Meinung

Die Tragik der Swetlana Tichanowskaja – Eine Oppositionspolitikerin, die ihre Heimat verlor

In einem Interview mit der britischen Zeitung "The Guardian" gibt die ehemalige weißrussische Präsidentschaftskandidatin Einblicke in ihr Denken und offenbart so, wer sie führt und wofür sie arbeitet. Das Wohl Weißrusslands ist es nicht. Ihre Heimat hat Tichanowskaja längst verloren.
Die Tragik der Swetlana Tichanowskaja – Eine Oppositionspolitikerin, die ihre Heimat verlorQuelle: www.globallookpress.com © Malte Ossowski/SVEN SIMON

Von Gert Ewen Ungar

Swetlana Tichanowskaja, gescheiterte Präsidentschaftskandidatin in Weißrussland, reklamiert den Sieg über den Amtsinhaber Alexander Lukaschenko auch nach zwei Jahren noch immer für sich. Tichanowskaja tingelt inzwischen durch die westlichen Talkshows, wird mit Preisen überschüttet und spielt medienwirksam die Rolle der Stimme der weißrussischen Opposition. Sie selbst lebt seit zwei Jahren im Exil in Litauen. Weißrussland hat sie wegen des Putschversuchs zur internationalen Fahndung ausgeschrieben, die Behörden der EU kooperieren nicht. Sie lebt hier also vor Strafverfolgung sicher und kann das Geschäft eines Umsturzes in Weißrussland von der EU aus weiter betreiben. Vermutlich wird daraus allerdings nichts werden.

Im Westen wird sie hofiert. Wie hoch ihre Zustimmungswerte in der weißrussischen Bevölkerung sind, lässt sich dagegen schwer sagen. Tichanowskaja erklärte sich am Tag des russischen Einmarsches in die Ukraine in einem auf Youtube publizierten Video zur rechtmäßigen Vertreterin der Interessen der weißrussischen Nation und Lukaschenko für abgesetzt. Das Ende Februar veröffentlichte Video hat heute etwas mehr als 21.000 Aufrufe, gut fanden den Putsch im Videoformat etwas mehr als 1.400 Nutzer. Umfassender Rückhalt in der weißrussischen Bevölkerung lässt sich aus diesen Zahlen jedenfalls nicht ableiten.

Im Gegenteil wirkt der Anspruch Tichanowskajas in einer tragischen Weise größenwahnsinnig. Ihr Schicksal zeigt deutliche Parallelen zum selbst ernannten Präsidenten von Venezuela Juan Guaidó. Bei beiden fallen Anspruch, Geste und Wirklichkeit weit auseinander.

In einem Interview mit der britischen Zeitung The Guardian skizziert Tichanowskaja erneut ihr politisches Programm und ruft die Weltgemeinschaft zu umfassenden Sanktionen gegen Weißrussland auf. Gleichzeitig zeigt sie damit, wo sie ideologisch steht und wer sie im Hintergrund führt.

Anhand der Forderungen wird deutlich, dass Tichanowskaja nicht die Interessen der Bürger Weißrusslands vertritt. Sie vertritt die Interessen eines in der Krise befindlichen westlichen Liberalismus, der auf dem europäischen Kontinent gerade um sein Überleben kämpft. Ihre Vorschläge sind geeignet, ihr Land in eine tiefe wirtschaftliche Depression zu führen. So fordert sie umfassende Sanktionen gegen ihr Heimatland, beispielsweise die, staatliche Banken und staatliche Firmen vom SWIFT-System abzuschneiden. Überweisungen im Inland, vor allem aber Geldtransfers aus dem und ins westliche Ausland wären dann nicht mehr möglich. Sie glaubt, dadurch würden private Unternehmen zum Blühen gebracht, denn diese will sie von den SWIFT-Sanktionen ausdrücklich ausnehmen. 

Dass dies in einem Land, in dem Industrie und Landwirtschaft überwiegend in staatlicher Hand und damit zentral für das Funktionieren der Volkswirtschaft sind, nicht funktionieren kann, liegt auf der Hand. Tichanowskaja hat entweder von Volkswirtschaft erschreckend wenig Ahnung, oder sie hat das Ziel, über die Verelendung der weißrussischen Gesellschaft einen Systemwechsel zu erreichen.

Vermutlich ist es Letzteres, denn es gehört inzwischen ins Standardrepertoire westlicher liberaler Regime, all jene Länder, deren politische und wirtschaftliche Ausrichtung sich nicht der westlichen Hegemonie unterwerfen, mit völkerrechtswidrigen Sanktionen ins wirtschaftliche Elend zu stürzen, um über Hungerrevolten einen Regime-Change zu erreichen. Zum Umsturz kommt es zwar in der Regel nicht, auch die Änderung des politischen Kurses wird über Sanktionen selten erreicht. Allerdings ist das durch westliche Sanktionen erzeugte Leid in der betroffenen Zivilbevölkerung natürlich dennoch erschreckend und ganz real. Die Sanktionen gegen Syrien oder Venezuela beispielsweise treffen direkt die Bürger, senken die Lebenserwartung und schaffen Mangel in allen Lebensbereichen.

Tichanowskaja beschreibt Lukaschenko als Marionette Wladimir Putins. Das ist in dieser Form mit Sicherheit falsch. Lukaschenko gelang es bis zur Verhängung umfassender Sanktionen nach der letzten Wahl, für Weißrussland politischen und wirtschaftlichen Gewinn aus einem klugen politischen Spiel sowohl mit Russland als auch der EU zu schlagen. Die deutliche Annäherung an Russland gab es erst danach, und sie ist vor allem der aggressiven Politik der EU geschuldet.

Dagegen beweist Tichanowskaja mit ihren Forderungen, dass sie selbst die Marionette westlicher Einflussnahme ist. Diese folgt dem immer gleichen Muster: Stärkung von nationalistischen Strömungen, Schwächung der Wirtschaft, Ruf nach Marktöffnung und "Reformen" der sozialen Sicherungssysteme, was ihren Rückbau bedeutet. Schließlich die Aushöhlung nationaler Souveränität und Demokratie durch Verschuldung bei westlichen Institutionen, die dadurch Eingriffsmöglichkeit auf die Entscheidung des Parlaments bekommen, sowie Einbindung in eine transnationale Struktur wie beispielsweise der EU, die ebenfalls nationale Souveränität aushöhlt.

Tichanowskajas Forderungen sind bis hin zur Ablehnung der russischen Sprache und der Stärkung eines weißrussischen Nationalismus nach genau diesem Muster gestrickt. Sie ist eben keine Politikerin der weißrussischen Bürger, sondern eine Einflussagentin westlicher Interessen in Weißrussland.

Das wird auch im Interview deutlich. Tichanowskaja operiert mit Zahlen und Daten von westlichen NGOs und Thinktanks zur Begründung ihrer Forderungen. Diese Zahlen, das wird schnell deutlich, sind jedoch höchst fragwürdig. Eine ihrer Thesen ist beispielsweise, Lukaschenko sei unter weißrussischen Wählern höchst unpopulär. Er genieße lediglich bei 25 Prozent der Wahlberechtigten Unterstützung.

"Lukaschenko ist zutiefst unpopulär und weitaus schwächer als viele annehmen. Er wird von gerade mal 25 Prozent der Bevölkerung unterstützt. Die Mehrheit davon sind Rentner, Beamte und Mitarbeiter der Sicherheitsdienste, die auf den Staat als Arbeitgeber in einer untergehenden Volkswirtschaft angewiesen sind."

Der Text verlinkt als Beleg für diese Behauptung auf einen Beitrag der US-amerikanischen Carnegie-Stiftung. Dieser Beitrag hat seine Zahlen wiederum vom gut vernetzten britischen Thinktank Chatham House. Die Erhebung hat allerdings ihre Schwächen, denn sie ist nicht repräsentativ, da sie internetbasiert durchgeführt wurde. Die Studie selbst schränkt ihre Gültigkeit ein:

"Trotz der Tatsache, dass unsere Stichprobe ausgewogen die gesellschaftlichen Gruppen der weißrussischen Gesellschaft repräsentiert, ist es möglich, dass die Unterstützung für Lukaschenko und seiner Politik etwas höher ausfällt, als diese Umfrage aufzeigt, denn die Unterstützer Lukaschenkos sind tendenziell weniger sozial und wirtschaftlich aktiv als seine Gegner."

Die Gruppe der Rentner, die Tichanowskaja für eine der größten Gruppen der Unterstützer Lukaschenkos hält, wird von den Machern der Meinungsumfrage nach eigenen Angaben kaum erreicht. Die von Carnegie verlinkte Datei sagt dann bezüglich der Beliebtheitswerte Lukaschenkos zudem nichts aus. In ihr geht es um die Unterstützung des russischen Spezialoperation in der Ukraine.

All diese Flunkerei mit Fakten und Daten zeigt aber auch: Tichanowskaja ist eine Marionette westlicher Einflussnahme. Allein die von ihr zitierten Quellen zeigen, wo sie ihre politische Heimat hat und wer sie steuert. Es sind westliche Thinktanks und Stiftungen, die marktradikale Ideologien und ein neokoloniales Programm verfolgen. Das Interview im Guardian gewährt aber auch Einblick in die Tragik der Biografie Tichanowskajas. Sie selbst sieht sich als Opfer russischer Einflussnahme auf die Wahl in Weißrussland. Sie stilisiert sich zum Opfer russischer Politik. Putin hat ihr den Sieg gestohlen, ist ihre absurde These. Tichanowskaja ist eine tragische Figur. Sie hat sich zum Instrument einer Sache machen lassen, die nicht die Sache der weißrussischen Nation ist. Sie wird jetzt im Westen von Talkshows zu Interviews und wieder zurückgereicht, darf dabei ihre immer gleiche Geschichte einer gestohlenen Wahl und ihrer gestohlenen Präsidentschaft erzählen und ist gezwungen, Positionen zu vertreten und Forderungen zu erheben, deren Erfüllung ihrem Heimatland tiefen Schaden zufügen würden. Dabei verliert sie immer weiter den Kontakt zur Realität. 

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