sie Konflikte provozieren, die einzig und allein den USA nützen, damit die ihre Macht projizieren können.

Das Problem für Südkorea und die Welt ist, dass Pjöngjang weit weniger zurückhaltend ist, als es Moskau oder Peking sind, weil Nordkorea gegen die USA und grundsätzlich um seine Existenz kämpft. Ein Atomkrieg ist für Kim Jong-un daher kein Spiel, auch wenn das für die Biden-Administration eines zu sein scheint.

Übersetzt aus dem Englischen.

Timur Fomenko ist ein politischer Analyst.

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