Seit Beginn der Zivilisation werden wir von narrativer Kontrolle dominiert – Zeit, das zu ändern!
Von Caitlin Johnstone
Die Geschichte der Wissenschaft der modernen Propaganda nahm ihren Anfang vor über einem Jahrhundert, während des Ersten Weltkriegs, als ein junger Mann namens Edward Bernays angeheuert wurde, um dabei zu helfen, den Krieg einer widerwilligen US-Bevölkerung schmackhaft zu machen. Die Erkenntnisse, die er dabei gewinnen konnte, packte er in sein Lebenswerk der Erforschung der psychologischen Manipulation der Massen.
Zu Bernays Lebzeiten entstand jene Propaganda, wie wir sie heute kennen. Sie wendet wissenschaftliche Methoden an und hat die Aufgabe, die Techniken zur Manipulation des menschlichen Verhaltens in großem Maßstab und mithilfe der Verbreitung durch die Medien zu verfeinern. Diese Methoden unterlagen fortwährend der Forschung und Weiterentwicklung und haben sich seit dem Ersten Weltkrieg mindestens so gut entwickelt wie alle anderen Instrumente der Kriegführung.
Aber der Erste Weltkrieg war nicht die Geburtsstunde der psychologischen Manipulation der Massen durch die Mächtigen. Diese existiert bereits seit Beginn der Zivilisation.
Als die Menschen noch eine Spezies von nomadischen Jägern und Sammlern gewesen waren, war es für die Stammesführer nicht nötig gewesen, dem Stamm Narrative aufzuzwingen, um sie dadurch in Bewegung zu halten und sie dazu zu bringen, sich wie gewünscht zu verhalten. Die menschlichen Bedürfnisse nach Nahrung, Wasser und Sicherheit hatten völlig ausgereicht, um diese kleinen Gesellschaften in Bewegung zu halten, sie zur Jagd und zum Sammeln zu motivieren, sich fortzupflanzen und zu kämpfen, wo immer es nötig war. Sie hatten all diese Dinge auch ohne die Existenz von Sprache getan, und unsere evolutionären Vorfahren hatten wahrscheinlich genau das Millionen Jahre lang getan, lange bevor zum ersten Mal ein Sprachverhalten beim Menschen auftauchte.
Das änderte sich mit der Entwicklung der Landwirtschaft vor etwa 10.000 Jahren. Nachdem die Menschen zu lernen begonnen hatten, die Biosphäre der Erde dazu zu bringen, die Nahrung aus dem Boden wachsen zu lassen, wurden sie in die Lage versetzt, sesshaft zu werden, ohne dass sie befürchten mussten zu verhungern. Und so begannen Zivilisationen zu entstehen. Während sich die Menschen als Jäger und Sammler nur in Gruppen von wenigen Dutzend hatten organisieren können, begannen sie mit der Fähigkeit, Land zu besiedeln und zu bebauen, sich in Dörfern und später in Städten mit Hunderten oder Tausenden zusammenzuschließen.
Sobald man es mit Menschengruppen in dieser Größenordnung zu tun hat, die sich von Ackerland und Vieh ernähren, sind die menschlichen Impulse von Hunger, Durst und Sicherheit nicht mehr komplex genug, um das tägliche Verhalten dieser Menschen zu bestimmen. Jetzt wurde Sprache nötig, Vereinbarungen, Protokolle, Regeln, Etikette. Wie soll die Zivilisation geplant werden? Wie sollen Entscheidungen getroffen werden? Wer übernimmt diese Aufgaben? Wie werden Ressourcen zugeteilt? Wie werden Kinder gezeugt und erzogen?
Bereits hier sieht man, wie sich die Möglichkeiten zum Missbrauch eröffnen. Jemand wird diese Aufgaben übernehmen. Jemand wird diese Entscheidungen treffen, und jemand wird entscheiden, an wen welche Ressourcen gehen – und möglicherweise mehr sich selbst als anderen zuweisen. Jemand wird entscheiden, wer Sex haben darf, und diese Verantwortung möglicherweise vollständig sich selbst zuweisen und den Frauen kein Mitspracherecht in dieser Angelegenheit überlassen.
Als die Menschheit von der Organisationsform als Dörfer und Städte zu Königreiche und Imperien überging, stieg das Potenzial für Missbrauch exponentiell an. Denn dann kam die Frage von Krieg und Frieden auf und wer in diesen Kriegen kämpfen soll. Man hatte Geld und die Möglichkeit, riesigen Reichtum zu erlangen. Man hatte Gesetze und die Möglichkeit zu bestimmen, welche diese sind und wem sie zugute kommen sollen. Und es gab oft jemanden mit immenser Macht über eine sehr große Anzahl von Menschen.
Man konnte sich nicht mehr bloß auf instinktive menschliche Impulse verlassen, um eine Zivilisationen von solcher Komplexität zu organisieren. Um die Menschen dazu zu bringen, sich in Übereinstimmung mit dem Willen der Herrscher zu bewegen, musste man Narrative anwenden. Man musste die eigene Zivilisation mit einer konzeptionellen Welt mentaler Narrative überlagern, an die die Menschen glaubten und sich in Übereinstimmung mit ihnen bewegten. Und das ist in jeder Zivilisation passiert, die jemals existiert hat.
Religionen spielten dabei bis in die vorletzte Generation hinein eine große Rolle, die Öffentlichkeit dazu zu bringen, Sanftmut, Gehorsam und Armut zu schätzen und dem Cäsaren das zu geben, was dem Cäsaren gehört – nämlich Steuern –, während man ihr beibrachte, dass es eine Sünde ist, die eigenen Herrscher zu ermorden und ihre Schätze zu plündern. Religion war eine wesentliche Komponente, um die Massen zu unterwerfen und am Willen der Herrscher auszurichten. Christentum und Islam sehen ganz anders aus als Glaubenssysteme wie der Konfuzianismus. Aber alle drei Glaubenssysteme sind narrative Überlagerungen, die sich über riesige Zivilisationen erstrecken, mit denen die einfache Öffentlichkeit in Übereinstimmung mit dem Willen der Herrschenden beherrscht werden konnten.
Und natürlich war das alles nicht gänzlich schlecht. Eine Zivilisation wäre unmöglich gewesen, wenn alle ständig alle anderen ausgeraubt und getötet hätten, wobei Narrative über Sünde und ewige Bestrafung eine Möglichkeit waren, dies zu unterbinden. Die Narrative über Religion, Recht, Regierungsform und Kultur bewahrten eine gegebene Ordnung, wo ansonsten UNOrdnung geherrscht hätte. Es mag zwar die meiste Zeit eine tyrannische, ausbeuterische und ungerechte Ordnung gewesen sein, aber es war durchaus eine Ordnung.
In der modernen westlichen Gesellschaft spielt Religion eine weniger dominante Rolle im organisierenden Narrativ, aber es existiert immer noch dieselbe dicke narrative Überlagerung wie in der Antike. Anstelle einer Priesterschaft haben wir Experten, Journalisten, Politiker und Vordenker in Denkfabriken. Anstelle der Ketzer haben wir Querdenker, Verschwörungstheoretiker und Reichsbürger. Und anstelle alter Schriften und Doktrinen haben wir die Weltanschauung der Mainstream-Medien. Zuvor beinhaltete die Mainstream-Weltanschauung Jesus und Gott. Heute beinhaltet die Mainstream-Weltanschauung den Kapitalismus und ein vollständig auf Glauben basierendes Vertrauen in die Demokratie.
Aber auch hier ist nicht alles schlecht. Es ist wahrscheinlich eine gute Sache, dass die Mainstream-Weltanschauung Freiheit und Gerechtigkeit schätzt, auch wenn unsere Freiheiten weitgehend illusorisch und unsere Rechtssysteme zutiefst unfair sind. Es ist wahrscheinlich gut, dass sich die Mainstream-Weltanschauung jetzt offiziell gegen Rassismus stellt, auch wenn das teilweise daran liegt, dass Rassenunruhen und Lynchjustiz für unsere Herrscher unangenehm sind. Es ist wahrscheinlich gut, dass die Mainstream-Weltanschauung es schätzt, Kinder gegen Krankheiten zu impfen, die früher viele umgebracht haben, auch wenn die Pharmaindustrie viel zu viel Macht hat und Krankheiten jetzt als Vorwand dienen, autoritäre Agenden voranzutreiben.
Es ist nicht alles schlecht, aber es ist trotzdem schlecht. Der Status quo, den zu akzeptieren wir manipuliert werden, schafft schreckliche Ungerechtigkeiten und gefährdet unsere gesamte Spezies. Ein mit dem Kapitalismus einhergehender Ökozid vernichtet unsere Biosphäre, der Imperialismus bedroht unseren Planeten mit einem nuklearen Armageddon. Menschen werden ausgehungert, verarmt, missbraucht und ausgebeutet durch den gesellschaftspolitischen Status quo, in dem wir durch die Wissenschaft der modernen Propaganda manipuliert werden. Und das alles zum Wohle derselben Art von Menschen, die dieselbe Kontrolle über die dominierenden Narrative übernommen haben wie jene in den alten Zivilisationen, in denen unsere Vorfahren lebten.
Seit Anbeginn der Zivilisation werden wir von Manipulatoren regiert. Diejenigen, die an die Spitze unserer gegenwärtigen Zivilisation aufsteigen, haben die gleichen Qualitäten wie diejenigen, die an die Spitze der alten Königreiche und Imperien aufgestiegen sind. Leute, die nur ein bisschen klüger sind als die anderen und prinzipienlos genug, um das zu ihrem Vorteil zu nutzen.
Die nächste Stufe in unserer Entwicklung als Spezies, falls wir die nächste Stufe erreichen, wird darin bestehen müssen, die Grenzen dieses Modell zu überschreiten, hin zu einem Modell, in dem unser Leben von einem mentalen Narrativ dominiert wird. In diesem Modell werden Manipulatoren in der Lage sein, die Tatsache ausnutzen, dass Menschen Geschichten erzählende Kreaturen sind, um damit Macht über den Rest von uns zu erlangen und uns zu zwingen, die vorgegebene Ordnung unserer derzeitig herrschenden Systeme gegen Frieden, Gerechtigkeit, Vernunft und ein gesundes Ökosystem einzutauschen.
Das bedeutet, eine bewusstere Spezies zu werden. Es wird bedeuten, unsere primitiven psychologischen Wahnvorstellungen in einem solchen Ausmaß beiseitezulegen, dass wir nicht länger die narrative Überlagerung einer Mainstream-Weltanschauung brauchen, um uns in Harmonie miteinander zu bewegen. Dass wir nicht länger die narrative Überlagerung von Gesetz und Regierung brauchen, um einander freundlich zu behandeln und die Dinge in geordneten Bahnen zu halten. Dass wir die narrative Überlagerung von Geld und Ökonomie nicht mehr brauchen, um Ressourcen dorthin zu bewegen, wo sie gebraucht werden.
Wenn es uns eines Tages gelingen sollte, die Mainstream-Weltanschauung zu überwinden, dann wird dies für die Menschheit eine Art Rückkehr ins Paradies sein, eine Rückkehr zur Unschuld jener Tage, als unsere Vorfahren noch Jäger und Sammler waren. Aber es wird die bewusste, reife Manifestation dieser Lebensweise sein, genauso wie spirituelle Erleuchtung die bewusste, reife Manifestation derselben nicht dualen Erfahrung ist, die Neugeborene erleben. Wir werden nicht in Stämmen zur Jagd gehen, wie es unsere Spezies in ihren Anfängen getan hat, wir werden in Zivilisationen leben. Aber wir werden in Harmonie untereinander und mit unserem Ökosystem leben, weil wir unsere ungesunde Beziehung zum mentalen Narrativ überwunden und durch eine wache Begegnung mit der Realität ersetzt haben.
Und ich vermute, falls wir jemals dort ankommen sollten, wird sich alles sehr vertraut anfühlen. Sehr alt und sehr vertraut.
Aus dem Englischen.
Caitlin Johnstone ist eine unabhängige Journalistin aus Melbourne, Australien. Ihre Webseite findet sich hier und man kann ihr auf Twitter unter @caitoz folgen.
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