Meinung

Von Tigern und Wölfen – Wildtiere als Politikum

Wildtierschutz ist ein nobles Anliegen. Es kann scheitern, wenn die Bevölkerung nicht mitmacht, oder dank breiter Unterstützung in kleinen Schritten Erfolg haben. Der Schutz von Wölfen in Österreich und Tigern im Fernen Osten Russlands unterscheidet sich gravierend ‒ nicht zuletzt aufgrund der Qualität der medialen Berichterstattung.
Von Tigern und Wölfen – Wildtiere als PolitikumQuelle: Sputnik © Svetlana Shevchenko

Von Dr. Karin Kneissl

Die Geographie spielt immer eine Rolle, auch im Wildtierschutz. Im kleinräumigen Mitteleuropa Wolfsrudel wieder heimisch zu machen, war nicht einfach. Aber engagierte Forscher, wie der Österreicher Kurt Kotrschal, sind der Überzeugung, dass der Wolf bleiben wird. Ich hatte viele gute Gespräche mit ihm und besuchte mehrmals jenes Waldrevier nahe Wien, wo zu den Wölfen geforscht wird.

Der Vorfahre unseres ersten Haustieres, des Hundes, polarisiert seit jeher. Vielleicht weil Mensch und Wolf einander so ähnlich sind? Ob Großfamilie oder Wolfsrudel, unsere sozialen Strukturen haben Parallelen. Der Rudelführer und der einsame Wolf sind Typen. Wer einmal mit einem Wolf Zeit verbringen durfte, spürt die souveräne Ausstrahlung ‒ der Wolf ist mit uns auf Augenhöhe. Anders der Hund, der dem Menschen, seinem Rudelchef, gefallen möchte.

Angst und Hass – und die Rolle der Medien

In Österreich funktioniert der Wolfschutz besonders schlecht, denn die Stimmung in der Bevölkerung ist nicht nur dank reißerischer Berichterstattung aufgeheizt. Die Wortwahl der Journalisten, wenn es um Wölfe geht, erinnert an eine Jagdgesellschaft, die nach ihrer Beute giert. Es herrscht eine Anti-Wolf-Stimmung wie in alten Märchen. Dass im Straßenverkehr mehr Wildtiere sterben als von Wölfen gerissen werden, interessiert niemanden. Zudem haben die österreichischen Bauern verlernt, mit Hirtenhunden zu arbeiten. Tierherden werden auf Weiden abgestellt – mit oft brisanten Folgen für Mensch und Tier. Professionellen Hirten bin ich in Frankreich in den Cevennen begegnet, wo das Zusammenleben zwischen Herden und Wildtieren auch meist gut funktioniert, jedenfalls um vieles besser als in Deutschland und Österreich.

Vor einigen Monaten kam die Meldung, dass ein Pony der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Niedersachsen in der Nacht auf der Weide von einem Wolf gerissen worden war. Der Wolf wurde prompt zum Abschuss freigegeben und die Kommissionspräsidentin verkündete offiziell, dass der europäische Wolfschutz überprüft werden müsse.

Als ich die Nachricht las, war mein erster Gedanke: Pferde und Ponys lässt man nicht über Nacht auf der Weide. Ich halte selbst seit 20 Jahren Pferde und kümmere mich um die Stallarbeit und tat dies auch als Ministerin jeden Morgen selbst, außer wenn ich auf Reisen war. Die Tiere bei Sonnenuntergang von der Weide in den Stall zu bringen, ist Teil meines Alltags. Selbstverständlich kann sich von der Leyen aus Brüssel nicht um ihre Tiere kümmern, aber sie hat sicher jemanden beauftragt. Die Berichterstattung drehte sich – von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen – um den bösen Wolf. Dabei war ursächlich für den Tod des Ponys, dass es die Nacht auf der Weide verbrachte und nicht im Stall.

Luxusprobleme sind dies im Vergleich zum täglichen Überlebenskampf weiter Teile der Landbevölkerung in Indien, Nepal und anderen asiatischen Staaten, wo die Population der Tiger angewachsen ist. Das Zusammenleben zwischen den größten Katzen und einer bäuerlichen Gesellschaft zu organisieren, ist nicht einfach. Aber es gelingt. Meiner Beobachtung nach hat der Tigerschutz in Asien mehr Anhänger als der Wolfschutz in der EU.

Und ich war Patin eines Wolfes in Österreich, musste aber vor drei Jahren meine Heimat verlassen. Nun engagiere ich mich gern für den Tigerschutz.

Stolz auf den Tiger

Einen wichtigen Schritt für den internationalen Tigerschutz setzten die Präsidenten Russlands und Indiens im Jahr 2010 in Sankt Petersburg. Putin und Modi vereinbarten einen neuen Fonds zur Erhaltung des Habitats. Die großen Naturreservate nahe Wladiwostok bedeuten den Menschen im russischen Fernen Osten sehr viel.

Tiger als Sympathieträger, indem sie auf Flugzeugen oder Zügen zu sehen sind, und Kinder in Tigerkostümen, die stolz ihre Liebe zu den großen Katzen bekennen – das bestaunte ich in Wladiwostok auf dem Tigerforum im letzten September. Und ich versuchte mir vorzustellen, ob Österreicher mit so viel Enthusiasmus für Wölfe eintreten würden. Leider nein!

Der Wolf hat schlechte Presse und die wird er nicht mehr los. Wölfe gelten als unheimlich und damit auch symbolisch für eine Gesellschaft, die nur noch in Schwarz und Weiß denkt.

Der Tiger auf dem asiatischen Kontinent wird mit Respekt verehrt, ist der Inbegriff von Kraft und Schönheit. Wie wir mit Tieren, ob den wilden oder den gezähmten, umgehen, sagt viel über uns aus. Vielleicht werden die Wölfe wieder nach Osten ziehen. Es wird ihnen dort wohl besser ergehen als im zersiedelten Mitteleuropa, wo sie medial ohnehin gejagt werden.

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