Anklage gegen Trump: Wie man eine Rechtsordnung zerstört
Von Dagmar Henn
Es ist ein gefährliches Spiel, das die Regierung Biden treibt. In der Innenpolitik nicht anders als in der Außenpolitik – so, wie mittlerweile die gesamte wirtschaftliche Zukunft der USA in der Ukraine riskiert wird, so wird im Verfahren gegen Donald Trump die Gültigkeit der Rechtsordnung infrage gestellt.
Die deutschen Medien sind natürlich brav an der Seite der US-Demokraten. Als Beleg mag ein Zitat aus der Tagesschau genügen, die sich in diesem Zusammenhang wieder eine erlesene Mischung aus Nicht- und Falschinformation leistete:
"'Praktisch jeder Rechtsexperte hat gesagt, dass es hier keinen Fall gibt. Es wurde nichts Illegales getan!', behauptete Trump ohne Belege und ignorierte dabei die überwältigende Zahl an Rechtsexperten in den USA, die die Anklage gegen Trump nicht nur als legitim betrachten, sondern die Vorwürfe auch als durchaus schwerwiegend und gehaltvoll einschätzen."
Der erste Punkt, der auffällt, ist die Formulierung "ohne Belege". Denn eigentlich gilt, das müsste auch in der Redaktion der Tagesschau bekannt sein, der Grundsatz 'in dubio pro reo', was bedeutet, nicht der Angeklagte muss seine Unschuld belegen, sondern der Ankläger seine Schuld. Nachdem schon Nancy Pelosi erklärt hat, Trump könne ja vor Gericht seine Unschuld beweisen, scheint auch die Redaktion der Tagesschau diese Regel ins Gegenteil zu verkehren.
Tatsächlich gab es bereits mehrere Anläufe vor den eigentlich zuständigen Bundesgerichten, aus einem sexuellen Kontakt – den Trump ohnehin bestreitet – im Jahr 2006 ein Verfahren zu machen, die aber mehrfach scheiterten. Das sollte man gewöhnlich als Beleg akzeptieren, wenn nicht die Tagesschau beschlossen hätte, die gesamte Vorgeschichte zu verschweigen.
Eine Vorgeschichte, die Donald Trump gestern in seiner Rede in Mar-a-Lago nach der Anhörung in New York in allen Details ausbreitete. Einschließlich der "Russiagate"-Konstruktion, der zwei gescheiterten Impeachments, der Vorwürfe wegen angeblich illegal besessener geheimer Dokumente (die schon allein deshalb absurd waren, weil der Präsident in den USA in dieser Frage absolute Entscheidungsbefugnis besitzt), des jüngst ebenfalls gescheiterten Prozesses gegen sein Familienunternehmen, aber auch der Anstrengungen des FBI, den Laptop von Hunter Biden mindestens bis zu den letzten Wahlen zur russischen Propaganda zu erklären.
Es ist eine reichhaltige Geschichte, und sie ist tatsächlich voller willkürlicher juristischer Manöver, voller Fälschungen wie bei Russiagate und illegaler Handlungen von Bundesbehörden. In Deutschland wurden große Teile davon verschwiegen oder zumindest das Scheitern dieser Manöver so beiläufig berichtet, dass die Mehrheit des deutschen Publikums nicht einmal mitbekommen hat, wie sich Russiagate in Luft auflöste. Was für Deutschland eigentlich nicht von Belang wäre, wenn nicht die Haltung, die zu diesen Manövern eingenommen wird, gleichzeitig zeigt, welche Haltung dem Recht gegenüber besteht.
Höhere Positionen in der Staatsanwaltschaft sind in den USA sämtlich Wahlämter, für die ein Wahlkampf geführt wird, und der Bezirksstaatsanwalt, der die Klage gegen Trump erhoben hat, führte seinen Wahlkampf genau mit dem Versprechen, er werde Trump vor Gericht bringen. Man sollte annehmen, dass das auch hiesige Medien zur Vorsicht mahnt. Dass zumindest erkannt wird, wie weit die Biden-Regierung zu gehen bereit ist und wie hoch der Preis sein könnte, den die Vereinigten Staaten dafür zahlen müssen.
Eine Rechtsordnung kann nur unter bestimmten Voraussetzungen existieren. Sie ruht immer, gleich in welcher Gesellschaft, auf zwei Säulen – Konsens und unmittelbarer Gewalt (verkörpert etwa in Polizei und Gefängnissen). Beide Säulen müssen vorhanden sein, aber die unmittelbare Gewalt ist die schwächere der beiden. Je schwächer aber der Konsens wird, desto mehr muss auf die unmittelbare Gewalt gesetzt werden.
Auch wenn jede Rechtsordnung an wichtigen Punkten einen Teil der Gesellschaft, eine Klasse, besser stellt als eine andere, kann gegen die Notwendigkeit zum Konsens nur begrenzt verstoßen werden. Die Geschichte berühmter Räuber wie Robin Hood oder Schinderhannes belegt, dass ein nicht vorhandener Konsens dazu führt, dass die Normen ignoriert werden, und ebendiese Geschichten belegen auch, dass die Macht der unmittelbaren Gewalt sich dann als sehr begrenzt erweist.
Viele Eigenschaften, die heute ein Rechtssystem auszeichnen, sind Ergebnis dieser Tatsache. Dass Gesetze schriftlich niedergelegt sind, dass sie nicht rückwirkend in Kraft gesetzt werden dürfen, um allzu grobe Manipulationen zu verhindern, dass vor dem Gesetz alle gleich sein sollen. Letzteres gilt in Wirklichkeit nur sehr begrenzt, allein weil jede Rechtsordnung eben einen bestimmten Teil der Gesellschaft bevorzugt; aber im Normalfall geschieht dies eher subtil, etwa indem Eigentumsdelikte im Vergleich zu Gewaltdelikten deutlich stärker geahndet werden. Eine offenkundige, unübersehbare Schieflage gefährdet nämlich den Konsens.
Das US-Rechtssystem, das auf dem germanischen Recht beruht, ist an einigen Punkten anfälliger als das auf dem römischen Recht beruhende deutsche. Die Gesetzestexte sind komplizierter (EU-Recht folgt dem US-Recht, jeder kann mühelos einen Vergleich zwischen dem deutschen bürgerlichen Gesetzbuch und einer EU-Verordnung ziehen), und der weit höhere Anteil ausgehandelter Verfahren, deren Ergebnis eben nicht auf einer festgestellten Wahrheit beruht, sondern auf einem Deal zwischen Anwalt und Staatsanwalt, sorgt für noch massivere Unterschiede zwischen armen und reichen Angeklagten, weil derjenige, der sich den besseren Anwalt leisten kann, automatisch den besseren Deal erzielt. Diese Art der Verhandlungsjustiz breitet sich, mit der Begründung, so die Arbeitsbelastung der Gerichte zu verringern, allerdings mittlerweile auch in Deutschland aus.
Aber zurück zu Trump. In der Strafjustiz (und hier geht es um ein Strafverfahren) gilt eigentlich, dass erst der Fall vorliegt und dann das Verfahren eröffnet wird. Im Fall der Anklage gegen Trump ist das umgekehrt – der Staatsanwalt ist von vornherein mit der Absicht angetreten, einen Fall zu machen. Das ist nicht die Funktion eines Staatsanwalts, auch wenn es historische Vorbilder gibt, bei denen sich das rechtfertigen ließ, wie das Verfahren wegen Steuerhinterziehung gegen Al Capone. Das, was die Neokons, die die Demokraten beherrschen, Trump vorwerfen, ist allerdings nicht, für den Tod vieler Menschen verantwortlich zu sein, wie das bei Al Capone gegeben war, sondern eher der Vorwurf, zu wenige Tote hinterlassen zu haben.
Die "Fälschung von Geschäftsunterlagen", die ihm vorgeworfen wird, bezieht sich darauf, wie das Geld, das der damalige Anwalt von Donald Trump im Jahr 2016 ohne Trumps Wissen an eine Pornodarstellerin zahlte, verbucht worden war. Allein anhand dessen, dass nicht einmal angezweifelt wird, dass die Zahlung ohne Trumps Wissen erfolgte, dass solche Zahlungen nicht einmal illegal sind, sofern dadurch keine Straftat gedeckt wird, und dass niemand davon ausgeht, dass Trump persönlich seine Buchhaltung abwickelt, wird sichtbar, dass der ganze Vorwurf an den Haaren herbeigezogen ist. So wie die Durchsuchung in Mar-a-Lago im vergangenen Sommer.
Manche spekulieren, der Prozess sei von den Demokraten lanciert, um damit einen Kandidaten DeSantis bei den Republikanern zu verhindern. Es ist nicht völlig auszuschließen, dass solche Überlegungen eine Rolle spielen; aber was vor allem sichtbar wird, ist ein blinder Hass, durch den nicht einmal mehr eine Abwägung zwischen möglichem Nutzen und möglichem Schaden stattfindet, als hätten solche Manöver keinen Preis.
Was die Geschichte so besonders kritisch macht, ist zum einen, dass sie so sichtbar ist. Rechtsbeugung wird politisch desto gefährlicher, je öffentlicher sie ist. Und angesichts der zentralen Rolle, die der Präsident in der US-Verfassung spielt, sollte man davon ausgehen, dass die Gründe, ihn anzuklagen, äußerst schwerwiegend sind. Die Zerstörung anderer Staaten mit hunderttausenden von Opfern beispielsweise, die sich sowohl Sohn und Vater Bush als auch Obama und Biden gönnten. Ein einvernehmliches Schäferstündchen mit einer Pornodarstellerin, so es denn stattgefunden hat? Das sollte nicht einmal eine Nachricht, geschweige denn Anlass für ein Gerichtsverfahren gegen einen Präsidenten sein.
Der zweite Punkt, der dieses Vorgehen so gefährlich macht, ist, dass die jetzige US-Regierung die Bedeutung von Konsens vollkommen ignoriert; im Gegenteil, die gesamte Politik setzt auf äußerste Konfrontation, und das, ohne sich auch nur auf eine knappe Mehrheit in der Bevölkerung stützen zu können. Selbst wenn es diese gäbe, wäre ein solches Handeln unklug; knappe Mehrheiten kann man bestenfalls für einzelne Schritte nutzen, wenn man ansonsten zum Konsens zurückkehrt. Das, was in den vergangenen Jahren in den USA zu sehen war, ist eine zunehmende Polarisierung und gleichzeitig der Versuch, eine Ideologie um jeden Preis durchzusetzen.
Nun ist es durchaus möglich, Regierungspolitik ideologisch auszurichten. Dazu bedarf es aber entweder einer überwältigenden Mehrheit, wie nach echten Revolutionen, oder aber eines Überschwangs an unmittelbarer Gewalt, wie in Diktaturen. Wenn beides nicht gegeben ist, ist solche Politik ein fast sicherer Weg in den Bürgerkrieg.
Während die eine Seite dieser gespaltenen Gesellschaft zu jedem Manöver, sei es noch so fragwürdig und durchschaubar, jubelt, in der Überzeugung, die "gute Sache", ob Ukraine-Krieg oder Transrechte, rechtfertige das, sieht die andere, wie sie auf eine höchst undemokratische Weise völlig ignoriert wird. Und da die Medien und weite Teile des Rechtssystems in der Hand des Gegners sind, dem inzwischen alles zugetraut wird, entsteht dadurch eine Legitimität, sich auf andere Weise zur Wehr zu setzen.
Machiavelli, dessen Anhänger zu sein Trump so gern vorgeworfen wird, hat sich weit mehr mit den Erfordernissen einer stabilen Herrschaft befasst, als es die Biden-Regierung tut. Wer ihn gelesen hat, weiß, dass zwar mit der Frage militärischer Gewalt so selbstverständlich umgegangen wird, wie das zwischen den konkurrierenden Stadtstaaten in Norditalien damals eben üblich war, es aber eben nicht schlicht um Regierung, sondern um eine gute Regierung geht. Wenn man sieht, wie die Biden-Regierung und ihr Anhang mit den anstehenden Aufgaben umgehen und wie sie die Grundlagen der Staatlichkeit selbst aufs Spiel setzen, wäre ein klein wenig mehr Machiavelli schon ein Fortschritt.
Trump hat gegen Ende seiner Rede auf die Fragen hingewiesen, mit denen sich eine US-Regierung auseinandersetzen müsste. Er sagte, dass die Stellung des US-Dollars als Reservewährung enden könne, und meinte: "Wenn das geschieht, sind wir keine Großmacht mehr, vielleicht noch eine Mittelmacht." Inzwischen dürfte auch ein eventueller abermaliger Präsident Trump daran nichts mehr ändern können. Aber er könnte vielleicht die ehemalige Großmacht als Staat erhalten, während die Regierung Biden ihr Bestes tut, eine Trümmerlandschaft zu hinterlassen, auch in den Vereinigten Staaten selbst.
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